Thema: Raus damit!
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Alt 22.02.2017, 11:38
Papstanwärter Papstanwärter ist offline
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Standard AW: Raus damit!

Liebe Mitstreiter,

irgendwie kriege ich gerade nur ganz schlecht die Kurve.
Nachdem wir letzte Woche unseren Urlaub auf Sylt abgebrochen haben, weil die letzte unserer Katzen in die Tierklinik musste wegen des Verdachts auf Leberversagen, nahmen die schlechte Nachrichten irgendwie kein Ende.

Der Termin in Essen beim Westdeutschen Krebszentrum letzten Freitag war auch relativ ernüchternd.

Der Arzt besah sich meine gesammelten Werke, was OPs und Chemos angeht.
Als er mich fragte, warum nach der ersten HIPEC keine "richtige" Chemo gemacht wurde, konnte ich ihm keine Antwort geben. Meine Onkologin hatte keine große Erfahrung mit Nachbehandlung einer solchen Spund beschränkte sich halt auf die Verordnung von Capezitabin. Leider erfolglos wie sich ja bald herausstellte.
Die Anwendung der zweiten HIPEC fand er zumindest diskussionswürdig, da gleichzeitiger Metastasenbefall der Leber in Essen unter Umständen ein k.o.-Kriterium bedeuten würde.
Ich schluckte einen Moment, doch wir waren letztendlich der Meinung, die Klinik in Münster hätte richtig gehandelt.
Auch wolle er nicht um den heissen Brei herumreden und schloß eine Heilung aus,
es ginge tatsächlich lediglich um Zeitgewinnung.

Lange Rede, kurzer Sinn: ich warte auf einen Termin zur Porteinpflanzung.
Zwei Tage später soll die Chemo beginnen. Leider habe ich vergessen, welcher Wirkstoff zum Einsatz kommt, er soll jedoch nach Möglichkeit mit Antikörpern kombiniert werden.
Und wieder kamen die Fragen auf: hätte eine "richtige" Chemo nach der ersten HIPEC mir das Leben retten können? Hat da jemand geschlafen und nicht richtig reagiert? Alles Spekulationen und man muß mit den Tatsachen leben.

Am Samstag trat meine Gesundheit jedoch in den Hintergrund, mein Wanja lag mit Fieber, Husten und Schmerzen im Brustkorb flach.
Da ich aus Erfahrung wusste, das bei einem Asthma- und COPD-Patienten damit nicht zu spaßen ist, wollte ich sofort in die Klinik.
Ich habe mich jedoch überreden lassen, auf den regulären Termin beim Lungenfacharzt am Montag zu warten.
Der Besuch dauerte nicht lang: Röntgenbild und Ultraschall, Einweisung als Notfall in die Klinik. Schwere Lungenentzündung mit Flüssigkeitsansammlung in der Lunge von rund 1,5ltr.
Wenn ein Lungenflügel vorher schon nur noch zu 40% funktionierte, bleibt da nicht viel über...

Da mir jegliche Motivation fehlte, sagte ich sofort alle geplanten Aktivitäten für meinen Geburtstag gestern ab.
Auf dem Weg zur Klinik passierte es dann: im Radio wurde Queen mit "Who wants to live forever" gespielt.
Ich konnte es nicht unterdrücken, jegliche Emotionen brachen über mir zusammen. Ich war minutenlang nicht in der Lage, weiterzufahren. Glücklicherweise konnte ich in einer Bushaltestelle anhalten.
So etwas hatte ich noch nie erlebt. Als ich mich gefangen hatte, fuhr ich bei offenem Fenster weiter, damit ich zumindest das Gefühl hatte, mein Gesicht würde sich entspannen und abkühlen.

Zum Glück habe ich mich sonst emotional relativ gut im Griff, auch heute wieder sehe ich unsere Gesamtsituation etwas nüchterner und freue mich, meinen Hasen gleich in der Klinik wiederzusehen. Allerdings habe ich langsam Angst, das sich der körperliche Zustand allmählich auf die Psyche schlägt.

Ich weiß, dieser ganze "Seelen-Mist" hat hier eigentlich nichts zu suchen und ich will euch nicht zusätzlich zutexten mit Dingen, die weit weg vom Thema Krebs sind.
Aber, ich merke immer wieder, das mich das Schreiben beruhigt und hoffe, das auch ihr Möglichkeiten habt, euch irgendwie zu zerstreuen.

An dieser Stelle möchte ich noch anmerken: Das Projekt "Küchenzeile" ist fast abgeschlossen.
Ich beginne, mich auch über die kleinen Erfolgserlebnisse zu freuen.

In diesem Sinne wünsche ich euch Kraft, eine schmerzfreie Zeit und zumindest gefühlte Sonnenstrahlen bei diesem verregneten Wetter.

Liebe Grüße

Ralf

Geändert von Papstanwärter (22.02.2017 um 11:57 Uhr)