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Alt 09.06.2010, 08:57
GeorgK. GeorgK. ist offline
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Standard AW: Meine Diagnose

Moin in die Runde,
es tut sich was... eines habe ich gelernt, glaube ich: Man ist diesen anonymen Ameisenhaufen, wie der MNR-Klinik der Düsseldorfer Uni, solange hilflos ausgeliefert, fühlt sich als dort in dem emsigen Betrieb einsam und verstört, solange man es nicht schafft, sein jeweiliges Gegenüber dazu zu bekommen, einen als Einzelwesen zu erkennen.

Die (falsche) Diagnose "inoperabel" bekam ich auf dem Flur zu hören, mitten im Trubel beim Bettenbauen und zweimal zur Seite geschubbst von (wohlmeinenden) kleinen Frauen, die, in große Tücher gewickelt, die Fußböden naß machten. Die Mitteilung "HCC" bekam ich, sehr beiläufig, von einem völlig gestressten Arzt zwischen zwei Telefonaten, in denen es um Terminverschiebungen ging. Die für mich lebenswichtige Information "noch operabel" bekam ich telefonisch mitgeteilt.

Alles das waren grausame Wahrheiten und mich macht fassungslos, wie sie dort damit umgehen. Ich kenne und verstehe die Hintergründe, die Personalüberlastung, den Stress, aber eines habe ich gestern dem (dafür überhaupt nicht verantwortlichen) Chirurgen mitgeteilt, als er mich anrief, um die nächsten Schritte mit mir zu vereinbaren: Diese MNR-Klinik braucht dringend einen Projektmanager mit viel Entscheidungsbefugnis, der die Abläufe dort koordiniert und auch einmal auf den Tisch haut, daß die Fetzen fliegen. Ich will mich nicht selbst loben, aber ich bin es gewohnt, Probleme zu lösen, mich durchzusetzen. Und ich bin nicht unintelligent und kann die Informationen bestehen. Was aber, wenn jemand krank wird, der all' das nicht ist? Der vielleicht auch noch die Sprache nicht gut beherrscht?

Aber zurück zu meinem Fall: Der Chirurg rief mich gestern Abend so um 20 Uhr herum an. Ruhig, sachlich, freundlich. Er hatte gerade 7 Stunden operiert. Hat sich brav entschuldigt für die späte Kontaktaufnahme (schongut, kein Problem) und kam dann gleich zur Sache. Ich bin so faul, deshalb bitte ich Euch, die Details in der Kommentarspalte hier nachzulesen:
http://www.preussen-blog.de/mnr-klin...-1#comment-359

Vor allem aber muß ich jetzt ja auch noch Alexandra antworten.

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Liebe Alexandra,
danke für die Blumen. Nein, meine Bescheidenheit reicht nicht aus, um Deine Komplimente nun höflich zurückzuweisen. Harr, harr... Ich bin ein Mann (simpel konstruiert), ich bin Rheinländer:
http://www.preussen-blog.de/der-rheinlander/183
und mein Sternzeichen ist der Löwe (sag' mir zweimal am Tag, wie toll ich bin und Du kannst von mir verlangen, was Du willst als Frau. Tatsache.) Ich sag ja: simpel konstruiert.
Wo ich bin? Steht im Impressum meiner Netzseite: In Ratingen. Das liegt zwischen Düsseldorf und Essen. Ratingen ist für mich nur ein Wohnstädtchen, ich bin ursprünglich natürlich Düsseldorfer. In den 80er/90er Jahren habe ich rund 10 Jahre für einen amerikanischen Konzern im Software-Bereich gearbeitet (an Großrechnern, von PC habe ich keine Ahnung) und bin sehr häufig montags irgendwohin geflogen und erst freitags wiedergekommen. Deshalb sind wir damals nach Ratingen gezogen, das direkt am Düsseldorfer Flughafen liegt (und nicht anders herum). Jetzt sind die Kinder groß, meine Frau verwirklicht sich selbst - u.a., indem sie sich von mir getrennt hat vor rund 18 Monaten.
http://www.preussen-blog.de/tot-mann-tot/89

Eigentlich hatte ich gerade mit dem Projekt "Umzug nach Düsseldorf" begonnen. Wollte mir dort im Süden der Stadt einen Standort für meinen Betrieb suchen http://www.Bleisetzer.de und dort dann das letzte Drittel meines Lebens verbringen. Meine drei Schwestern und meine Mutter leben dort. Dann kam der Liebe Gott, lieh sich von Thor (kennste den? Starker Typ) dessen Hammer und haute mir damit eins direkt vor die Stirn. Das war vor... ungefähr... ich weiß nicht mehr. Von wann datiert mein erster Eintrag hier? Damals jedenfalls war das. Seitdem ist mein Leben in Aufruhr (ich hasse das) und ich versuche, es neu zu regeln.

Jeder geht anders mit einer solchen Diagnose um. Ich habe viel gelernt - wie immer in meinem Leben auf die harte Tour. Zum Beispiel habe ich gelernt, daß eine solche Diagnose für Euch Angehörige mindestens so hart ist wie die Betroffenen. Ich meine zu wissen, daß man mir, wenn es zu Ende geht, die Schmerzen wird nehmen können. Ich werde dann irgendwo in einem Bett liegen und vor mich hindämmern. Ich werde dann irgendwann "hinüberschlafen". "Leberkrebs ist gnädig", schrieb mir jemand aus diesem Forum per Email. Daran halte ich mich fest. Bin ich tot, habe ich es hinter mir. Aber so, wie ich selbst seit 16 Jahren jeden Tag an meinen Vater denke, der damals starb und ihn vermisse, geht es wohl jedem Angehörigen. Ihr lebt weiter, Ihr leidet weiter.

Um es nun nicht zu ernst werden zu lassen - es ist 7:50 Uhr morgens, Mensch... noch einmal kurz zu Deinem lieben Kommentar:

Ja, ich bin alles das, was Du mir an Attributen zuschreibst. Und darüber hinaus bin ich auch noch ein kleiner, verängstigter Junge, der manchmal schluchzend (innerlich) schreit und in den Arm genommen werden will. Da ist nur halt niemand in meinem Real Life, die das macht. (ich bin fürchterlich hetero, deshalb "DIE das macht".). Und ich kann ja nicht wildfremde Frauen auf der Straße damit belästigen, oder? Also muß ich das Problem auf eine symbolische Ebene herunterwracken, also auf das Virtual Life. Auf das Forum hier, auf meinen Blog. Ihr erfüllt hier tatsächlich für mich die Rolle der In-den-Arm-nehmenden. Dafür bin ich Euch aus tiefstem Herzen dankbar. Man nennt das Nächstenliebe. Und es ist das, was die Pfaffen in der Kirche jeden Sonntag predigen, aber was weder sie selbst, noch ihre Gemeindemitglieder regelmäßig leben. Aber ich mache daraus niemandem einen Vorwurf.

Ich grabsche im RL und im VL nach jeder Zuwendung und jedem freundlichen Wort, das ich bekommen kann. Ich werbe darum, mache auf Mitleid, öffne mich und zeige, wie mein Innenleben aussieht. Und weil ich zwar ein simpel konstruierter Mann bin, aber auch ein sehr kompliziertes Kerlchen, verklauseliere ich mein Bitten um Zuwendung, bis selbst ich es kaum noch erkennen kann.

Du siehst: Ich mache das aus purem Eigennutz.

Wer wissen will, wie ich ticke, kann alles das in den (zumeist fiktiven) Erzählungen finden, die ich in meinem Blog veröffentlicht habe. Schon lange vor dieser Sch... Diagnose. Letztendlich bemühe ich mich, so zu sterben - und ich werde sterben an diesem Ding - wie ich immer leben wollte: Wie ein Mann. Saublöd, ne? Aber ich bin halt "old fashioned". Mal sehen, ob es mir gelingt.

Beste Grüße an alle.

Georg