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Alt 31.05.2006, 10:29
Michael_D Michael_D ist offline
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Standard AW: Hirnmetastasen palliativ bestrahlen

Liebe Sister,

ich fühle mich ganz sicher nicht angegriffen. Mich störte ganz einfach Dein Tonfall. Im übrigen verwende ich viel Zeit auf meine Antworte und versuche, relevante und zuverlässige Informationen zu finden. Ein Streit über den Sinn einer prophylaktischen Schädelbestrahlung ist wohl akademisch, führt zu wenig und bringt auch den Lesern des Forums nicht allzu viel. Außerdem geht es mir nicht ums Rechthaben. Wer's mag, kann sich mit dieser Detailfrage unter

http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ (Interdisziplinäre Leitlininien der Deutschen Krebsgesellschaft),

http://utm-ext01a.mdacc.tmc.edu/mda/...1?OpenDocument (Leitlininien MDAnderson Cancer Center, Guidelines SCLC) oder

http://www.krebsinfo.de/ki/empfehlung/bc/homepage.html (Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge - Tumoren der Lunge und des Mediastinums, hier insbesondere S. 146ff.)

selbst ein Bild machen. Persönlich möchte ich nicht den Eindruck erwecken, daß ich wirklich etwas von dieser äußerst komplexen Thematik begriffen habe, geschweige denn, daß ich "Arzt" sei. Das einzige, was ich kann, ist die Weitergabe von Informationen, die ich nach über zwei Jahren intensiver Beschäftigung gesammelt habe.

Ich halte es für sehr wichtig, den Betroffenen und Angehörigen in der großen Krisensituation, die eine (Lungen-)Krebserkrankung darstellt, alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen - so es denn gewünscht wird. Und wer sich hier im Forum tummelt, der will zumeist klare Angaben (neben der anderen großen Aufgabe des Forums, des "elektronischen Händchenhaltens", des simplen Füreinander-da-Seins, was hier in einigen Threads ganz wunderbar funktioniert und nach meinem Dafürhalten eine nicht minder wichtige Funktion dieser Seite ist).

Unabhängig von unserem "Bestrahlungs-Problem" von oben, stellte über lange Zeit insbesondere die nicht-standardisierte Behandlung von Tumorleiden ein großes Problem der Krebsbekämpfung in Deutschland dar. Für den Krebspatienten war es vor allem entscheidend, an was für einen Arzt er denn geriet: ein Radiologe bestrahlte erst mal, ein Chirurg wetzte das Messer und der Onkologe rührte die Giftkur an. Natürlich übertreibe ich, doch erst in den letzten Jahren, vielleicht seit gut einem Jahrzehnt, etablieren sich interdisziplinär arbeitende Zentren - in welchen Onkologe, Radiologe, Chirurg, Internist usw. an einem Strang ziehen (sollten). In anderen Ländern wurde viel eher mit der Einrichtung interdisziplinärer Zentren begonnen, mit dem Resultat, daß die 5-Jahres-Überlebensraten in vielen entwickelten Ländern um 5 bis 10 Prozentpunkte über derjenigen in Deutschland liegen (leider fehlt mir da jetzt die genaue Quellenangabe, ich glaube, es stand im Wissenschaftsteil der Süddeutschen Zeitung). Die Entwicklung standardisierter Vorgehensweisen ist gerade bei der Krebsbehandlung ausgesprochen wichtig. Nur so kann der Fortschritt in die Behandlung kommen.

Vielleicht noch ein Beispiel dazu. Lange Zeit war man unschlüssig, ob man Lungenkrebspatienten nach erfolgreicher R0-Resektion einer Chemotherapie unterziehen sollte oder nicht. Zum einen ist nicht-kleinzelliger Lungenkrebs nicht allzu chemosensitiv, zum anderen sind die Nebenwirkungen bekanntermaßen nicht unerheblich. Wieso also Chemo, wenn's eh nix bringt?

Die große IALT-Studie mit 1867 Patienten zeigte nun, daß die Patienten sehr wohl von einer Chemo profitieren, wenn sie nach erfolgreicher Operation eine Chemo kriegen, das Survival steigt von 40.4% auf 44.5% (http://www.oncolink.com/conferences/...&ss=137&id=865). Hört sich nicht dramatisch an, bedeutet aber bei Millionen Kranken, daß Tausende gerettet werden können. Profitieren werden die Patienten jedoch nur dann, wenn diese Erkenntnisse auch konsequent in die Praxis übernommen werden! Jedem Kranken sollte zumindest die Standardtherapie angeboten werden, um dann, bei gegebenem Anlaß, im Einzelfall davon abzuweichen. Es bringt jedoch überhaupt nichts, wenn in Kliniken die Auffassung gefahren wird: "Also, wir haben das immer so gemacht, wir machen das auch weiter so. Und der Dr. Sowieso, der hat gesagt, das stimmt alles gar nicht."

Das alles hat natürlich längst nichts mehr mit dem eigentlichen Thema dieses Threads zu tun, wofür ich mich entschuldige. Vielleicht interessiert's den ein oder anderen trotzdem.

Michael

Geändert von Michael_D (31.05.2006 um 10:35 Uhr)
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