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Alt 07.06.2013, 22:50
jensg jensg ist offline
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Standard AW: Diagnose gestern erhalten

Hallo Friedl,

erstmal willkommen in diesem Forum!
Ich habe die Diagnose vor zweieinhalb Jahren bekommen und lebe noch! Mein Thread heisst "Zwei Tage nach der Diagnose", du bist einen Tag schneller!
Die 10% bedeuten erstmal absolut nichts, warte erstmal das Staging ab, nach den Diagnosen.
Vielleicht kennst du das schon, Staging ist ein internationales Maß für die Größe und Fortschritt der Erkrankung. Es wird (steht auf jeden Fall in dem Arztbrief im Abschluss der Erstdiagnose) so angegeben TxNxMx ev GX.
Dabei steht T für die Größe und Ausdehnung des Primärtumors und ob er die Speiseröhre bereits durchdrungen hat, N für ev. befallenen Lymphknoten, das ist ohne eine detailierte Untersuchung (ev punktiert während einer Magenspiegelung) erstmal spekulativ. Im CT können die Ärzte hinterher nur sehen, ob Lymphknoten vergrößert sind. Das M steht für Metastasen, Häufig Lunge (ist halt benachbart) Leber oder im Bauchraum. Außerdem erfährst du aus dem Arztbrief in welcher Höhe der Tumor sitzt. Wird immer gemessen ab der ersten Zahnreihe. Je tiefer desto besser. Bei hochsitzenden Tumoren ist die Gefahr von Lungen/Brochienmetastasen höher. Im Arztbrief steht auch, ob es sich um ein Adenokarzinom oder um ein Plattenkarzinom handelt.
Bei mir wurde der Bauchraum im Rahmen einer kleinen OP, bei der auch der Port für die nachfolgende Chemotherapie gesetzt wurde, minimalinvasiv (3 kleine Löcher) endoskopisch untersucht, sowie die Lunge punktiert, zum Glück ohne Befund.
Üblich bei T3 ist eine neoadjuvante (Ärztelatein - Deutsch vorgeschaltete) Chemo um den Tumor zu verkleinern und die Operation zu erleichtern. Früher wurde auch bestrahlt, aber die aktuellen Erkenntnisse zeigen keinen Vorteil durch Bestrahlung, die OP, die möglicherweise auf dich zukommt, wird durch Bestrahlung nicht erleichtert.
Ich finde es gut, dass du ruhig bleibst. Ich hatte die ersten Tage eine Art Schockstarre. Danach habe ich geklärt wie die Versorgungslage meiner Familie (zwei Kinder 11 und 13) ist.
Und dann bin ich von Behandlungstermin zu Behandlungstermin weitergereicht worden und hab alles geschehen lassen. Dabei war mir wichtig ein Vertrauensverhältnis zu der behandenlden Klinik und der Onkologin zu haben. Such dir am besten ein Krankenhaus, dass mit Speiseröhrenkrebs Erfahrung hat und das die OP häufiger durchführt. Die OP ist aufwendig und komplex und da möchte man schon von einem Chirurgen aufgeschnitten werden, der das nicht zum ersten Mal macht.

Wir haben mit einer Psychologin gesprochen, die meiner Frau und mir zu Offenheit gegenüber den Kindern geraten hat. Auch meiner Frau habe ich immer alle Ergebnisse und Zwischenstände ohne Beschönigungen erklärt. Ich habe auch den Ärzten gesagt, dass ich kein Wischiwaschi vertrage sondern die volle und ungeschönte Wahrheit über meine Situation, Behandlungsoptionen, etc erfahren möchte, um meine Lebensplanung an die Situation anzupassen. Das ist auch so geschehen.

Wie alt bist du? Hast du Vorerkrankungen? Sind die Kinder schon größer/aus dem Haus? Ich bin genetsich vorbelastet, mütterlicherseits sind die letzten drei Generation an Krebserkrankungen verstorben. Meine Mutter mit 62 an Lungenkrebs, sie hat in ihrem Leben nie geraucht.

Diese Diagnose ist kein Todesurteil, die Überlebenschancen sind wesentlich größer als die von Dir genannten 10%. Chemo ist hart, aber meine Familie hat mich immer motiviert. Die OP ist nicht ohne - ich konnte nach dreieinhalb Wochen wieder nach Hause und alle Schläuche waren gezogen.

Im Rückblick auf die letzten zweieinhalb Jahre seit der Diagnose habe ich intensiver gelebt als vorher. Ich habe so viele tolle Tage gehabt, die die Zeiten der Chemo verblassen lassen.

Viel Mut, viel Glück, Kopf hoch

Jens

Geändert von jensg (07.06.2013 um 22:56 Uhr)
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