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Alt 29.01.2009, 10:38
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: warum dsoll man nie die hoffnung aufgeben?

Hallo Cali,

Zitat:
Zitat von cali60 Beitrag anzeigen
wenn ich bedenke wieviel Kraft es mich gekostet hat mich auf die falsche Hoffnung zu konzentrieren ,wered ich richtig wütend. Ich hätte lieber die Kraft nutzen wollen um die Zeit die uns noch verblieb sinnvoller zu nutzen.
Schwierig. Mit dem statement "die Hoffnung stirbt zuletzt" kann ich als Lebensmotto wenig anfangen. Zumindest ist es nicht meins, mir sind Tatsachen lieber als Hoffnung. Aber damit geht jeder Mensch so um, wie es für ihn in diesem Moment am besten ist. Die Kranken und die Angehörigen.

Wenn man "Hoffnung" mit "die Realität zu einem gewissen Teil ausblenden und sich lieber was Schönes wünschen" umschreibt, dann glaube ich, dass dieses Verhalten für Menschen ganz normal und auch sehr wichtig ist. Wenn wir nicht alle so eine "selektive Wahrnehmung" hätten... dann könnten wir uns - nach einem Blick auf Statistiken - sofort umbringen. Wäre zumindest konsequent, statt in ständiger Angst auf Schlaganfall, Krebs, Verkehrsunfall oder sonstwas zu warten oder gar auf den Lottogewinn zu hoffen ;-) Nee, ich glaube, ohne diese Art von Verdrängung kann niemand (gut) leben.

Ab wann ist Hoffnung "falsch"? Als bei meiner Frau Brustkrebs diagnostiziert wurde, waren die Heilungschancen sehr gut. Bei ihrem Krebstyp und ihrem Alter konnte man zu knapp 70% davon ausgehen, dass sie nach 5 Jahren noch lebt. Schien auch so, gut anderthalb Jahre nach der Diagnose ging es ihr bestens. Dann die Metastasen in Nebenniere und Lymphsystem. Zu Beginn der Chemo im Oktober war klar, dass bei ihrer Befundlage die Wahrscheinlichkeit, dass die Chemo das Leben verlängert, unter 10% beträgt (von Lebensqualität war da gar nicht die Rede). Sind 10% zu wenig zum hoffen? Bei Lungenkrebs liegt die Überlebensquote nach 5 Jahren bei gerade mal 2% - ist das hoffen auf 2% "falsch"? Keine Ahnung, das wird jeder selbst für sich ausmachen.

Als bei meiner Frau die Chemo im November 2008 wegen Erfolglosigkeit abgebrochen wurde, war zu 100% sicher, dass sie in absehbarer Zeit sterben wird. Da war es nun wirklich allen klar. Sie hat das realisiert, und ab dem Zeitpunkt reagierte sie allergisch auf all die "Hoffnungsträger", von denen sie umgeben war. Auf Onkologen, die dann sagen "Wir sind medizinisch noch lange nicht am Ende. Das hängt auch von ihrem Kampfeswillen ab" genau so wie auf Angehörige / Bekannte mit Sprüchen wie "Da darf man die Hoffnung nicht verlieren" oder "Da gibt es doch da und da noch einen Spezialisten, geh' doch mal zu dem".

Meine Frau wollte das nicht und hat ihre letzte Zeit "sinnvoll" genutzt. Keine Chemo mehr, nur noch palliative (Schmerz)Behandlung. Raus aus dem Krankenhaus, um Zuhause zu sterben. Und sich alle Externen, die ihr Märchen erzählen, (mit meiner Hilfe) tatkräfitg vom Leib halten. Das war ihr Weg. Der Vater meines Freundes, der 2008 innerhalb weniger Monate an Lungenkrebs verstorben ist, war da ganz anders. Der wollte bis zuletzt eine medizinische Behandlung und hatte die Hoffnung, dass die Ärzte schon noch etwas tun können. Mit dieser Hoffnung ist er gestorben.

Ich glaube, alle Wege sind da "richtig", wenn der Kranke in seiner letzten Zeit so leben kann, wie er will. Ob er sich nun "etwas vormacht" oder "den Tatsachen in's Auge blickt". Völlig egal. Was für ihn am besten ist, wird er in so einer Extremsituation "instinktiv" tun. Was Angehörige / Freunde denken, finde ich da erstmal nachrangig. Solange sie den Todkranken damit verschonen, ihm ihre gegenteilige Meinung aufzudrücken.

Dir bleibt IMHO nur, es beim nächsten mal anders zu machen. Aber beim nächsten mal, wenn es eines gibt, ist es halt nicht mehr diese Freundin, sondern ein anderer Mensch, der damit vielleicht wieder ganz anders umgeht. Und es liegt nur zu einem kleinen Teil bei dir, da Einfluß auf den Todkranken zu nehmen. Wenn du jetzt wütend wirst, weil du die Zeit nicht "sinnvoller" genutzt hast, ist mir das nachvollziehbar. Aber wäre es wirklich anders gegangen? Im Wesentlichen ging's doch um deine Freundin, und die hat schon das für sie Richtige getan; die Palliativbehandlung. Ich glaube nicht, dass du daran etwas hättest ändern / "verbessern" können, so schnell, wie es nunmal ging. Was hättest du "Sinnvolleres" getan? Mit ihr über ihren Tod geredet? Schon lange vorher mit Trauermiene an ihrem Bett gesessen? Klar, die Fragen sind teils rethorisch und provokant - aber trotzdem ernst gemeint.

Viele Grüße,
Stefan
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