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Alt 12.09.2016, 23:27
Ostseekind Ostseekind ist offline
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Standard Mein Vater hat Lungenkrebs

Liebe Leute,
ich bin ganz verzweifelt und weiß gerade nicht, wie ich mit meiner Angst umgehen soll..... immer wieder breche ich in Tränen aus und würde mich am liebsten nur noch ins Bett legen und schlafen und nicht mehr rausgehen. Und gleichzeitig komme ich mir so egoistisch vor, denn nicht ICH bin diejenige mit Krebs, sondern mein Papa. Wahrscheinlich stehe ich einfach seit Samstag unter Schock wegen der plötzlichen Diagnose aber ich brauche irgendein Ventil, dass mich aus dieser Starre rausholt... Ich danke Euch sehr fürs Lesen! Ich schreibe auch Tagebuch und merke, dass es mir mit jedem geschriebenen Wort besser geht aber im Moment weiß ich nicht ein noch aus und mir fehlt irgendwie die Hoffnung, die ich sonst immer hatte. Wenn es mir sonst nicht gut geht, mache ich Sport und danach fühle ich die Probleme weniger. Sport war immer so DASS Ding gegen doofe Gedanken und Gefühle. Jetzt mag ich noch nicht mal vor die Tür gehen, sondern arbeite im Homeoffice, lege mich ins Bett zum Schlafen und Weinen, stehe auf und arbeite noch ein bisschen und während ich arbeite, laufen die Tränen auf meine Jeans und ich erledige alles emotionslos und wie ein Roboter.Wenn ich dann in die Küche gehe, um mir ein Glas Wasser zu holen, sehe ich eine winzige Büroklammer, mit der mein Vater was zusammengeheftet und gegeben hat und breche wieder in Tränen aus. Es ist schlimm. Aber während es bei mir nur der Schock und die Angst ist, muss ich immer daran denken, wie es Papa wohl geht. was er fühlt. Was er träumt. Ob er überhaupt vor Angst noch schlafen kann.

Mein Vater (65 Jahre alt - immer Raucher, Metallarbeiter) hatte in den letzten Monaten immer so eine komischen leichten Husten. Eher ein Räuspern. Und ich dachte immer, er hätte vielleicht eine Allergie oder raucht einfach zu viel. Er hat immer die Nase so hochgezogen, ohne dass man Schnodder oder so gehört hat.Wenn er im Urlaub an der See war, war es immer gut, ... meinte er. Er war oft erkältet.... dann habe ich ihm (ich bin nämlich starke Allergikerin gegen so ziemlich alles und auch mit Neurodermitis und Asthma geplagt) eine Allergietablette angeboten, da es sich EXAKT so angehört hat, wie bei mir, wenn die Gräserpollen mich piesacken. Aber hab ihm auch gesagt, dass er bitte zum Arzt gehen soll. Tatsächlich ist in unser Familie auch eine Veranlagung zur Allergie und ich dachte mir, dass es eigentlich logisch wäre, wenn es bei ihm auch mal zum Vorschein kommt. Wie nämlich auch bei seiner Schwester, bei mir, meinem Bruder....

Der Hausarzt meinte dann auch: "Allergie!" und hat Allergietests angeordnet. Ergebnislos. Ein anderer Allgemeinmediziner meine: "Asthma!" und hat Cortisonsprays verordnet.

Dann hat meine Mutter vor einigen Wochen plötzlich geschrieben, dass sie auf Kur in Bad Gandersheim sind. Als ich gefragt habe, wieso, meinte sie: "Wegen dem Husten von Deinem Papa und ich bin mitgekommen." Ich hatte in wenig ein komisches Gefühl mir aber nichts mehr dabei gedacht..... warum auch? Es war Sommer, ich dachte gerade über einen Berufswechsel nach, meine Tochter war in der 4. Klasse und irgendwie vergehen die Wochen und Tage wie im Flug. Dann war plötzlich der 10. September und meine Eltern wollten uns besuchen. Wir sehen uns leider nicht so oft, da ich und mein Mann selbständig sind, wir in einer anderen Stadt wohnen und immer irgendetwas ist. Zwar liebe ich meine Eltern heiß und innig aber wir alle sind Menschen, die auch gerne alleine sind und nicht so viel Trubel brauchen. Mein Vater scheut Menschen und ist gerne alleine oder mit meiner Mutter zusammen. Ich bin auch nicht so der "Connector" und bin in meiner freien Zeit am liebsten im Wald, beim Spazieren gehen oder mache Sport.

Ich habe mich tatsächlich erschrocken, als ich meinen Vater dann Sonntag gesehen habe. Er war dünner als je zuvor. Seine Wirbel habe ich bei der Umarmung mehr als sonst gespürt und seine Stimme war belegt. Das letzte Mal hatte ich ihn vor 2 Monaten gesehen. Mit Nase hochziehen und räuspern aber mit bestimmt 5 Kilo mehr auf den Rippen. Ich habe vorgeschlagen, dass wir im Café in der Nähe Kuchen essen gehen und Kaffee trinken - aber mein Vater hat abgewunken und meine Mutter meinte auch: "Nein, Deinem Vater geht es nicht so gut. Lasst uns mal hier bleiben!" Mein Papa hat sich mit seiner Enkelin beschäftigt und ich bin kurz ins Wohnzimmer zu meinem Mann um ihm Bescheid zu sagen, dass ich was vom Bäcker hole. Meine Mutter kam hinterher und meinte: "Du, Papa ist krank. Ganz dolle. Er wollte es gar nicht sagen, damit Du Dir keine Sorgen machst aber die Psychologen im Krankenhaus haben gesagt, dass wir es machen müssen! Es ist so: Papa hat Lungenkrebs." Ich dachte, mir wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Ich wusste nicht, wie mir geschah und bin auch jetzt gerade wieder am weinen. ....

Ich weiß auch noch gar nicht so viele Fakten, wie ich gerne wollte. Ich bin dann zu Papa gegangen und habe ihn wortlos umarmt und ihm dann gesagt: "Okay, ich weiß es! Ich geh jetzt Kuchen holen und will dann reden."

Er hat dann erzählt: nachdem er gefühlt hat, dass es nicht bloßes Asthma oder Heuschnupfen ist, hat er einen Termin beim Lungenarzt gemacht und als er dann endlich den Termin hatte, war schnell klar: Tumor in der Lunge. Zwei Tage später war er im Krankenhaus mit dem Satz vom Lungenarzt: "Die im Krankenhaus kriegen Sie schon wieder hin!". OP war erfolgreich, es wurde der Krebs und einige Lymphdrüsen entfernt und auch alle anderen Untersuchungen von Kopf bis Fuß haben ergeben, dass alles "gut" ist.
Danach war er auf Reha in einer Kurklinik. Meine Mutter war mit.

Er soll noch bald eine Chemo bekommen aber im Momente ist er so schwach, dass er diese nicht überleben würde. Wisst Ihr, mein Papa war schon immer ein zäher Hund. Sehnig und schlank und er wusste und weiß so viel, da er eigentlich immer nur liest. Wenn ich Fragen hatte, wegen einem x-beliebigen Thema, braucht ich nur ihn zu fragen. Jetzt ist er so schwach und zerbrechlich wie eine Balletttänzerin. Es tut so weh, ihn so zu sehen.

Ich weiß ansonsten nicht viel, nur dass er normal essen soll wie bisher und sich bewegen soll. Inwiefern dar der sich denn bewegen? Ist alles möglich? Könnte er da nach Gefühl gehen? Oder gibt es Dinge, die Tabu sind?

Ich habe ihn ach der Lebenserwartung gefragt aber er meinte, dass die Ärzte keine Prognose gegeben haben: Er könnte ein Jahr überleben - oder 15. Beim Lesen hier habe ich gemerkt, dass ich diese Einstufung des Tumors herausfinden muss. Ich habe ihm vorhin geschrieben, wann er Zeit hat und dass sich melden soll, wenn er Hilfe braucht oder ins Kino will oder Spazieren gehen - aber er hat geantwortet, dass wir uns nach unserem Urlaub treffen können und es dann bestimmt viel zu erzählen gibt. Innerlich denke ich: "Sch***e, wie soll ich das aushalten? Das sind noch 3 Wochen! ". Was, wenn er in dieser Zeit....? WAS???

Ich weiß gerade nicht wohin, mit meinen Gedanken. Und denke ununterbrochen an ihn. Was für Fragen bezüglich seiner Krankheit sind wichtig für mich als Angehörige? Wie kann ich ihn unterstützen? Er hat zu meiner Mutter gesagt, dass er sein Leben gelebt hat. Was ja eigentlich gut ist und ich schätze ihn auch so ein, dass er ein ausgefülltes Leben hatte. Aber dann kommt dieser Egoismus in mir, der sagt: "Ja, aber ICH will nicht, dass Du weg bist! Und Deine Frau auch nicht! Und Deine Enkelin ebensowenig!"
Gibt es ein gutes Selbsthilfebuch für Angehörige, dass Ihr empfehlen könnt?

Mein Mann sagt: "Komm klar, er lebt doch noch! Du tust so, als ob er morgen beerdigt wird." Bestimmt reagiere ich über aber ich kenne diese Situation nicht, war weder bisher auf einer Beerdigung noch habe ich einen Todkranken begleitet.

Ich bin so sehr über jeden Tipp in jede Richtung dankbar und wünsche jedem einzelnen von Euch alles Liebe und nur das Beste. Das Schreiben tat gut, ich danke Euch so sehr, dass Ihr meine Worte gelesen habt!

Ostseekind
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