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Alt 09.11.2011, 02:32
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Standard AW: Anaplastisches Astrozytom WHO 3

Hallo Chris,

Es macht mich traurig, dass Du schon mit 24 an einem Hirntumor leidest. Ich habe meinen allerdings schon seit meinem 12. Lebensjahr oder noch früher auch wenn er erst mit 44 durch epileptische Anfälle entdeckt wurde. Jetzt heisst es für Dich kämpfen, wie ich es auch getan habe und noch tue! Ich habe hier in 7 Jahren schon eine ganze Menge geschrieben, was Dir vielleicht auch helfen kann (Behandlungsmethoden bei Hirntumoren). Deshalb werde ich hier nur auf Deine speziellen Fragen eingehen und Du muss auch bedenken, das jeder Fall anders ist, auch wenn es viele Gemeinsamkeiten gibt.

Bist Du sicher, dass Du Dich von einem guten Chirurgen hast operieren lassen? Ich habe bei meinem Rezidiv den ersten Chirurgen abgelehnt, weil er mich zum Krüppel operieren wollte. Er hat mir vor der OP bei seinen Arztvisiten auf den Kopf gesagt, dass ich auf jeden Fall nach der OP grosse Probleme mit meinem linken Arm haben würde und wollte auch nicht ein funktionelles MRT machen, da man ja eh wusste wo die Motorikzonen lägen... Ich habe dann zu der Stadtionsärtzin gesagt, dass ich mich dann nicht operieren lassen wolle. Sie hat mir geantwortet, dass es gut wâre Curcuma einzunehmen und grünen Tee zu trinken. Aber dass würde angesichts der Grösse des Tumors nicht reichen. Sie wolte mal sehen, was sie da machen könnte. Am nächsten Tag hatten sie den Chirurgen gewechselt. Der hat mir dann gesagt, dass mein Fall zwar schwierig aber nicht hoffnungslos sei. Ich hätte 15 % Risiko nach der OP links teilweise oder ganz gelähmt wäre, die Hälfte davon könnte durch Krankengymnastik zurück geführt werden. Das war natürlich ein anderer Diskurs und ich hab mich dann von dem Chirurgen operieren lassen und das funktionelle MRT wurde auch gemacht. Der erste Chirurg wollte wohl das funktionelle MRT nicht machen, weil es nur einen Radiologen an der Uniklinik gab, der die funktionellen MRTs am Freitag nachmittag nach den "normalen" MRTs machte und meine OP sollte schon am Donnerstag stattfinden...

Nach der OP hab ich den ersten Chirurgen wiedergesehen und ihm meinen quasi voll funktionsfähigen linken Arm gezeigt. Seine Antwort wortwörtlich: Ich glaube, es war gut, dass ich sie nicht operiert habe... Das heisst also, dass ich heute höchst wahrscheinlich ein Krüppel wäre, wenn ich mich vom ersten Chirurgen hätte operieren lassen...

Ich hatte vor dem Rezidiv emotional etwas schlimmes durchgemacht und denke, dass dies eine massgebliche Rolle bei der Entstehung des Rezidivs gespielt hat. Mir war ein Jahr nach der ersten OP (Einplanzung radioaktiver Kapseln, da niemand operieren wollte) schon eine neue Spitze aufgefallen, die mir nicht gefiel, sich aber über 4 Jahre ruhig verhalten hat, bis zu der grossen emotionellen Enttäuschung... Im Nachhinein war das Rezidiv aber ein Glücksfall, da die Churgie mit 5-ALA, etc. so weit fortgeschritten war, dass man mir den Tumor "komplett" hat entfernen können. Seidem weiss ich,dass ich schon mit 12, 13 einen Tumor hatte, da ich jetzt nach und nach viele Bewegungen besser oder zum ersten Mal machen kann als früher. Ausserdem konnte ich langsam mein Antiepileptikum absetzen, was ich nach 7 Jahren mit nie für möglich gehalten hätte. Ohne mein Rezidiv würde ich immer noch Antiepileptika nehmen und könnte viele Bewegungen mit links immer noch nicht machen. Deshalb bin ich trotzdem sehr froh, dass ich durch die emotionelle Enttäuschung ein Rezidiv bekommen habe, auch wenn das seltsam klingen mag...

Bei mir ist IDH nicht mutiert und ich lebe jetzt schon fast zweieinhalb Jahre ohne Rezidiv, was für ein Glioblastom nicht schlecht ist. D.h., auch wenn staistisch gesehen, eine Tendenz da ist, ist jeder Fall ein Einzelfall.

Man kann heute nach 2 und mehr Jahren nochmal bestrahlen. Allerdings musst Du bei einer Rebestrahlung mit Ablenungen rechnen, wie es mir passiert ist. Nur da, wo ich zum ersten Mal bestrahltworden bin, war man bereit noch mal eine Strahlentherapie zu machen.

Ich bin der Ansicht, dass längerer starker Stress und/oder eine grosse emmotionelle Enttäuschung ein Tumorwachstum fördern können, aber nicht die ersten Tumorzellen produzieren. Die dürften bei der spontanen Zeillteilung entstehen Jeder, der arbeitet macht Fehler, manche banal, andere gravierend. und dies dürfte bei der Zellteilung genauso sein, wahrscheinlich heute häufiger durch unser Giftnahrung, Alkohol, Rauchen, etc. Ich habe nach dem Lesen von Büchern über die Zusammenhänge von Neurologie, Psychologie und Krankheiten mein mittlerweile 50 jâhriges Leben reanalysiert und festgestellt, dass sich während jeder der 3 längeren depressiven Phasen meines Lebens sich der Tumor stärker gemerkbar gemacht hat. Dass kann auch für mich als studierter Naturwissenschaftler eigentlcih kein Zufall mehr sein...

Ich habe also meine Einstellung zum Leben wie auch meine Ernährung
(weniger Fleisch und Zucker und mehr Obst, Gemüse und Fisch) stark geändert und profitiere so gut es geht von jedem Tag, auch wenn ich vielleicht keine 89 werde, wie mein Vater... Seitdem ich dies geändert habe, geht es mir beser und besser, auch wenn ich manchmal noch merke, dass ich nicht geheilt bin...

Langes Post, kurzer Sinn: Du must natürlich Deinen eigenen Weg finden, aber ich hoffe, Du siehst, dass es sich lohnt zu kämpfen!!! Z.B. war ich bei meinen jährlichen "Milestones" wie meinem Geburtstag, dem Dorffest oder Weihnachten in meinem Alter immer ein bisschen traurig, dass ich wieder ein Jahr älter wurde. Jetzt sag ich mir, Du hast es noch ein Jahr länger geschafft, mit den sicher noch in irgendwelchen Ecken vorhandenen Resttumorzellen ein trotz gewisser Einschränkungen ein lebenswertes Leben zu führen.

Wenn Du nach dem Lesen meines Threads noch Fragen hast, frag ruhig.

Viele Grüsse aus Paris,

Kai-Hoger