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Alt 06.03.2015, 11:16
raumwunder raumwunder ist offline
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Standard AW: NOS Sarkom Wirlbelsäule

So, morgen wird Vincent 10. Er freut sich wahnsinnig und ich hab mal wieder eine Geschichte für euch.



Der Tag der Diagnose.
Nach der Probebiopsie durften wir erstmal über die Herbstferien nach Hause. Es war schrecklich, ein kommen und gehen von vielen Menschen. Anfangs fand ich das toll, aber irgendwann hatte ich das Gefühl, als wollten sich die Leute von Vincent verabschieden.
Nun waren wir eine Woche zu Hause als der Anruf von unserem Orthopäden kam. Die Uniklink hatte ihn angerufen und mitgeteilt, dass die Biopsie ein Sarkom ergeben hätte. Wir waren natürlich am Boden zerstört. Ich rief in der Klinik an und ließ mich zum Oberarzt verbinden. Uns gegenüber stritt man ab, dass es ein Sarkom wäre aber wir sollten uns doch schnellstmöglich auf den Weg machen, da Vincents Wirbel erheblich geschädigt sein und der Chef der Onkologie ihn lieber im Krankenhaus hat, sollte irgendwas passieren.

Also machten wir uns am nächsten Tag, es war ein Mittwoch, auf die Reise nach Münster. Mehrere Nachfragen meinerseits bei den Ärzten wurden abgewimmelt, man könne noch nichts sagen, Diagnose weiterhin unklar und von einem Sarkom war doch niemals die Rede. Aber nicht mit mir, spät abends habe ich einen anderen Arzt im Fahrstuhl getroffen, er kam gerade erst zum Dienst. Wir unterhielten uns über die Biopsie und er fragte mich, was ich denn schon über das Ergebnis wüsste. Ich sagte so ins Blaue hinein, das ich mittlerweile weiß, das Vincent ein Sarkom hat. Ja, das wäre auch sein Wissenstand. Nun wussten wir es.
Es hat aber immer noch bis zum Freitag gedauert, bis wir zu einem Gespräch gerufen wurden. Einer der damaligen Assistenzärzte kam in das Krankenzimmer und bat uns, mitzukommen. Ich sah es an seinem Gesicht, an seinem Lächeln, das ab jetzt alles gut wird und wir eventuell gar nicht so schlimmes zu befürchten hatten.
Wir wurden ein Stock tiefer geführt, in einen Fensterlosen Raum. Vor uns 4 Ärzte, davon 2 Professoren, ein Oberarzt und der Assistenzarzt.
Der eine Professor, für die Ewing Studie über Deutschlands Grenzen bekannter und anerkannter Arzt (leider seit 28.02.2015 in Ruhestand, ihr wisst schon wen ich meine) übernahm das Gespräch.
Er sagte uns, das Vincent ein Sarkom an der Wirbelsäule hat. Nach dem er 10 Minuten über die verschiedensten Sarkome geredet hat, platzte uns die wichtigste aller Fragen heraus, wie sind die Prognosen.
„Nun, ich möchte mich nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen aber aufgrund der Struktur des Sarkoms, des extrem langsamen Wachstums und unserer allgemeinen Erfahrung mit Sarkomen kann ich Ihnen sagen, dass wir operieren werden, Vincent danach eine Bestrahlung erhält und danach sollten wir von dem Krebs nichts mehr hören“

Das, und nichts anderes, wollten wir hören. (Der andere Professor erklärte uns dann die Vorgehensweise der OP, aber dazu in einem meiner nächsten Berichte mehr.)
Wir waren überglücklich mit dem Ergebnis und fragten, warum keine Chemo nötig sei. Das liegt an der Eigenschaft des Sarkoms, die Zellen teilen sich zu langsam als das eine Chemo greifen könnte.

Und zu guter Letzt noch eine Aussage, die ich auch mein Lebtag nicht vergessen werde:“ Liebe Familie Mendel, ich möchte, dass Sie sich eine Frage sofort und für immer aus dem Kopf schlagen, und zwar die Frage nach dem Warum. Auf diese Frage werden Sie niemals eine Antwort erhalten, die Sie zufriedenstellt oder auch nur annähernd der Wahrheit entspricht. Die Wahrheit ist nämlich, dass es Ihnen niemals jemand beantworten kann“.
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"sed quis custodiet ipsos custodes?" Juvenal, römischer Dichter, 1.-2. Jahrhundert n. Chr.

Geändert von raumwunder (10.07.2018 um 08:18 Uhr)
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