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Alt 09.02.2009, 12:12
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Christa Christa ist offline
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Standard AW: Ich will mein Leben zurück



hallo ihr lieben!

@ karen43
„….. ich bin jetzt gesund und damit basta!“
ja, das geht mir auch so, diese erfahrungen mache ich im moment ununterbroche. ich kann ja jetzt wieder arbeiten gehen, ich habe kaum mehr schmerzen, ich rede nicht mehr darüber (na hüten werd ich mich!), also bin ich ja jetzt wieder gesund. oder? offenbar sollte ich diese meinung teilen. ätsch, ich tu’s aber ned!

„…also spiele ich zu hause die fast immer fröhliche, starke und optimistische frau…. und wenn ich heulen muss, …dann mache ich das, wenn es keiner sieht!“
ja, ja, ja…. mein LG kommt fröhlich, gut gelaunt nach hause. ich versuche natürlich, auch ein bisschen mehr fröhlichkeit an den tag zu legen, aber kaum wende ich ihm den rücken zu, fällt mir meine kinnlade schon wieder runter und ich tät am liebsten heulen. oft denke ich mir – und ich weiß, dass das ungerecht ist, kann’s aber nicht verhindern – wie kann der so fröhlich sein, wenn’s mir so besch…geht? mich überkommt neid auf seine fröhlichkeit und die tränen schießen am wc, auf das ich mich gerettet habe, schon wieder raus. ich möchte ihm aber auch seine fröhlichkeit lassen, er hat sie sich sooo verdient! ach, das ist so zweischneidig und so schwer zu beschreiben. ich sitz zwischen 2 stühlen, zumindest fühl ich mich so.

@ edyta74
danke, dass du mir das beispiel der seit 18 jahren rezidivfreien frau gebracht hast, das sind mal super-gute neuigkeiten! das macht mut und schafft positive gedanken!

ab und zu schaffe ich es, mir ganz laut zu sagen: „nein, ich gehöre nicht zu den rezidivpatienten, also reden wir gar nicht erstmals drüber!“ aber irgendwann lässt das nach und mich plagen wieder die ängste.

@ karen43
„…da kamen und kommen von so vielen seiten aufmunterungen und gute wünsche….. auch von menschen, mit denen ich vorher gar nicht viel zu tun hatte…“
ja, das stimmt, wobei die betonung auf KAMEN lag. denn wie bereits oben geschrieben: jetzt bin ich ja offensichtlich gesund und habe mich auch so zu verhalten. oder?!?! *knurr*

@ suze2
„….ich hab keinen tag auf die angst vergessen, aber auch nicht darauf, wie wertvoll das leben ist und wie wertvoll ich bin.“
ich würde das leben gerne mit anderen augen sehen. oft wünsche ich mir, dass die blumen eine intensivere farbe haben, dass gerüche stärker riechen, dass gefühle fühlbarer sind….aber es tut sich nichts. oft liest man doch, dass dies passiert. aber warum nicht mir? warum läuft alles so weiter, als wäre nie was gewesen? wo doch soviel passiert ist, sich mein leben geändert hat? warum kann ich nicth das leben so genießen, wie ich es eigentlich tun sollte und auch gerne wollte?

@ andile2412 + @ parallele
„Weißt Du, von meiner Familie hat mich bestimmt seit nem viertel Jahr keiner mehr gefragt, wie es mir geht! Es nervt mich total an, dass ich für die wohl wieder die Alte bin! Für die ist der Krebs schon vergessen... aber für mich nicht - noch lange nicht! Z.B. gestern war ich bei meiner Mutter und meine Nichte (31 Jahre alt) war auch dort! Ich bekomm wieder eine Hitzewelle und was ist der Kommentar??? "Na, sooo warm ist's doch noch gar nicht"!!!“
ich hatte anfangs das gefühl, noch ne „sensation“ zu sein… das tat auch gut, denn ich gestehe, ich benötigte die aufmerksamkeit und wärme sowie das mitgefühl, das hier zu mir rüberdrangen. aber jetzt? jetzt bräuchte ich das auch noch. und wo ist es? genau wie du, andrea, schreibst: es ist weg. für alle anderen sind die op’s mehr oder weniger gut abgelaufen, die kleinen problemchen werd ich ja wohl auch noch lösen, also alles wieder beim alten.
und das mit der hitzewallung: hilfe! sogar der meinige vergisst, dass ich AHT nehme und sagt aber haargenau die gleichen worte, wenn ich auf einmal aufspringe, die jacke vom leib reisse, das fenster aufreisse und mich raushänge. „aber schatzi, ist doch gar ned sooo warm herinnen, was hast denn nur?“ BITTE WAS? das gibt’s doch ned, der kann doch innerhalb von nur 8 wochen nicht vergessen haben, dass ich die AHT nehmen, oder??? *heul*

„Keiner fragt mehr, keiner hat ne Ahnung, wie es mir unter der AHT geht, die wissen nicht mal, dass ich sowas mache. Für die schluck ich halt Tabl., wohl damit der Krebs nicht mehr kommt!“
GENAU! keiner fragt mehr, alle gucken nur doof und erstaunt, warum ich so krebsrot im gesicht werde und versuche, mir alles mögliche auszuziehen…..

„Auch die Erfahrung mit Freunden, Familie, Bekannten kommt mir soo bekannt vor. Niemand fragt mehr, wie es mir geht. Nicht, wenn ich die Jacke von mir werfe und zum Fenster stürze, Luft, Luft. Nicht, wenn ich humple und - nach den vorherigen Handgelenkschmerzen - nun vom wehen Knie erzähle, mich nicht bücken, nicht in die Hocke gehen kann. Oder wenn ich die dritte Migräne in einer Woche habe. Und wenn ich von mir aus erzähle und anfüge, dass die AHT so vieles auslöst - dann ist nicht viel Interesse da. Oder vielleicht ist es auch Angst auf ihrer Seite, dass sie nichts davon wissen wollen. Und vom Sterben? Von Rückfällen? - Du doch nicht! - Davon wollen alle gar nichts wissen.“
vööööööllig richtig! einfach nix wissen wollen davon. einerseits werde ich dazu aufgemuntert, über meine ängste zu reden. wenn ich dann jedoch ganz konkret von genau diesen von dir geschilderten sachen rede, ebenfalls fast die gleichen worte verwende, dann werde ich abgewürgt, gestoppt. nie wieder darf ich davon reden, oh mein gott. und niemand fragt mehr. und das tut sehr weh! oder ist die angst der anderen zu groß, mich verlieren zu können? möchte man sich ein leben ohne mich vielleicht nicht vorstellen? gibt es vielleicht doch menschen, denen ich soo wichtig bin, dass es ihnen weh tut, daran zu denken oder darüber zu reden? aber – verdammt nochmal – ICH möchte darüber reden, ich muss es sogar, es wäre wichtig für mich…! *tob*

„Diese permanente Angst ist doch eigentlich schon Strafe genug... oder??“
ich sehe meine erkrankung nicht als strafe, nicht als prüfung, habe eigentlich nie darüber nachgedacht. ich habe mir auch nie die frage „warum ich?“ gestellt. ich habe es, nach schweren 1,5 wochen, einfach akzeptiert. wenn ich heute so darüber nachdenke, dann wundert mich das direkt. ich habe es einfach hingenommen. natürlich hab ich die stadien frust, aggression, wut, nicht-akzeptanz, trauer, etc. durchgemacht, aber dann hab ich den kampf aufgenommen und bin quasi in den ring gestiegen. und eigentlich steh ich dort noch immer drin, würde aber gerne aus dem ring steigen und mal ruhe haben.

@ parallele
„…nur nach rausschreien war mir nie, mehr nach endlosem klagelied“
auch das kenne ich. ab und zu würde ich mich gerne hinsetzen und mir so richtig leid tun wollen. nur mich beklagen, mein schicksal, einfach alles. gott sei dank sind diese zeiten kurz und selten.

„Ich vergesse den Krebs und die Angst vor Rezidiv, Metastasen, qualvollem Ende. Bis es mich plötzlich einholt. Harmlos von einem Ereignis im nächsten Jahr redend, hängt sich das "wenn ich dann noch lebe" an.“
jaaaaaaaaaaaa! mein lg redet vom urlaub nächstes jahr oder ähnliches, oder egal, wer worüber in der zukunft redet – die gedanken „aber vielleicht ohne mich“ sind immer dabei. oder zumindest sehr häufig! die einzige, der gegenüber ich diese gedanken geäußert habe bis jetzt, ist meine beste freundin. die nahm diese gedanken als völlig selbstverständlich und nachvollziehbar auf und dafür bin ich mehr dankbar, als für so manch andere gute tat von ihr. dem meinigen brauch ich damit ned mal ansatzweise zu kommen.

„und du verhältst dich bitte auch (pflegeleicht und unkompliziert) wie eine voll belastbare, eine gesunde, eine gutgelaunte, eine fröhliche und starke Person.“
eine befreundete ärztin sagte neulich völlig ehrlich und offen zu mir „sag, kannst du dich denn nicht einfach wie eine normale, onkologische allerweltspatientin benehmen?“
auf meine nachfrage, ob eine normale, onkologische allerweltspatientin eine mündige oder nicht-mündige patientin sei, bekam ich die ehrliche antwort, dass es eine nicht-mündige, ruhige, pflegeleichte, unkomplizierte, belastbare, gut gelaunte, fröhliche, starke person wäre. na, parallele, kommen dir die worte bekannt vor???
mag schon sein, dass andere menschen das so sehen, aber wir betroffenen sehen es nicht so. ich bin nun mal nicht mehr belastbar, nicht gut gelaunt, nicht immer fröhlich und möchte auch gar nicht mehr stark sein. nur wie macht man das der welt klar, dass man sich als 38-jährige von heute auf morgen zu einem anderen menschen verändert hat?

„manchmal wünsche ich mir, ich würde mich einfach nur wie gesund und normallebig fühlen und so leben, so leben, als ob nichts wäre - und auf der anderen Seite empfinde ich, alles hat sich geändert, und i c h möchte hundert Dinge verändern (die sich nicht ändern lassen) und anders leben und möchte Zuwendung und Stütze erfahren und meine Schwächesituation und fehlende Kraft anerkannt wissen.“
haargenau treffend formuliert!
a.) ich möchte als wieder gesunder, geheilter mensch akzeptiert werden und so behandelt werden und ein ausgewogenes maß an normalität zurück
b.) ich gestehe, dass, wenn dann punkt a.) berücksichtigt wird, ich enttäuscht, gekränkt, verletzt bin, mich zurückgesetzt fühle und nach zuwendung, aufmerksamkeit und unterstützung sowie verständnis giere und dies benötige.
ich weiß, das klingt schwer schizophren und vielleicht ist es das auch, aber offenbar kann man es mir im moment nicht recht machen. und am meisten kämpfe ich selbst mit dieser zwiespältigkeit…..

„Zweimal habe ich jetzt hier den Eintrag in Öffentliche Tagebücher gelesen, gedacht, ah, hier steht er. Also wird es weitergehen. Weitere Einträge. Ein Verlauf. Und das hat mich irgendwie zufrieden gemacht und zuversichtlich!“
hm, ja, ich denke, das waren auch so meine gefühle dabei, dass ich den beitrag 2x gepostet habe. einerseits wollte ich antworten, eure gedanken dazu, andererseits möchte ich dies in kurzer tagebuchform auch veröffentlichen. denn mein privates tagebuch in schriftform führe ich natürlich weiter.

„Also weiter dran arbeiten. Sag ich mir. Hinfallen. Aua-aua schreien. Weinen. Aufstehen. Weiterstrampeln.“
und jetzt sitze ich hier und kämpfe mit den tränen, aber was würden die patienten vorm fenster sagen, wenn die dame im weißen kittel auf einmal zu heulen beginnt. also zusammenreissen. genau wie du schreibst. hinfallen tu ich gerade, aua-schreien werd ich nach dem beenden dieses beitragen, aufstehen werd ich in 5 min…. und es geht immer weiter!

@ friebe
„Manchmal denke ich, ich habe nicht einfach Angst, in einem überschaubaren Zeitraum an Krebs zu sterben, sondern ich habe einfach überhaupt Angst, dass ich sterben werde und das möglicherweise in einem überschaubaren Zeitraum.“
tja, genau die überschaubarkeit ist es. danke für diese worte, sie drücken genau die gefühle aus und die gedanken, die ich hierzu habe. auf einmal wird die eigene sterblichkeit greifbar, ahnbar, überschaubar, der zeitraum vielleicht realistischer, als gedacht. der begriff „zeit“ relativiert sich auf einmal. zumindest fühle ich es so….

@ rosmarin
„Gut ist ein Blick auf, die, die es schwerer haben und damit zurecht kommen. Da kann man was lernen. Ein neidischer Blick auf die mit dem kleineren Päckchen(und die eigene unbelastete Vergangenheit) hilft nicht wirklich weiter“
wenn einer meiner freunde, oder andere menschen, nöte hatten, die ich oft in ihrer intensität nicht ganz verstehen konnte oder wo ich dachte, ihnen mit meiner sicht der dinge helfen zu können, sagte ich oft: „setz dich einmal einen ganzen tag auf eine unfallstation oder einen schockraum in einem krankenhaus. und dann überdenke deine situation, deine nöte, sorgen und probleme nochmals. glaube mir, sie werden sich relativieren und dir nicht mehr so schlimm vorkommen. sei froh, dass du gesund bist, ein dach über dem kopf hast, geld verdienst, nahrung hast….. dann reden wir weiter.“
wisst ihr, was ich meine? der blick in die realität, genau das meine ich damit. genau, wie es schon hier zitiert wurde…..

langer rede, kurzer sinn…

ich möchte euch danken, dass ihr mir durch eure worte und das mitteilen eurer gefühle und gedanken wirklich helft! ich fühl mich ned mehr so alleine damit! ich kann mir denken, hey, christa, den damen im forum geht’s genauso, also kopf hoch, du bist nicht alleine. und das tut soooooooo gut! zu wissen, dass es irgendwo frauen gibt, die vielleicht in der gleichen minute ähnliche gedanken und gefühle haben….

ich drück euch mal alle ganz, ganz fest und hoffe, dass dieser thread noch lange nicht „erledigt“ ist. ich denke, wir haben uns hier noch viel zu sagen und auf genau das freue ich mich!

eure christa

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Leben ist das, was passiert, wenn ich eigentlich was anderes vorhatte...
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