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Alt 29.05.2010, 15:12
yagosaga yagosaga ist offline
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Standard AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen

Hallo zusammen,

auch wenn es hier vielleicht nicht hingehört, so möchte ich doch ein paar Eindrücke von meinem Klosteraufenthalt hier festhalten. Über Pfingsten habe ich dieses Jahr drei Tage als Einkehrgast im evangelischen Gethsemanekloster Riechenberg bei Goslar "Kloster auf Zeit" genossen. Ich wollte dort zur Ruhe kommen abseits der alltäglichen Geschäftigkeit und suchte dort Raum für eine Gottesbesinnung.

Als Schweigekloster ist das Gethsemanekloster der ideale Raum dafür. Es liegt etwas abseits zwischen B6 und B82 auf dem Gelände des Klosterguts Riechenberg und wurde Anfang der 90er Jahre durch den Kloster- und Studienfonds sehr schön renoviert. Die Gebäude selber bestehen aus einem Arrangement von sanierten Häusern und erhaltenen Ruinen, dazwischen mächtige Kiefern und Wildblumenwiesen.

Im Kloster selbst gibt es drei Sakralräume (Krypta, in der sonntags der Gottesdienst gehalten wird, Oratorium für das Mittagsgebet und Kapelle für Morgen- und Abendgebet). Ein weiter Klostergarten umfasst von einer alten Klostermauer umgeben das Kloster. Viele Wege, Nischen und Bänke laden zum Spazierengehen ein und eine Mischung von Pflege und Wildwuchs lässt überall etwas entdecken, gerade jetzt im Mai. In den Gebäuden selbst finden sich überall Ikonen, Gemälde oder liebevoll gestaltete Arrangements aus trockenen Kräutern, Blumen und Steinen, an denen die Blicke haften bleiben.

Das ehemalige Tagelohnerhaus ist den Männern vorbehalten zur Klausur, Frauen sind im Einkehrhaus untergebracht. Für Gäste, die "Kloster auf Zeit" erfahren wollen, stehen Klosterzellen zur Verfügung mit Küchen und Bad, in den Klosterzellen sind neben einem Bett auch eine Andachtsecke mit einer Ikone sowie Kerzen und Blumen für das persönliche Gebet.

Drei Brüder leben fest im Kloster. Es ist nicht üblich, sich bei Begegnungen anzusprechen oder verbal zu grüßen. Man belässt den anderen "in der Ruhe". Nur zu den Andachtszeiten (7 Uhr, 12 Uhr und 18 Uhr) kommt man zusammen. Die Andachten sind in der Liturgie weitgehend den Ordnungen aus Münsterschwarzach übernommen. Dem Gottesdienst lag eine erweiterte Agende I zugrunde, ergänzt um eine Väterlesung, einem kurzen Text der alten Kirchenväter. Was aber völlig fehlt ist eine Predigt. Beim Mittagsgebet gibt es eine längere Schweigephase, in der über ein Psalmwort meditiert wird. Eine Präsenzbibliothek im Einkehrhaus hält klösterliche Schriften sowie Meditationsliteratur bereit.

Gekocht wird im Kloster vegetarisch. Es gibt Vollwertkost nach Dr. Max O.Bruker, die auf der Ernährungslehre des Schweizer Arztes Maximilian Bircher-Benner beruht. Für Frühstück und Abendbrot werden Frischkornmüsli, Obst, Käse, Brot, selbst hergestellter Joghurt und Kräuterquark im Raum vor der Küche bereit gestellt, das dort im Korb abgeholt wird. Das Mittagessen steht auch in einem Korb zum Abholen bereit. Gegessen wird dann in der eigenen Klosterzelle im Schweigebereich.

Mobiltelephone, Notebook, MP3-Player und iPod sind im Kloster verboten, damit man sich nicht ablenkt, sondern wirklich dem Schweigen Raum gibt. Die Erfahrung des Schweigens mag zunächst befremden, aber ich habe das sehr schnell als angenehm empfunden. Auch das nicht-Reden-müssen, wenn man einen anderen Menschen sieht, hat etwas Entspannendes. Für mich war es wichtig, all die aufkommenden Gedanken einfach ziehen zu lassen.

Sowohl die zahlreichen Ikonen, Sinnsprüche als auch der Klostergarten dienen der Vertiefung des Schweigens. Wo belastende Gedanken aufkamen löste ein Spaziergang diese "Gedankenstauung". Da finde ich z.B. im Klostergarten zwischen Mulch und Sträuchern einen Stein, auf dem steht geschrieben: "Im Ja zum Willen Gottes verliert das Leiden seine Macht." Eine Anspielung auf den Leitvers des Klosters, den Jesus im Garten Gethsemane betete: "Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber, aber nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe." (Matthäus 26,39)

Nachmittags verließ ich das Kloster, um ausgedehnte Spaziergänge in die Umgebung zu unternehmen. Es ging durch ein Waldstück hindurch in die Feldmark. Der Weg führte mitten durch ausgedehnte gelbe Rapsfelder. Richtung Süden in ein, zwei Kilometern Entfernung erhoben sich die Berge des Harzes. Richtung Norden blickte man in das sanft wellige Harzvorland. Zwischen den Feldern ging es eine zeitlang an einem Bach entlang. Ich genoss den Farbenreichtum und vor allem die Wärme und den blauen Himmel, die in diesem Mai bisher so selten waren.

Auf die drei Andachten tagsüber freute ich mich jedes mal, da war ich bei Gott und unter den Menschen. Mit zunehmenden Schweigen stellte sich eine neue Erfahrung ein, die des ganz in Gott umschlossenen und geborgenen, hin und wieder sich an unerwartenden "Nebensächlichkeiten" entzündend. Fragen, die ich mit ins Gethsemanekloster genommen hatte, beantworteten sich in dieser Gottesnähe scheinbar ganz von selbst und auf beruhigende Weise.

Bei den Brüdern im Kloster fiel mir eine ausgeprägte Achtsamkeit auf, die an Äußerlichkeiten sichtbar wurde. Ich nahm mir aus einem Glas eine Handvoll Haselnüsse mit für zwischendurch. Am nächsten Tag war dieses Glas bis zum Rand mit Haselnüssen aufgefüllt. Oder ich fand Gefallen an dem selbstgemachten Joghurt und am nächsten Tag stand die doppelte Menge Joghurt im Kühlschrank. Mit der Ernährung hatte ich es nicht einfach, da sich durch die Chemotherapie im Appetit kräftige Abneigungen und Vorlieben entwickelt hatten. Die leichte Vollwertkost dort war dann für mich genau das richtige gewesen.

Mir hat der Klosteraufenthalt bewusst gemacht, dass hier ein Angebot bereitgehalten wird, das etwas Besonderes darstellt. Die Erfahrung des Schweigens lässt im Kontrast zu vorher bewusst werden, wie laut und oft auch geschwätzig unser Alltag ist. Jesus verließ oft seine Jünger und die Menschenmassen, um sich ins Gebet und ins Schweigen zurück zu ziehen und dort heraus die Kraft zu schöpfen und die Gottesnähe zu empfangen, aus der heraus er den Menschen das Gottesreich sinnenhaft erfahrbar werden ließ.

Zum "Kloster auf Zeit" gehört auch der "Abschied vom Kloster". Dazu wird die Klosterzelle so hinterlassen wie sie vorgefunden wurde. Eine "meditative Putzanleitung" steht bereit, in der "der kleine Mönch" einen durch alle Schritte des Putzens, Scheuerns und Staubwischens führt, natürlich nicht ohne dabei auf die nötige Ruhe und Meditation zu achten. Zum Schluss wird ein Gebet gesprochen für diejenigen, die vorher in der Klosterzelle waren und die noch kommen werden.

Auf die Fragen, die ich mit ins Kloster genommen hatte, fand ich dort keine direkte Antwort. Aber ich habe dort eine Antwort darauf gefunden, wie ich in Zukunft mit diesen Fragen umgehen kann. Und die Antwort lautet, ich kann meinem Gefühl vertrauen, dass mir im entscheidenden Moment die richtigen Antworten gegeben werden.

Mehr Informationen gibt es auch auf der Website

http://www.gethsemanekloster.de

Schöne Grüße
Ecki