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Alt 28.02.2006, 18:22
krabat krabat ist offline
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Standard AW: "Langzeitüberlebende"

Auf vielfachen Wunsch schreibe ich dann doch mal was auf zu meiner Geschichte:
Diagnose vor 26 Jahren 3 Monaten und 28 Tagen, ich war gerade 17 Jahre alt geworden. (Schnellschnitt und Hodenentfernung) embryonales Carcinom (Teratom) mit unausgereiften und ausgereiften Anteilen.
Marker leicht erhöht, fragt mich nicht nach den exakten Werten. In der Lymphographie und CT keine Auffälligkeiten. Zur Lymphografie, da werden Lympfknoten im Fuß operativ frei gelegt, Kontrastmittel injeziert und dann Röntgenaufnahmen gemacht. Gibt es das noch?
1 Monat später LRA, einige kleine Herde entfernt.
1. Chemo Skinner Schema: Velbe, Bleo, Methotrexat, Endoxan wenn ich es richtig behalten habe. Dauer ca. 2 Wochen.
2. Chemo (Velbe, Bleo) abgebrochen wegen Lungenmetastase
Die Metastase war gut unter einer Rippe versteckt und nicht so einfach zu finden, aber wenn man es weiss, hat man sie halt doch erkennen können. Aber hinterher ist man immer schlauer.
3. und 4. Chemo Platinex, Velbe, Bleo
Inzwischen im CT noch 4 oder 5 weitere verdächtige Herde entdeckt, allerdings sehr klein.
Entfernung der großen Metastase
Befund, ausgereiftes Teratom.
5. Chemo Platinex, Velbe, Bleo
Die verdächtigen Herde in der Lunge waren danach nicht mehr darstellbar
Anschließend 10 Chemos Lyovac Cosmegen (Actinomycin D) - 4x pro Woche ambulant, Blut checken, Spritze abholen heim gehen. 1. Jahr alle 2 Monate, 2. Jahr alle 3 Monate. Also Alles in Allem 15 Chemos.
In diesen 2 Jahren bestand einmal der Verdacht auf ein Rezidiv (Lunge), was sich jedoch nicht bestätigt hat.
Wirklich gelitten habe ich bei den Chemos, es ging mir eigentlich immer sau schlecht und habe wohl das meiste an Nebenwirkungen mitgenommen, was man gemeinhin so bekommen kann. Mit den Medikamenten zur Unterdrückung der Nebenwirkungen wurde damals mehr rumexperimentiert als gezielt eingesetzt, das verbuche ich eher unter Drogenerfahrungen, die mich einmal fast das Leben gekostet hätten. Und was Entzugserscheinungen sind habe ich bei der Gelegenheit dann auch gleich gelernt. Eine beindruckende Erfahrung waren auch die Gliederschmerzen vom Velbe, die sich auch mit löffelweise Novalgintropfen kaum lindern ließen. Auch die hier hin und wieder dikutierten kalten, tauben Finger hatte ich und für alle Interessierten und Betroffenen, das braucht Geduld, denn komplett weg ist es immer noch nicht. Da damals auch kein Port oder ähnliches für die Chemos gelegt wurde, sondern alles durch die Venen ging, habe ich jetzt keine mehr, was normales Blut abnehmen recht umständlich macht und erfahrene Ärzte erfordert. Ach ja, die Haare waren trotz dieser Chemo-Exzesse nur einmal weg .
Das sind so die Hard Facts. Durch mein damals relativ junges Alter bin ich die ganze Sache recht naiv angegangen, hatte nie Todesangst, obwohl es Zeiten gab, in denen es wirklich nicht danach aussah, dass es ein gutes Ende nehmen würde.
Und heute?
Ich bin inzwischen 43 Jahre alt, lasse mich eher sporadisch checken, denn als die kritischen 5 Jahre rum waren wollte ich erstmal nix mehr von alledem wissen. Ich habe einen Beruf gelernt, mußte die Lehre allerdings um ein Jahr verlängern. Habe gearbeitet, bin wieder zur Schule, habe studiert und stehe seit gut 16 Jahren fest im Berufsleben, mit Höhen und Tiefen. Mein Chef kennt meine Geschicht übrigens genau so wenig wie meine Kollegen und Mitarbeiter. Ich habe zwischenzeitlich sehr viel Sport gemacht, Marathon, Ironman (ohne EPO) und bin etwas zur Ruhe gekommen, man wird ja älter. Verheiratet bin ich mit einer ganz tollen Frau, die ich vor knapp 4 Jahren kennengelernt habe. Kinder habe ich keine, das war gleich nach der RLA klar und ich hatte lange Zeit mich da rein zu finden. Die Möglichkeit mit Sperma einfrieren etc. gab es damals praktisch nicht. Auf medizinische Klimmzüge habe ich mit zunehmendem Alter immer weniger Lust.
Hier beim Schreiben merke ich, dass ich das alles recht unemotional abhandle, ohne z. B. ein Wort darüber zu verlieren, wer oder was mir geholfen hat (Meine Eltern, Geschwister und Freunde, jeder auf seine Art).
Daher denke ich, ich belasse es mal dabei. Wenn jemand Fragen hat, ich beantworte sie gerne.

Euch Allen viel Glück
Krabat
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