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Alt 02.05.2005, 01:33
Gast
 
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Standard nur noch wenige wochen - die angst vorm abschied

danke, ich bin so unendlich dankbar für eure antworten.

und trotzdem komm ich mir gerade sehr 'klein' vor. unsere mutti hielt mich ein leben lang, für die stärkste der familie.
auf der einen art genoß ich ihre einschätzung, auf der anderen art wusste ich aber auch, was für eine verantwortung auf mir ruhte.
in den letzten 2 wochen gab es allerhand (für mich)'seltsame' begebenheiten,dinge, die ich einfach nicht einordnen konnte, wo ich aber doch wusste, dass es irgendwas geben muss, was menschen, die bald von uns gehen, erleben.. bzw dinge die uns 'weiterlebende' verwirren.
ich halte mich für übersensibel, ich kann in menschen hineinsehen, manchmal glaubte ich an begabung.. manchmal sah ich es aber auch wie einen fluch, der mir anlastet,einfach weil man nicht alles sehen/wissen will/sollte, was man sieht/erlebt.
mein verhältnis zu unserer mutti, war immer so, dass sie mir - als einzige menschen - gesagt hat, wie es ihr wirklich geht. ich habe ganz bewusst - teilweise unverfroren - fragen gestellt, an die sich andere nicht wagten, oder aber wo die anderen einfach nicht hindachten. ich hatte zu jeder zeit das gefühl, dass sie froh und erleichtert war, wenn ich sie ansprach, oder das aussprach, was sie sich einfach nicht traute. ich war die einzige aus der familie, mit der sie offen über ihre krankheit und die damit verbundenen ängste sprach. beendet wurden diese gespräche immer mit ihrem satz "ich kann das den anderen nicht sagen, du verpackst das schon". so auch geschehen am tag bevor sie ins krankenhaus ging.
es war ein gespräch, wie viele vorher und doch war es anders, als alle vorherigen.
sie lag im schlafzimmer in ihrem bett, ich packte ihre tasche fürs krankenhaus. sie nahm mich kaum wahr. in der 3 zimmer wohnung waren noch mein mann und mein schwager anwesend. sie standen in der küche (2 zimmer weiter) und unterhielten sich. ich bemerkte, wie sie sich in die gespräche der beiden 'einbrachte' antwortete. irgendwie war dies seltsam, ich nahm nämlich nur wortfetzen war, eben weil die beiden sehr weit weg waren. mir wurde zu diesem zeitpunkt irgendwie klar, dass sie wohl alles hörte, was sich in der wohnung abspielte. verwarf den gedanken aber gleich wieder, weil es mir zu absurd erschien (bzw schob es auf eine wohl zu blühende phantasie meinerseits) wenig später sprach ich sie an, weil mir noch einige sachen fehlten, ich nicht wusste, wo ich diese suchen sollte etc. und so kam es zu folgenden gespräch:

sie :" weisst du, ich möchte jetzt wirklich sterben, es ist mein ernst, ich kann und will nicht mehr"
ich :" wenn du das wirklich möchtest, wenn du wirklich nicht mehr kannst, dann akzeptiere ich deine entscheidung"
sie :" ja, ich denke es ist jetzt zeit. glaubst du, dass es jetzt an der zeit ist?"
ich :" ich weiss es nicht, ich kann das nicht entscheiden, ich war noch niemals an so einem punkt, wo ich nicht mehr leben wollte oder konnte. verzeih mir, aber ich weiss darauf keine antwort"
sie :" lasst mich gehen, lasst mich bitte gehen, lässt du mich gehen?"
ich :" ja, ich lasse dich gehen"
sie :" aber sag es meinen beiden söhnen nicht, sie können damit nicht umgehen"
ich :" nein, natürlich sag ich nichts"

ich verließ irgendwann das schlafzimmer - sehr verwirrt - weil ich so ein gespräch, in so einer deutlichkeit noch niemals mit ihr geführt habe. als ich in die küche kam, muss ich wohl sehr
durcheinander gewirkt haben. mein mann sprach mich an, fragte mich was denn sei. ich sagte ihm, dass alles ok sei. er bohrte, glaubte mir nicht. ich war in einer zwickmühle.. als ich sah, dass er immer ängstlicher wurde bzw mein verhalten überhaupt nicht mehr nachvollziehen konnte und vor allem, mir nicht glaubte, flüsterte ich ihm zu, dass ich jetzt nichts sagen kann, da ich annehme/mir sicher bin dass sie es hören würde. er sah mich nur verständnislos an und erklärte mir, wo wir uns befänden, nämlich 3 zimmer weiter und das ja der totale unsinn wäre etc.
ich haderte mit mir und meinem gewissen und vor allem mit meiner vermutung.. ließ dann aber das vertrauensverhältnis zu meinem mann siegen und sagte ihm, dass die mutti nicht mehr leben möchte.
dieses gespräch mit ihr, war das letzte in dieser offenheit.. denn die darauf folgenden tage, als wir alleine waren im krankenhaus und ich an dieses gespräch anknüpfen wollte, verhielt sie sich mir gegenüber so, wie zu den anderen. meinen konkreten fragen, wich sie aus. ihr zustand passte nicht mehr zu dem, was sie mir sagte.. nämlich, dass es ja doch evtl. gar nicht alles sooo schlimm sei.
das letzte was wir zusammen besprachen, war ihre entlassung und wie zu hause alles laufen soll.
ich wunderte mich zwar, aber gleichzeitig freute ich mich auch über den plötzlichen optimismus, auch wenn er mir suspekt war. parallel dazu hatte ich immer wieder diese begebenheit im kopf.. erklärte mich aber dann für 'verrückt' bzw verdrängte es.
.. dann kam ihr endgültiger abschied und wieder diese seltsamen zufälle - vorher mein sprechen über meine angst - ihr 'gehen' als ich draussen war .. und jetzt die bestätigung meiner vermutung/meines gefühls von euch, liebe liz und lieber willy..
und genau dadurch fühle ich mich 'klein' grade. das war keine stärke.. ich war nicht die, für die sie mich hielt bzw hat mich das wohl so spüren lassen. ich dachte, ich habe alles bedacht/richtig gemacht, in dem ich meinen mann 'unterrichtete' damit auch er bewusst abschied nehmen kann. ich dachte, dass ich ihr immer beigestanden habe, halt gegeben habe.. aber letztendlich hat sie mir gezeigt (durch irgendwelche fähigkeiten, die man dann wohl besitzt) dass ich doch nicht so stark bin.
vielleicht ist das alles nonsens, aber ich fühle mich nicht besonders gut.. habe das gefühl evtl. doch versagt zu haben.
ich war noch nie in einer derartigen situation und selbst wenn.. es wird sich wohl keiner gleichen..
natürlich habe ich die formalitäten alle bewältigt bzw ich bin noch dabei. meiner kraftlossigkeit folgt jetzt gerade ein 'nicht zur ruhe kommen können'. die gedanken kreisen.. viele offene fragen.. zeitweise ein 'sich und alles in frage stellen'.. hilflossigkeit.. angst alles falsch zu beurteilen incl. sich selbst falsch zu beurteilen.. und vieles mehr..

.. eine für das 'kraftpaket' dankende jaquline
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