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Alt 03.01.2009, 12:27
Waldi Waldi ist offline
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Standard AW: Mein Vater hat Leukämie

Hallo Konten,

schön zu hören, dass es Deinem Vater erst einmal wieder besser geht. Auf Deine Frage, wie ich mit meiner Situation umgehe, will ich Dir ausführlich antworten.

Die Situation nach der Diagnose einer sehr schweren Krankheit ist immer und für jeden eine arge Zäsur, die erst einmal verdaut werden muss. Danach macht es jedoch überhaupt keinen Sinn, den Kopf in den Sand zu stecken, Trübsal zu blasen oder die Krankheitsursache erforschen zu wollen. Dieses typische Verhaltensmuster ist ein hoffnungsloses Unterfangen und endet in abenteuerlichen Vermutungen, die sich niemals beweisen lassen. Es bringt einen als Betroffenen, aber auch als Angehörigen, keinen Schritt weiter in der Bewältigung der Krankheit.

Mir hat damals sehr geholfen, dass ich es gelernt habe, ganz offen damit umzugehen. Ich habe die CLL als mein persönliches Schicksal angenommen, ohne wenn und aber. Der Kontakt mit gleichermaßen Betroffenen, die ich über meine Selbsthilfegruppe kennen gelernt habe, hat mir sehr viel Kraft gegeben. Ich war nicht mehr allein und konnte mich an anderen orientieren. Dadurch habe ich viele Informationen über meine Krankheit sammeln können, die nirgendwo nachzulesen waren. Ich habe erst dadurch richtig erkannt, was auf mich zukommen wird. Schrecklich war zuvor das quälende Unwissen. Dadurch macht man sich viele unnötige Sorgen, die einem nachts den Schlaf rauben. Klar, der Gedanke an die fortschreitende unheilbare Krankheit ist allgegenwärtig, aber er ist nicht mehr so zermürbend wie direkt nach der Diagnose, wo ich mir Gedanken um die Inschrift auf meinem Grabstein gemacht habe. Das ist aber nun schon 8 Jahre her, und ich habe mich bisher immer noch erfolgreich vor der Chemotherapie drücken können, weil die Krankheit bei mir einen sehr langsamen Verlauf hat. Allerdings könnte ich heute mit meinen weißen Blutkörperchen problemlos eine ganz Fußballmannschaft ausstatten. Ich weiß aber auch, dass dieser Verlauf durchaus nicht so sein muss, sogar ein plötzlich eintretender Schub oder der Übergang in eine akute Leukämie oder ein aggressives Lymphom ist möglich. Wenn es so sein soll, dann ist es eben so, ändern kann man es sowieso nicht, man kann lediglich versuchen, das Beste daraus machen. Dazu ist es unerlässlich, gut informiert zu sein.

Vorgesorgt habe ich mit einer Vorsorgevollmacht, einer Patientenverfügung, einer Betreuungsverfügung und mit einem Testament. Eigentlich sollte so etwas für jeden Erwachsenen selbstverständlich sein. Aber wie so oft im Leben, braucht es erst einen Schicksalsschlag, um sich darüber im Klaren zu werden, dass man selbst auch sterblich ist. Krebs bekommen ja bis dahin immer nur die anderen! Wer solche Verfügungen nicht gemacht hat, handelt unverantwortlich, denn er stellt seine Angehörigen unter Umständen irgendwann vor schier unlösbare Probleme.

Gruß Waldi
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