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Alt 30.07.2013, 15:29
RetoS RetoS ist offline
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Standard AW: Ohrspeicheldrüsenkrebs

Nachdem ich in den Tagen und Wochen vor meiner Operation stark von Euren Erfahrungen profitieren durfte, möchte ich hier meine eigene Geschichte erzählen, in der Hoffnung, dass auch sie dem einen oder anderen, der sich mit seinen Sorgen während der Abklärungsphase, aber auch während der Vorbereitung auf die Operation allein fühlt, Mut macht.

Meine Geschichte mit dem Ohrspeicheldrüsentumor begann vor etwa sieben Monaten, d.h. im Dezember 2012, als ich (32, männlich) eine Geschwulst vor dem linken Ohr entdeckte und diese meinem Hausarzt zeigte, als ich wegen eines grippalen Infekts, für den ich ein ärztliches Zeugnis benötigte, sowieso bei ihm war. Seine Antwort: Das sei ein etwas vergrösserter Lymphknoten - offenbar sei ich jetzt (fast wörtlich!) "in einem Alter, in dem ich entdecke, dass der menschliche Körper nicht symmetrisch ist". Ich solle den Knoten beobachten, aber es handle sich um nichts Schlimmes, sicher nicht um ein Problem der Ohrspeicheldrüse (von der ich bis dahin nichts gehört hatte, übrigens).

Als die Geschwulst auch gut vier Monate später, im April 2013, noch spürbar war, ging ich, etwas beunruhigt, zu einem anderen Allgemeinarzt, den ich privat kenne und der durch eine Ultraschall-Untersuchung zum Schluss kam, dass es sich nicht um einen vergrösserten Lymphknoten handeln könne - und mich sofort an einen niedergelassenen HNO-Spezialisten überwies.

Der HNO-Spezialist, zu dem ich per Zufall noch am selben Tag fahren konnte, nahm sogleich eine Feinnadelpunktion vor und meinte eine Woche später, als das Resultat vorlag: sicher gutartig, mehr könne er aber nicht sagen. Also überwies er mich ans Universitätsspital Zürich (ich bin Schweizer)

Am Universitätsspital Zürich wurde zunächst wiederum eine Feinnadelpunktion vorgenommen: wiederum ohne definitives Ergebnis. Und noch einmal eine Feinnadelpunktion: noch einmal ohne eindeutigen Befund. Anschliessend eine Stanzbiopsie: kein definitives Ergebnis. Insgesamt unterzog ich mich bis dahin, im April und Mai, also vier Punktionen/Biopsien - jedes Mal verbunden mit einer Woche nervösen Wartens auf das Resultat, jedes Mal ohne klaren Befund. Das kann enorm verunsichern, und das tat es auch.

So wurde ich dann Anfang Juli am Universitätsspital Zürich operiert - denn der Tumor musste so oder so raus, eben weil die Ohrspeicheldrüse in der Nähe der grossen Gesichtsnerven liegt und also auch ein gutartiger Tumor einiges hätte zerstören können. Doch auch die Operation ist mit gewissen Risiken verbunden, vor denen ich mich sehr fürchtete. Glücklicherweise verlief die Operation sehr gut, mein Operateur machte einen hervorragenden Job: Der Tumor war vollständig entfernt, die grossen Gesichtsnerven nicht beschädigt (die untere Hälfte der Ohrmuschel ist seit der Operation gefühllos, was aber nicht schlimm ist und woran man sich gewöhnen kann), und die Narbe (ab Höhe Mitte der Ohrmuschel bis ca. Mitte des Halses) verheilt auch ganz gut. Zwei Tage nach der Operation war ich schon wieder zu Hause, nach vier oder fünf Tagen konnte ich das Schmerzmittel absetzen.

Nur: Auch nach der Operation war unklar, worum es sich handelt: "wahrscheinlich bösartig" - aber was konkret? Also noch einmal zwei Wochen lang warten, weil es immer wieder hiess: Bald haben wir das Ergebnis, und die jeweils gewählte Art der Analyse dann doch nicht für einen zuverlässigen Befund ausreichte.

Genau zwei Wochen nach der Operation erhielt ich schliesslich Bescheid: Es soll sich um ein Mammary analog secretory carcinoma (MASC) of salivary glands handeln, d.h. zu Deutsch: um einen bösartigen Speicheldrüsentumor, der in gewissen Punkten, über die ich noch nichts Genaues weiss, einem Brustkrebs ähnelt Zum ersten Mal medizinisch beschrieben wurde dieser Tumor erst 2010 (er wäre früher offenbar am ehesten als atypisches Azinuszellkarzinom identifiziert worden), am Universitätsspital Zürich hatten sie noch keinen derartigen Fall - deshalb dauerte auch die Analyse so lange.

Die Operation ist jetzt vier Wochen her, und ich bin, soweit sich dies beurteilen lässt, gesund: Der Tumor ist, wie gesagt, vollständig entfernt, er gehört zu den hochdifferenzierten und langsam wachsenden, und es wurden keine Metastasen gefunden. Eine weitere Behandlung scheint nicht nötig, allerdings werde ich jetzt zehn Jahre lang regelmässig zur Kontrolle gehen müssen: im 1. Jahr alle 2 Monate, im 2. Jahr alle 3 Monate, im 3.-5. Jahr halbjährlich und im 6.-10. Jahr noch jährlich. Dann werde ich sehen, ob sich "das" wirklich erledigt hat. Aber ganz ehrlich: Auch wenn ich vor jeder Kontrolle angespannt sein werde, bin ich natürlich dankbar, dass ich dazu aufgeboten werde und dadurch die Chance bekomme, dass ein Rezidiv schon sehr früh entdeckt werden kann.

Den Betroffenen möchte ich zweierlei auf den Weg mitgeben: Untersuchungen von Ohrspeicheldrüsentumoren sind recht kompliziert und können oft dauern (das zeigen auch zahlreiche der anderen Erfahrungsberichte in diesem Forum) - und: holt Euch eine Zweitmeinung ein, wenn Ihr den Eindruck habt, ein Arzt nehme Euch nicht ernst. Selbst zurückhaltend mit Arztbesuchen, gilt für mich doch ganz klar: Nachforschen und nachhaken, wenn man unsicher ist. Es lohnt sich!

Wer Fragen an mich hat, darf diese gerne in diesem Forum und per E-Mail stellen.

Geändert von RetoS (30.07.2013 um 15:48 Uhr)
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