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Alt 28.10.2007, 11:27
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Linnea Linnea ist offline
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Standard AW: Hodgkin - mein neuestes Sammlerstück

Liebe Leena, liebe Ina, liebe Ulli, liebes Zickchen,

bis zu meiner nächsten Chemo habe ich glücklicherweise noch etwas Zeit: laut Plan soll sie am 20.11. stattfinden, d.h. laut korrigiertem Plan, denn erst während meines Kliniksaufenthalts fiel auf, daß sich ein Fehler eingeschlichen hatte. Die zwei verbleibenden Termine waren jeweils eine Woche nach hinten gerutscht, was mir zunächst ganz günstig erschien, weil ich dann die letzte erst kurz nach Weihnachten bekommen hätte. Vielleicht hatte ich deshalb nicht nachgerechnet. Nun findet sie am 18.12. statt, d.h. ich möchte sie gerne um einen Tag nach hinten verschieben, weil unser Großer am 18. Geburtstag hat. Mal sehen wie unser Weihnachten werden wird

Die Kindergeburtstage sind wirklich besondere Gelegenheiten zurückzudenken: Vor einem Jahr haben wir hier unsere Kleine sehnsüchtig erwartet. Sie hat sich viel Zeit gelassen, aber es war ein gutes Warten. Seit meiner Erkrankung kenne ich fast nur noch dieses schreckliche Warten auf Termine und Befunde, das die Seele aufreibt und an ihr zehrt. Vor einem Jahr habe ich ganz anders gewartet: voller Vorfreude, dieses kleine Wesen endlich in meinen Armen halten zu dürfen, aber auch voller ruhiger Gewißheit, es abwarten, ihm seine Zeit gewähren zu können.

Und was dieses kleine Menschlein inzwischen schon alles kann: am Sofa entlang gehen, Frikadellen essen, Rosinen aus dem Kuchen pulen, das Xylophon traktieren, tanzen, sogar mit den Fingern schnipsen (das fällt unserem Großen manchmal noch schwer, sie aber macht es ganz locker). Außerdem hat sie in diesem einen Jahr in sich so viel entdecken können: ihren Willen, ihre Vorlieben, aber auch ihre Fähigkeit, andere Menschen zu trösten und zu erfreuen. Wenn es mir nicht gutgeht, spürt sie das natürlich. Inzwischen kommt sie dann angekrabbelt, schmiegt ihren Kopf bei mir an und beginnt danach, Faxen zu machen, um mich aufzumuntern: sie wippt mit dem Oberkörper hoch und runter, wie sie es beim Tanzen macht, sie grinst und gibt lustige Töne von sich, zur Zeit vor allem ein Art "Indianerruf", bei dem sie die Hand vor den Mund schlägt. Sie weiß sehr gut, was lustig ist, schließlich hat sie einen großen Bruder. Und sie merkt, daß es wirkt, wenn ich auch zur Zeit nicht zu diesem Alles-ist-gut-rundum-glücklich-Gefühl in der Lage bin...

Liebe Leena, ja Babygläschen habe ich schon einige geleert. Unser Kleine ißt inzwischen nur noch "richtige" Dinge, aber für mich stehen doch noch entsprechende Vorräte in der Kammer. Eigentlich habe ich Breie abgelehnt, seit ich etwas anderes essen konnte. Aber zur Zeit ist alles im Leben so anstrengend, daß es direkt angenehm ist, beim Essen keine Widerstände zu spüren. Ich denke also, daß da mehr Psychisches als Physisches eine Rolle spielt: Breizeit ist, wenn die Seele sich anfühlt, wie ein altes, zerbröselndes Papier...

Liebe Ina, ja ich habe auch den Eindruck, daß ich im Krankenhaus sehr kompetent und umsichtig versorgt wurde (winzige Ausnahmen bestätigen die Regel). Bisher hat bei allen meinen Aufenthalten dort die Kommunikation zwischen den Ärzten der verschiedenen Disziplinen sehr gut geklappt und es gab nichts, was übesehen wurde. Darüber bin ich sehr froh. Von manchen (wenigen) Ärzten würde ich mir eben wünschen, daß sie auch mit mir ausführlicher redeten. Aber die allermeisten sind wirklich in starkem Maße bereit, mit mir gemeinsam an meiner Gesundheit zu arbeiten. Diese Einstellung hilft mir sehr.

Liebe Ulli, ja wenn meine Mutter hier ist, ist die Verwöhnerei gesichert, das kannst Du mir glauben. Dabei hat sie grundsätzlich eine selten nette Art zu helfen: sie drängt sich überhaupt nicht auf und erledigt ganz nebenbei einen Haufen Arbeit. Sie macht überhaupt kein Gewese darum und reißt auch kein Regiment an sich. Ich weiß nicht, wie sie es macht, aber sie hat eine Art, die es mir besonders leicht macht, ihre Hilfe anzunehmen und dabei wirklich zu entspannen. Sie ist ein ganz besonderer Mensch - und ich glaube, nicht nur für mich...

Liebes Zickchen, ich bin wirklich mal gespannt, wie der morgige Geburtstag sein wird. Unser Großer ist schon richtig aufgeregt und malt sich immer aus, wie sehr sich die Kleine über ihre Geschenke freuen wird. Ich hoffe, sie enttäuscht ihn nicht

Allen, die hier lesen, wünsche ich einen schönen Sonntag und gute Besserung allen, die sie nötig haben!

Viele liebe Grüße sendet Euch
Eure Linnea
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Einen Menschen zu lieben heißt:
Ihn zu sehen wie Gott ihn gemeint hat.
Liebe ist das Geheimnis der Brotvermehrung.
- Christine Busta -
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