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Alt 14.08.2016, 01:08
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Geli-Emilie Geli-Emilie ist offline
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Standard AW: Adeno-Karzinom - Dickdarm

@fluturi: "ich kann leider nichts sachliches beitragen" - Nein, liebe fluturi, im Gegenteil: von Dir lese ich erstmals, was mir "blühen" kann, wenn ich nichts machen lasse. Das ist mir sehr wichtig zu wissen - Dafür herzlichen Dank! Leider musst Du den Verlauf der Krankheit bei Deinem Vater miterleben, das ist mit Sicherheit sehr hart, hilflos dabeizustehen. Als Angehörige hätte ich es mit Sicherheit ebenfalls sehr schwer. Als Betroffene kann ich wenigstens noch entscheiden.

"Manchmal versteh ich den Sinn dieses Lebens nicht.." - Das wird wohl jedem so ergehen, der sich diese Frage stellt. Deshalb frage ich auch in Bezug auf Erkrankungen nicht nach dem Sinn des Lebens. Dieser liegt für mich ganz einfach im Leben selbst. Vielleicht hat mir dieses Denken auch immer wieder die Kraft gegeben, weiterzumachen. Und wenn ich dann von so vielen Freunden höre: "Mensch, Geli, was hast Du schon alles mitgemacht...", dann antworte ich immer: "Na ja, man kann es auch anders sehen, nämlich, dass ich viel Glück hatte. Schließlich bin ich eine von 100.000, die statistisch gesehen eine fast unüberlebbare Diagnose (HLK-Metastasen bei CUP) überlebt haben.". Der Tod meiner Schwester war für mich jedenfalls schlimmer als alles andere, darüber bin ich nur ganz schwer hinweggekommen, sie war ja 4 Jahre jünger als ich.

@ Frank, fluturi und andere Mitpatienten: Ich hadere ja auch gar nicht mit meinem Schicksal (ich denke, dass dies an dieser Stelle auch nicht so verstanden wird), das hilft ja auch niemandem - wenn ich hier meine bisherigen Krankheiten anspreche, dann eher aus dem Grund, weil mich jede einzelne viel Kraft gekostet hat, die ich jetzt für die Therapie brauchen könnte und weil ich mich schlicht und einfach nicht mehr als stark genug ansehe, um weitere Schmerzen auszuhalten. Aber ich danke Euch beiden beiden – fluturi und Frank - sehr für Euer Mitgefühl und Verständnis. Das ist schließlich etwas anderes als Mitleid, denn das ertrage ich ganz und gar nicht.

Zum Thema Früherkennung und „gute Ärzte“ habe ich erst in der vorletzten Woche in der Licher Klinik einen Arzt getroffen, der die Darmspiegelung forciert hat, so dass sie noch vor meinem DK-Urlaub stattfinden konnte. Als ich wegen meines glimpflich verlaufenen Schlaganfall und Diagnose von Carotisstenosen im Klinikum Marburg war, habe ich andere Dinge im Kopf gehabt als auf meinen Stuhlgang zu achten. Bis ich plötzlich garnichts mehr essen konnte und ich plötzlich das Gefühl hatte, meine Peristaltik hätte total versagt. Da fiel mir auf, dass ich 10 Tage lang (!!!) keinen Stuhlgang gehabt hatte. Vorher waren 5 Tage normal (seit ich das Schmerzpflaster benutze, also seit über 10 Jahren). Jedefalls war scheinbar mein Darm bis zum Platzen voll. Aber weder ein kleiner noch ein großer Einlauf zeigte Wirkung. Erst nach einem zusätzlichen Zäpfchen kam der Stuhldrang in Schwung. Allerdings hatte ich mittlerweile nur noch Kotsteine im Darm. Und dann dachte ich, dass diese nur noch operativ wieder entfernt werden können. Nach über einer Stunde auf der Toilette war ich völlig durchschwitzt und kraftlos, aber nach und nach habe ich durch Selbsthilfe die Kotsteine rausbekommen. Das hat JEDER Arzt auf der Station gewusst. Man gab mir auch das Testheft für 3 Stuhlproben. Die waren frei von okkultem Blut. Mir war jedoch klar, dass die Ursache ernst war. Hinzu kam auch, dass ich meinen enormen Eisenmangel dem Darmkrebs zuschob. Nur geglaubt hat mir kein Arzt. Jedenfalls wollte keiner ein Konziliar für die Proktologie ausstellen. Ich sollte nach meiner Entlassung einen Termin ausmachen.

Im Enddarmzentrum Mittelhessen, wo ich mich wegen akuter Beschwerden anmeldete, hieß es: kein Blut im Stuhl, also keine Gefahr. Ich solle mich nicht aufregen. Im November könnte ich kommen. Früher leider nicht. Alles ist gut.

Das hat mein Arzt in der Schmerzklinik in Lich, wo ich eigentlich nur war, um meine Medikamente optimal einstellen zu lassen, ganz anders gesehen, und ich bekam vor Dänemark noch meinen Termin zur Darmspiegelung. Das Problem in DK ist nämlich, dass jeder Patient, der ein CT braucht, auf die Warteliste kommt, wo er dann schon mal 6 Monate auf seine Untersuchung warten muss- bekannte Tatsache: Da stirbt zwar hin und wieder einer auf der Warteliste, aber gerecht ist gerecht, und vordrängeln gilt nicht. Ausnahmen nicht mal bei VIPs. Genau das war meine Befürchtung: ein kompletter Darmverschluss im Urlaubsland und dort die Ursache finden zu müssen. Das muss man dem deutschen System immer noch hoch anrechnen, dass hier im Zweifelsfall schneller reagiert wird als in anderen Ländern, so sehr auch immer wieder auf unser System geschimpft wird. Das vergessen hier leider viele Patienten hier bei uns.

Ja, und da bekomme ich, was ich wollte, und plötzlich heißt es „sofort handeln“, nix Dänemark. Normalerweise dürfte ich noch gar keine Ahnung haben, dass ich überhaupt Darmkrebs habe. Bis zur regulär geplanten Darmspiegelung im November hätte viel passieren können...

Ich bin aber trotzdem gefahren und bin froh darüber. Im schlimmsten Fall kann ich die CD mit den Aufnahmen vorweisen, dann können auch die dänischen Ärzte handeln. Oder ich nehme dank Zusatzversicherung die Rücktransportmöglichkeit in Anspruch. Zum Schluss sagte sogar der Proktologe, der mich gleich dort behalten wollte, auch er sähe jetzt nicht unbedingt die Gefahr eines akut drohenden Darmverschlusses. So lange ich regelmäßigen Stuhlgang, spätestens alle zwei Tage habe, könnte die Reise durchgeführt werden. Ich sollte jedoch nicht länger als 3 Wochen Bedenkzeit nehmen. Hier habe ich endlich die Ruhe, mir ohne Druck Informationen zu verschaffen.

Ja, und Eure Beiträge haben viel bei mir bewirkt und mich zum Nachdenken gebracht. Frank, hast ja völlig Recht: wenn es zum totalen Verschluss kommt und ich als Notfall eingeliefert werde, müssen die Ärzte eh' handeln. Dann doch lieber eine planmäßige OP planen. Und Fragen im Voraus klären. So weiß ich auch jetzt, dass ich auf alle Fälle eine PDA legen lasse.

Über FOLFOX-Behandlung kann ich später immer noch reden. Meine erste Chemo 2004/2005 mit 5x 5-FU und Cisplatin habe ich während der laufenden Therapie ganz ohne Übelkeit ertragen, bin sogar noch bis fast zum Schluss täglich bei den Orthopäden im Trainingsraum gewesen, wo ich Rad gefahren bin. Leider hat mich aber die zusätzliche Bestrahlung mit 72 Gy nach der 30. Bestrahlung von insgesamt 40 dann derart geschwächt, dass ich nur noch zum Zugucken im Trainingsraum war. Hauptsache raus aus meiner Abteilung und unter die jungen Leute gehen, die wegen Sportverletzungen dort waren. Das fand ich auch wichtig. Sonst hört man ja als Patient nichts anderes als nur die Mitpatienten, und das finde ich nicht immer sonderlich erbaulich, weswegen ich mich dann oft zurückziehe. Leider gehörten zu den späteren Nebenwirkungen Polyneuropathien. Ich habe noch heute und wohl für den Rest meines Lebens derartige Kribbelparästhesien an den Händen, dass ich kaum Knöpfe zuknöpfen oder Schuhe binden kann.

Oh, heute habe ich ja sehr viel geschrieben... ob das überhaupt noch jemand liest und nicht beim Lesen eingeschlafen ist....? Das passt eigentlich überhaupt nicht zu meinem üblichen Urlaub, wo ich normalerweise nicht einmal Zeit und/oder Lust habe zum Postkartenschreiben. Aber heute war Regenwetter, da passte es ganz gut, sich ein paar Gedanken mehr zu machen. Ab morgen steigen die Temperaturen wieder, dann lässt das Strandwetter nicht lange auf sich warten. Also, wenn es einmal länger dauern sollte mit einer Antwort von mir: ich sitze dann entweder im Sattel oder liege am Strand – ohne „online“.

Eins noch: seit ich weiß, dass ich Darmkrebs habe, geht mein Stuhlgang „wie geschmiert“. Täglich. Anfangs noch mit Movicol oder Laxoberal, jetzt von ganz alleine. Und normalen Hunger ohne Übelkeit habe ich auch wieder, obwohl ich nur kleine Portionen essen kann (seit der Neck-diss.). Als wolle mir mein Darm sagen: hej, ich bin jetzt wieder ganz brav und erledige alles, wofür ich da bin... so normal wie jetzt habe ich das seit Jahren nicht erlebt. Wie kann das sein? Wenn das ja bliebe – zu schön, um wahr zu sein. Und dann bräuchte nur beim Reiten das Karzinom abzufallen und hinausbefordert werden, und alles wäre wieder im grünen Bereich...

Ein schönes Wochenende Euch allen! Trotz allem.



Geändert von gitti2002 (06.09.2016 um 16:35 Uhr) Grund: Titelanpassung nach Verschiebung
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