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Alt 13.06.2002, 18:09
Gast
 
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Standard Sie will das ich gehe!!

Hallo Ihr Lieben,
Hallo Li,
das ist ja das Verzwickte!
Zum Einen kommen da ja die eigenen Ängste hervor, DASS da der Vater bald sterben könnte. Nur schon die Krebsdiagnose alleine, setzt so unter Druck, dass man das dringende Bedürfnis hat, Abschied nehmen zu müssen. Das haben aber NICHT nur die Angehörigen, das haben auch die Patienten.
Wenn jetzt aber noch der Arzt kommt und mit seinem weisen Wissen und seinem weissen Arztkittelchen BESTÄTIGT, dass der Patient vielleicht noch ein halbes Jahr zu Leben hat, dann wird dieser Druck, Abschied voneinander nehmen zu müssen, noch VIEL stärker!
Was TUT man da also? Da ist man doch hin und hergerissen!

Deswegen rede ich ja von solchen "Brieflein" der Angehörigen, die genau diesen Druck lösen können. Ich weiss, das braucht wohl zünftigen Mut. Aber es ist ein Versuch wert. Wenn man in diesem Brief zum Beispiel solche Worte wählt wie:
"Ich habe solche Angst, dass Du sterben könntest, Vater!"
"Ich habe mir immer gewünscht..."
"Ich bin so wütend über diese Krankheit, weil sie mich so hilflos macht."
"Ich bin so verzweifelt, weil ich nicht weiss, wie ich Dir helfen soll."
"Ich möchte Dich nicht belasten, aber lass mir die Freiheit, Dir diese Worte zu schreiben, weil sie mir gut tun."
"Ich möchte nicht Abschied nehmen müssen von Dir."
"Ich habe Dich so lieb, Vater."

Weisst Du, wie ich meine?
Es ist ein ziemlicher "Brocken", der da auf den Schultern lastet, wenn man eigentlich WEISS, dass man Abschied nehmen MUSS. - OB dies dann auch wirklich eintritt, ist eine andere Frage. (Hier würde ICH jetzt nämlich ziemlich krass sagen: Ich traue keiner einzigen "Prognose" eines Arztes! Er kann Recht haben, aber genau so gut auch NICHT! Jawoll!)
Aber um diesen "Brocken" loszuwerden, WILL man ja irgendwie handeln, nicht?
Entweder kommen diese Gespräche vom Patienten alleine, weil ER darüber sprechen will, ... und wenn nicht, finde ich, haben die Angehörigen genau so das Recht, sich mitzuteilen, OHNE diese Aengste zurück stecken zu müssen. Nur ist hier dann "Fingerspitzengefühl" verlangt, weil man den Patienten nicht so heftig damit überfallen sollte.

Wenn Worte Auge in Auge nicht gehen, ... dann geht so ein Brieflein ganz gut. Wenn NUR die Aengste, Gefühle und all die Sorgen des Angehörigen darin stehen, ... wird es KEIN Vorwurf oder ein "unterschwelliger" Abschied an den Kranken sein. Es bleibt ihm nur eines übrig: Zu verstehen, welche Aengste vom Angehörigen da durchgemacht werden, und dann wird er später vielleicht SELBER darüber sprechen wollen, ... oder aber er denkt über den Brief: "Was für ein übertriebenes Gefühls-Wischiwaschi!", und wird gar nie darauf eingehen oder darüber sprechen wollen.
Je nach dem, muss man halt beide Möglichkeiten akzeptieren müssen.

Es wird aber auf jeden FALL etws bewirken!
AUCH beim Patienten. Ganz sicher! (Man merkt es dann aber nur nicht!)
Und der Angehörige, welcher den Brief geschrieben hat, ... wird eine Erleichterung verspüren. Der Druck, Abschied nehmen zu müssen, wird ein bisschen weg sein. Weil die eigenen Aengste, Sorgen, Wünsche, usw. ... dem Patienten bereits MITGETEILT wurden.

Uff! Schwierig, zu erklären, das Ganze.
Ist jetzt keine "Gebrauchsanweisung" von mir, sondern ein einfühlsames Verstehen meinerseits.
Und weil ich selbst Patientin bin.

Ich wünsche Euch allen ganz, ganz viel Kraft, Ihr Lieben!
Bis dann!
Grüssli
von der "krassen" Brigitte
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