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Alt 04.08.2018, 05:38
lotol lotol ist offline
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Standard AW: Wie kräftezehrend ist eine Lebermetastasen-OP?

Liebe Kamarina,

weil ich Verständnis dafür habe, wie es Dich "herumbeutelt", will ich Dir aus etwas ganz anderen Blickwinkeln evtl. hilfreiche Anregungen geben.
Zumal ich zu Lebermetastasen-OP rein gar nichts sagen kann.

Es ist auch völlig klar, daß sowohl Du, als auch die Ärzte das Wollen Deines Vaters zu respektieren haben; d.h. niemand kann ihn zu igendetwas zwingen, wenn er das nicht will.

Die Frage dabei ist nur die, aus welcher sachlichen Grundlage die Willens-Bildung Deines Vaters sich ergibt.

Und ich denke, Du als seine Tochter, mußt ihm auch v.a. darin beistehen, die richtigen Fragen zu stellen, um zu richtigen Handlungsalternativen kommen zu können.
Denke weiterhin, daß es dazu zunächst auch mal darum geht, Dir selbst Sicherheit darin zu verschaffen, was Du Deinem Vater "guten Gewissens" raten kannst.

Weil Du eine gewisse Distanz zu den Dingen hast, genau so wie die noch viel mehr jeder hat, der Dir hier etwas dazu schreibt.

Zitat:
Aber keine OP ist doch auch keine Option! Mit so schnell wachsenden Lebermetastasen bleiben ihm wahrscheinlich nur Monate, oder? Andererseits will ich ihn auch nicht zu der OP drängen, wenn er nicht will. Und wenn er sie nicht übersteht und ich ihn dazu überredet hab, wird mich das wahrscheinlich ewig verfolgen
Daher zu meiner Fragen: wie kräftezehrend ist so eine Leber-OP?
Wie kräftezehrend eine OP sein kann, können wohl nur Ärzte in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand eines Patienten einordnen.
Ein Patient selbst dürfte wohl kaum in der Lage dazu sein, das sachgerecht einordnen zu können.

Ärzte werden wohl kaum jemand operieren, wenn zu befürchten ist, daß ihnen der "unter dem Messer" dann dabei wegstirbt.
Weshalb sie im Zweifelsfall dann wohl auch lieber einen Patienten der palliativen weiteren Behandlung überlassen werden.

Du selbst wirst Deinem Vater auch wohl kaum zu etwas raten wollen/können, das sich nicht auf Einschätzungen von Ärzten stützen kann.
Allerdings kannst Du die unvoreingenommener als Dein Vater selektieren, womit wir dabei angelangt sind, worum es eigentlich geht:

Nämlich darum, lebensverlängernde Chancen wahrnehmen zu können, so lange das noch möglich ist, und damit meine ich solche, die einer palliativen Behandlung "vorgelagert" sind.
Denn palliative Behandlung läuft erst dann, wenn gar nichts anderes mehr "geht".
Dabei braucht man sich gar keinen Illusionen hinzugeben:
Irgendwann sind sämtliche Möglichkeiten der Ärzte "erschöpft", bei Patienten noch etwas zum "Guten herausreißen" zu können.

Genau genommen "geben" dann Ärzte Patienten "auf" und überlassen sie der Palliativ-Medizin, bis sie halt mehr oder weniger "benebelt" sterben werden.
So hart das klingen mag - nichts anderes ist die praktizierte Realität:
Kapitulation der Ärzte mit all ihrem Arsenal, noch etwas effektiv tun zu können.

Mach Dir also keine Sorgen darüber, Deinen Vater zu etwas zu "überreden", das er derzeit noch tun könnte, wozu aber nach einiger Zeit der "letzte Zug abgefahren" sein könnte.

Sondern erzähl ihm besser, was mir meine Onkologin klipp und klar sagte als ich sie nach der Diagnose "bösartiges Lymphom" fragte, was eigentlich geschehen wird, wenn ich gar nichts (dagegen) tue.

Ihre Antwort dazu war:
Dann sehen wir uns todsicher vielleicht nach einem halben oder ganzen Jahr oder auch noch später wieder.
Allerdings sind Sie dann ebenfalls todsicher körperlich und gesundheitlich nicht mehr so gut beieinander wie das heute noch der Fall ist.

Indirekt signalisierte sie mir damit, daß ich zwar die freie Wahl habe, zu tun was ich will, es aber dennoch angebracht wäre, sofort zu versuchen, meinen Krebs plattzumachen.

War für mich ein absolut stichhaltiges Argument.
Und weil damit sowieso völlig klar war, daß eine Standard-R-CHOP-Therapie "angesagt" war, lehnte ich eine zusätzliche KM-Punktion rundweg ab. Nachdem ich meine Onkologin gefragt hatte, ob irgendein Ergebnis meiner KM-Punktion irgendetwas daran ändern würde, daß eine R-CHOP-Therapie "durchgezogen" werden muß.
Ihre Antwort dazu war "Nein", und wir einigten uns deshalb darauf, die KM-Punktion wegzulassen.

Was sein muß, muß sein, aber überflüssigen Kram kann man auch weglassen.

Zitat:
Zitat von monika.f
Mit den Erfahrungen würde ich keine Angst mehr haben, eine Behandlung wegen Untergewicht nicht durchzustehen. Deswegen sollte sich Dein Vater das mit der Chemo vielleicht noch mal überlegen. Er kann es ja auch einfach mal versuchen, abbrechen geht immer. Ich denke, das ist besser als gar nichts machen. Dann kann man auch besser hoffen!
Das sehe ich exakt genau so:
Größtmögliche Chancen so lange tunlichst wahrzunehmen wie das noch möglich ist.

Mit der Hoffnung auf Erfolg ist das dabei so eine Sache:
Weder handelnde Ärzte, noch Therapien können "Erfolgs-Garantien" bieten, weil im Einzelfall die Voraussetzungen für einen Erfolg viel zu unterschiedlich sind.
Wir alle wissen jedoch (hoffentlich), worin die "Erfolge" der Palliativ-Medizin nur liegen können.
Aus meiner Sicht geht es dabei letztlich nur noch darum, das ganze Elend des nicht mehr abwendbaren Dahinsiechens "mildern" zu können.

Weshalb es sich m.E. auch "lohnt", mit allen Mitteln zu kämpfen, diese (mögliche) Phase unseres Lebens so lange als irgend möglich "hinauszuschieben".

@ Kamarina:
Frag doch einfach mal Deinen Vater, ob er es nicht vorzieht, im Kampf gegen den Krebs mit allen Mitteln evtl. "draufzugehen", bevor er sich auch noch der völlig hoffnungslosen Palliativ-Medizin unterziehen/sich das "antun" muß.
Denn diese Medizin "verwaltet" nur das unabwendbare Elend.
Bis zum bitteren Ende eines individuellen Lebens.

Wobei ich aber gar nicht so genau weiß ob das wirklich bitter ist:
Vielleicht versinkt man ja nur allmählich unter z.B. Morphium-Gaben aus der gewohnt wahrnehmbaren Realität.
Bis die gar keine Rolle mehr spielt und man "unbelastet" davon friedlich stirbt.
Was ja auch gar keine so üble Lösung des zwangsläufigen Ablebens ist.

Wie auch immer das sein mag:
Als Tochter hast Du eine ganz besondere Beziehung zu Deinem Vater.
Nutz die bitte dazu, um zu ihm innerlich vordringen zu können.
Red mit ihm ganz offen und versuch dabei, das herausschälen zu können, was sein wirkliches Anliegen ist.

Wenn Du das nach sämtlichen Abwägungen ganz genau kennst, zieh es gemeinsam mit ihm durch.
Völlig egal, was sonstwer auf der ganzen Welt meint, was derzeit richtig sei.
Nimm dabei ruhig auch eine konträre Position zu Deinem Vater ein.
Sag ihm dabei (vorher) auch, daß Du das nur deshalb tust, um ihm evtl. helfen zu können, restlose Klarheit schaffen zu können, was ihm am besten nützlich sein kann.

Wenn ihr euch darauf geeinigt habt, brauchst Du Dir hinterher niemals innerliche Vorwürfe zu machen, Du hättest Deinen Vater zu irgendwas "überredet".
Darum geht es doch gar nicht.
Sondern viel mehr darum, jemand darin zu bestärken, das Richtige zu tun.

Und Richtiges kann man rein sachlich abwägen.
Auch unter Einbeziehung der Meinung von Ärzten dazu.
Sicher muß jeder für sich selbst entscheiden, was er für richtig hält.
Aber etwas "Schützenhilfe" kann man dabei schon leisten.

Liebe Grüße
lotol
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Krieger haben Narben.
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1. Therapie (2016): 6 Zyklen R-CHOP (Standard) => CR
Nach ca. 3 Jahren Rezidiv

2. Therapie (2019/2020): 6 Zyklen Obinutuzumab + Bendamustin => CR
Nach ca. 1 Jahr Rezidiv, räumlich begrenzt in der rechten Achsel

3. Therapie (2021): Bestrahlung
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