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Alt 11.01.2006, 19:39
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juwi1947 juwi1947 ist offline
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Standard (Ein) Leben ohne Kehlkopf

Hallo zusammen,

der Beitrag „Ein Bitte, und zum Nachdenken“ von Jutta hat mir Mut gemacht, ebenfalls etwas zu schreiben.

Ich wurde im Juni 2001 ganz plötzlich mit der Diagnose „Kehlkopfkrebs“ konfrontiert. Eine sofortige Kehlkopfentfernung war unvermeidlich und ich musste einen geplanten Camping-Urlaub mit Freunden absagen.

Die OP und die Bestrahlungen verliefen gut. Ich lernte mit dem Shunt-Ventil sprechen und konnte endlich ohne Papier und Stift mit meiner Familie und mit Freunden reden.
Reden von meinen Ängsten und Gefühlen.

Was hat sich seit der OP geändert? Einiges, alltägliche Dinge, die für Nichtbetroffene selbstverständlich sind, wurden zum Problem.

Wie gerne lag ich in einer vollen Badewanne mit heißem Wasser,
ließ minutenlang den Wasserstrahl in der Dusche auf mich hernieder prasseln,
ging mit freiem Oberkörper in der Sonne am Strand entlang und
wenn es zu heiß wurde, eine Runde schwimmen.

Ohne Kehlkopf nicht mehr möglich. In der Badewanne oder beim Schwimmen läuft das Wasser in die Atemöffnung und ich könnte „ertrinken“, dusche nur mit vorgebeugtem Oberkörper, da Wasser nicht bergauf fließt. Am Strand gehe ich nur mit Hemd und Schutztuch entlang und sehe die neugierigen Blicke der Entgegenkommenden aus den Augenwinkeln.

Unterhalten in geselliger Runde, nicht mehr möglich. Ich kann nicht spontan und laut reden.
Den Duft einer Blumenwiese kann ich mir vorstellen, aber riechen? Riechen geht nicht.
Wenn ein Luftstrom etwas in die Nase bläst, erkenne ich den Geruch und genieße ihn.

So, oder ähnlich, könnte ich noch viele Beispiele schreiben bzw. beschreiben.

4,5 Jahre sind seit der Kehlkopfentfernung vergangen und immer noch habe ich Fragen, aber keine Antworten.

Auf Flugreisen habe ich Stewardessen angesprochen, was sie machen würden, wenn eine „Mund-zu-Mund-Beatmung“ bei mir durchgeführt werden muss? Wie soll ich bei Druckabfall in der Kabine die „Atemmaske“ handhaben? Muss ich bei einer Notwasserung als Mann als „Erster“ von Bord und wer bläst bei Bedarf die Schwimmweste auf?

Wer kennt Antworten?
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Jürgen
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Heute ist das Morgen,
über das du dir gestern Sorgen gemacht hast,
und alles ist gut.
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