Thema: Josie & Josie
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Alt 23.01.2009, 18:30
vulcano vulcano ist offline
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Standard AW: Josie & Josie

Liebe Verena, habe keine Angst, dass du gewisse Dinge "verlernst" oder "ablegst", weil dein Josie nicht mehr da ist. Siehe dir das Photo an, es gibt soviel Kraft und strahlt nur Liebe aus. Hab schon soviel beschissene Situationen die letzten Jahre durchgemacht, aber ich hab oft "dramatische Hilfsapelle" an meinen Vater gerichtet und irgendwie war er immer für mich da, obwohl er schon so lange Zeit nicht mehr auf der Erde ist, aber ist für mich da. Sehe mir eben 2 Photos an, eines aufgenommen am 10.3.1993, wo er stolz seinen 60iger feierte, mit Geschenkkorb auf seiner Seite, das andere vom 12.10.1996, wo er mit nachdenklichem Blick dasitzt, Tage zuvor hatten wir erfahren, wie schlimm es um ihm steht, er wurde aus dem Krankenhaus entlassen, wo ihm noch ein dreiwöchige Lebenserwartung für uns Angehörigen zwischen Tür und Angel mitgeteilt wurde. Dachte in diesem Moment nur, ich springe vom LKH-Univ.Klinkum Chirurgieturm vom 8. Stock, ein nach aussenhin kerngesunder Mensch, ist zum Tode verurteilt. Hab seinerzeit noch auf der Klinik gearbeitet, aber ich musste dort weg, hätte ich nicht mehr länger ertragen. Mich haben soviele Schicksale von jungen Krebspatienen begleitet, sie sind alle in meinen Kopf präsent, ich hatte mit jeden Mitleid, es spielten sich Szenen ab, die man hier nicht niederschreiben kann. Ja, das war mein Beruf, dass mich jemals so Schicksal in voller geballter Ladung bevorsteht hätte ich mir in den schlimmsten Träumen nicht gedacht, aber er ging alles Schlag auf Schlag, ich war in einem tranceartigen Zustand...mein Glück war, dass ich seinerzeit am 11.11.1996 eine andere Arbeitsstelle annehmen konnte, hätte das persönliche Leid nicht mehr ertragen. Es war, ich arbeitete auf der Thoraxchirurgie im Büro des Klinikums, im Krankenzimmer gegenüber lag mein Vater, mit Prognose...das Verhalten der Ärzte auf der Neurochirurgie, kann ich bis heute nicht vergessen, soviel Kälte und Gefühlslosigkeit. Er wusste über sein Ausmass der Krankheit nicht bescheid, er hätte es nicht verkraftet.
Er wollte anfang Oktober 96 auch nichts in Krankenhaus, weil ihm seiner Meinung nach nichts fehlte und beim Aufnahmegespräch sagte Herr Professor.."Sie sehen aus wie da blühende Leben, was machen sie überhaupt hier". Die schlimmste Situtation war für mich im Lift des Klinikms, er wurde zum Sterben heimgeschickt, lag damals aufgrund der seiner Hirnmeta auf der Neurochirurgie..im Lift auf dem Weg zum Zimmerkollegin in der Thoraxchirurgie sagte es mir, so jetzt kann ich sagen, dass ich heim kann, mir fehlt ja nichts, aber ich hab es von anfang gewusst. Dachte dort nur, es sprengt mir mein Herz, seit diesem Zeitpunkt mag ich mit diesem Lift nicht mehr fahren.
Einfühlende Ärzte sind sehr schwer zufinden, es ist einfach ihr Tagesgeschäft.
Leider gab es seinerzeit kein Forum, wo man sich austauschen konnte, war von den Götter in Weiss abhängig, auch keine Palliativstation, die wurden erst i.R. eines Pilotprojektes in der Steiermark 1998 gestartet. Es blieb nur der medizische Pschyrembel, wo ich nachlassen konnte...das reagieren des Umfeldes..."man muss ja froh sein, dass es vorbei ist", haben mir noch den Rest gegegeben. Aber ich habe die letzten Wochen mit meinem Vati intensiv genossen, wobei ich wusste, jede Aktivität wird die letzte sein. Schlimm war Weihnachten 1996, am 24.12. das letzte aufbäumen, ein Elend im Rollstuhl, er hat noch Hoffung für das nächste Jahr gefasst, eine Frage war, wer den Garten pflegen und den Rasen pflegen soll, ja das war sein Heiligtum. Die Tage danach war er nur teilweise ansprechbar um am 30.12. hat ihn der Herrgott zu sich geholt, ich hab ihm die letzte Träne während seines Sterbens weggewischt....kurz davor war es, als ob sich sein ganzes Leben in einem Film abstimmt, sein Augen war in Aufruhr und um 20.08 konnte er einschlafen. Und es ist mir seinerzeit gleich ergangen, mit den Situationen fertig zu werden. Wir hatten nicht mal einFamiliengrab, meine Mutter hatte über die Pfarre ein schönes Grab organisiert, nur im Dezember war dies ein Lehmhügel..sie hatte mich gebeten mitzukommen, um mir ein Bild zu machen, so stand ich vor diesem Hügel, Vati zuhause sterbernd...und dachte nur, in diesem kalten Loch soll er versenkt werden. Hab das Begräbnis irgendwie verkraftet, nur hatte ich keine Kraft diesen Ort zu besuchen, obwohl es mit einem wunscherschönen Grabstein ausgestattet wurde. Ich sitzte noch immer hier und denke, warum habe ich es verdient, dass mein Vati mir mit 23 genommen wurde. Gerade mir, ein Mensch der für alle da war, niemanden was getan hat...liebe Verena, es sind meine Schilderungen, die ich durchlebt habe. Leider gab es damals kein Forum, wo man sich austauschen konnte. Und wie Tatin sagt, den Leidensweg kann nur ein Mensch verstehen, der ihn selbst erlebt hat.
Aber dein Josie wird immer bei dir sein, so wie ich es bei meinem Vater spüre, da war oft eine Wärme in meiner Nähe vorhanden, die ich nicht erklären konnte.
Und wir haben hier uns, es ist einfach wertvoll.

Ich hab in meinen alten Trauerbüchlein ein Spruch aus Persien gefunden (Birgirt ich will dir keine Konkurrenz machen)

Es gibt kein Leid,
dem nicht Freude folgt,
kein Unglück, das nicht
irgendein ein Glück nach sich zöge

Habe Geduld!
Alle Ding sind schwer, bevor sie leicht werden


Verena, ich schicke dir alle meine Kraftpakets,die dich dir geben kann:pftro est:, fühle dich umarmt.

Es würde mich freuen, falls du dich in die Steiermark kommst, dich kennenlernen zu dürfen, nur wenn du es möchtest.

Schicke dir viel und viele, bin mit meinen Gedanken bei dir, du bist hier nicht alleine!

Petra

Geändert von vulcano (24.01.2009 um 00:53 Uhr) Grund: hab mich vertippselt
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