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Alt 29.08.2008, 18:47
Lea S. Lea S. ist offline
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Standard AW: Witwenrente abgelehnt ...

Liebe Conny,

Du hast sicher schon reichlich recherchiert und kennst vermutlich die folgende Rechtsprechung

1. gefunden über Google aus MDR Info:

Witwenrente auch nach Kurzehe möglich

(Sozialgericht Koblenz, Az.: S 6 KNR 16/05)

"Emilia Eisenbrenner hatte ihren Egon schon lange angehimmelt, bis er ihr den Heiratsantrag machte. Sie zögerte eine Weile, schließlich waren sie nicht mehr die Jüngsten. Dass Egon krebskrank war, spielte in Emilias Überlegungen keine Rolle. Die letzten Befunde sahen gut aus, beide gingen davon aus, dass er wieder gesunden würde. Also sagte sie: "Ja". Doch schon drei Wochen nach der Hochzeit starb Egon. Zu allem Überfluss wurde ihr auch noch die Witwenrente verweigert, sie habe von der Erkrankung gewusst und sei eine Versorgungsehe eingegangen. Emilia war außer sich. Das Sozialgericht Koblenz musste entscheiden.

Eine Witwe kann auch nach einer Ehe von nur knapp drei Wochen Anspruch auf eine Witwenrente haben. Zwar schließt das Gesetz bei so genannten Versorgungsehen einen Rentenanspruch aus. Dieser Pauschalverdacht kann aber im Einzelfall widerlegt werden.

Die Richter jedenfalls nahmen Emilia ab, dass sie von Egons Genesung überzeugt war. Außerdem verfügte sie über eine eigene Rente von knapp 1000 Euro und war damit kein typischer Versorgungsfall."

2. gefunden über Google

Gericht: Witwe bekommt bei Versorgungsehe keine Rente ddp

"Dortmund/Bochum (ddp-nrw). Eine Witwe hat keinen Anspruch auf Rente aus der Versicherung ihres Ehemannes, wenn dieser unheilbar krank war und die Heirat erst kurz vor seinem Tod erfolgte. Dies entschied das Sozialgericht Dortmund in einem am Montag veröffentlichten Urteil.

Das Gericht wies damit die Klage einer 69-jährigen Rentnerin aus Bochum zurück, die ihren 74 Jahre alten, krebskranken Lebensgefährten acht Tage vor dessen Ableben bei einer standesamtlichen Notfalltrauung am Krankenhausbett geheiratet hatte. Die Deutsche Rentenversicherung Westfalen war deshalb von einer Versorgungsehe ausgegangen und hatte die Zahlung einer Witwenrente verweigert.

Dagegen hatte die Witwe geklagt und geltend gemacht, dass sie frühere Heiratsanträge des Lebenspartners abgelehnt habe. Erst als die unheilbare Erkrankung bekannt geworden sei, habe sie seinem Drängen, die langjährige Beziehung zu legalisieren, nachgegeben. Zudem habe sie ihren Freund bereits vorher drei Jahre lang betreut und gepflegt.

Das Sozialgericht betonte jedoch, die seit 2002 geltende gesetzliche Vermutung, dass bei Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel der Trauung war, sei nicht widerlegt worden. Die Ehe sei erst geschlossen worden, nachdem Gewissheit über den tödlichen Verlauf der Krebserkrankung bestanden habe. Darüber hinaus habe der Versicherte eine deutlich höhere Altersrente bezogen als seine Gattin."

(Az: S 34 RJ 219/04)

3. über Google:

Sozialgericht Würzburg: Witwenrente zuerkennt

"Das Sozialgericht Würzburg hat einer 61 Jahre alten Frau aus dem Landkreis Kitzingen die Witwenrente zuerkannt, obwohl die Ehe der Frau weniger als ein Jahr gedauert hatte und die Landesversicherungsanstalt (LVA) Saarland die Gewährung der Rente abgelehnt hatte, weil eine "Versorgungsehe" zu vermuten sei.

Maßgeblich ist eine seit Anfang 2002 geltende Rechtsvorschrift, wonach grundsätzlich kein Anspruch auf eine solche Rente besteht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat. Mit dieser Vorschrift sollten die Rentenkassen von Zahlungen für Ehen entlastet werden, deren überwiegender Zweck es ist, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen.

Im vorliegenden Fall war der Ehemann der Klägerin nur wenige Tage nach der Eheschließung gestorben. Das Sozialgericht Würzburg berücksichtigte, dass die beiden seit 14 Jahren eine eheähnliche Gemeinschaft geführt hatten und die Witwe eine eigene Rente bezog. "Eine ausreichende eigene Versorgung des Hinterbliebenen ist grundsätzlich geeignet, die Rechtsvermutung einer so genannten Versorgungsehe zu widerlegen" meinte das Gericht in der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung (Az.: S 8 RJ 697-02).

Nothochzeit mit todkrankem Partner begründet keine Witwenrente

Seit Anfang 2002 besteht kein Anspruch mehr auf Witwen- oder Witwerrente, wenn eine sogenannte Versorgungsehe vorgelegen hat, deren alleiniger oder überwiegender Zweck in der finanziellen Absicherung des Partners besteht. Eine Versorgungsehe wird regelmäßig vermutet, wenn der Ehegatte innerhalb eines Jahres nach der Hochzeit stirbt. Aus diesem Grund versagte der 2. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (L 2 R 220/06) einer Witwe aus Frankfurt die von ihr begehrte und von der Rentenversicherung abgelehnte Witwenrente. Die Frau hatte ihren langjährigen Lebenspartner einen Monat vor dessen Tod geheiratet. Sie gab an, es hätten schon lange Heiratspläne bestanden und mit dem Tod ihres Partners sei so schnell nicht zu rechnen gewesen. Sie habe sich als Ehefrau eine bessere Mitbestimmungsmöglichkeit bei medizinischen Entscheidungen, die ihren Mann betrafen, versprochen. Die Versorgung durch eine spätere Witwenrente habe bei den Überlegungen zur Eheschließung keine Rolle gespielt. Die vom Gesetzgeber vermutete Versorgungsabsicht bei kurzer Ehedauer kann durch besondere Umstände widerlegt werden, etwa durch einen plötzlichen Unfalltod oder ein Verbrechen. Ob der Tod des Ehepartners aber überraschend kam und nicht absehbar war, hätte die Witwe beweisen müssen – etwa durch Entbindung der behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht. Da sie hierzu nicht bereit war, konnte der Eindruck einer Nothochzeit mit einem todkranken Mann nicht ausgeräumt werden. Insofern war ein Anspruch auf Witwenrente abzulehnen."

Und, wie so häufig, ist es interessant, mal in die Entscheidung - soweit öffentlich verfügbar - hineinzusehen, siehe http://web2.justiz.hessen.de/migration/rechtsp.nsf/6C94F72F99FE1AC0C125728100485BE4/$file/2006-12-13-L-2-R-0220-06...pdf

Das Gericht setzt sich ausführlich damit auseinander, dass die Klägerin in diesem Fall nicht eingewilligt hat, dass ärztliche Stellungnahmen aus dem Zeitraum zwischen Heirat und Tod eingeholt werden konnten. Der Umstand, dass die Klägerin die Eheschließung u.a. damit begründet hat, dass sie an "intensivmedizinischen Entscheidungen bei Verschlechterung der Erkrankung" habe mitwirken wollen, wäre eher als weiterer Hinweis auf ein baldiges Ableben des Ehegatten zu bewerten.

4. und aus www.rententips.de:

"Versorgungsehe

Als Versorgungsehen werden Ehen bezeichnet, die noch kurz vor dem Tod eines schwer Erkrankten werden. Der überlebende Ehegatte wäre nach dem Tod des Versicherten durch eine Hinterbliebenenrente versorgt. Aus diesem Grunde entsteht bei Ehen, die nach dem 31.12.2001 geschlossen werden erst dann ein Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente, wenn die Ehe mindestens ein Jahr angedauert hat.

Diese Mindestdauer gilt nicht, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat nicht war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen."

5. und auch im KK bin ich fündig geworden:

http://www.krebs-kompass.org/forum/a...hp?t-3142.html mit folgendem Beitrag:

"Hallo Marion,
mit etwas Geschick kannst Du tatsächlich Anspruch auf Witwenrente haben. Daggie hat Dir ja die gesetzlichen Grundlagen bereits gut erläutert. Sollte es zunächst zu einer Ablehnung kommen, lege bitte Widerspruch ein. Es gibt bereits Urteile (Sozialgericht Hamburg rechtskräftiges Urteil
S 36 U 158/00
, betrifft zwar gesetzliche Unfallversicherung, gilt aber auch entsprechend in der Rentenversicherung) dazu, wann eine vermutete Versorgungsehe widerlegt ist:
- feste Heiratsabsichten bereits vor dem Bekanntwerden der Krankheit. Hier helfen zum Beispiel Zeugenaussagen von Bekannten, Verwandten, Arbeitgeber (Urlaubsanmeldung), Anmeldung beim Standesamt lässt sich belegen
- zum Beispiel wechselseitige Bankvollmachten belegen eine eheähnliche Gemeinschaft, gemeinsame Verfügungen hinsichtlich Testament o.a.
- das Zusammenziehen belegt auch die Absicht, eine Ehe einzugehen, denn man führt dann bereits eine eheähnliche Gemeinschaft
- der schnelle Verlauf der Erkrankung war Dir/Euch nicht bekannt (Ärzteaussagen usw.) Auch mit dieser Krankheit musste es nicht zwangsläufig zu diesem schnellen Tod kommen.
Das sind einige Gründe aus dem obigen Urteil." Anmerkung dazu: Die Gründe sind interessant. Allerdings stammt das Urteil aus einer Zeit vor der jetzt geltenden Gesetzeslage.


Soviel erstmal zur Schnellrecherche. Was sagt uns das?

Meine Einschätzung:

1. Sicher ist: Nach einem Jahr Ehe gibt es Anspruch auf Witwenrente ohne Prüfung, ob etwa eine Versorgungsehe vorliegt. Wenn also von einem Versterben "in absehbarer Zeit" die Rede ist, kann es sich hier doch nur um einen erwarteten sehr kurzen Überlebenszeitraum handeln.

Natürlich verkürzt ein Rezidiv oder Metastasen im Allgemeinen die Lebenserwartung, aber "absehbar" hieße doch, dass schon bei der Hochzeit mit dem sehr baldigen Tod des Erkrankten zu rechnen war. Das erscheint mir in Anbetracht moderner medizinischer Möglichkeiten nicht so leicht feststellbar zu sein. Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass auch MIT der Erkrankung und MIT Metastasen ein langjähriges Überleben möglich ist. Habe gerade das Antikrebsbuch von David Servan-Schreiber gelesen, der von mehreren Fällen jahrelangen Überlebens auch schwer Krebskranker berichtet.

2. Es gibt Indizien für die Widerlegung einer Versorgungsehe: Die eigene wirtschaftliche Absicherung des Überlebenden ist so, dass die Witwenrente nicht ohne weiteres als ausschlaggebend angesehen werden kann.

Weiterhin: Es musste bei der Eheschließung nicht davon ausgegangen werden, dass der Ehepartner binnen weniger Monate sterben würde. Das wiederum wird sich nur anhand der ärztlichen Beurteilungen belegen lassen, für die diese Ärzte von der Schweigepflicht entbunden werden müssen (hatte die Klägerin im hessischen Fall nicht gemacht). Gemeinsame Lebensorganisation - und zwar nicht im Hinblick auf ein nahes Ende - dürfte ebenfalls gegen eine Versorgungsehe sprechen.

Urteile können übrigens - gegen Erstattung der Kopiergebühren - direkt von den betreffenden Gerichten angefordert werden.

So. Ich habe das hier in verallgemeinerungsfähiger Form aufgeschrieben. Besprich dies mit Deiner Rentenberaterin. Sollte ein Widerspruch erfolglos bleiben und Klage erhoben werden müssen, solltest Du einen Fachanwalt für Sozialrecht hinzuziehen.

4. Ich möchte an dieser Stelle für die anderen Leser auch anmerken, dass Conny44 sich schon seit langem und sogar noch nach dem Tod von Jörg ganz unglaublich im Forum für Bauchspeicheldrüsenkrebs engagiert und schon vielen dort, gerade auch neu Hinzugekommenen, Informationen und die so wichtige Sympathie entgegenbringt, die für Betroffene und ihre Angehörigen bei der verzweifelten Suche nach Informationen und Austausch so wichtig sind. Ein wesentlicher Grund für mich, mich hier so ausführlich zu äußern. Danke Conny, hier stellvertretend für viele andere, für DEIN Engagement im BSDK-Forum!

Und ich möchte noch etwas anmerken: Versorgungsbezüge wie z.B. die Witwenrente sind gesetzliche Ansprüche und nicht etwas, das man freundlicher Weise erhält oder auch nicht erhält. Rente ist kein staatlicher Gnadenakt, auch wenn es einem manchmal so vorkommt. Klar müssen Ansprüche geprüft werden, das ist sogar die Pflicht der Rentensachbearbeiter. Aber: der Gesetzgeber hat nun mal nicht einfach festgelegt, dass es vor Ablauf eines Ehejahres keine Rente gibt und Punktum. Nein. Dem Gesetzgeber war klar, dass Gesetze eben nicht einfach das Leben abbilden können, das ja nun einmal sehr viel vielfältiger ist. Und hat deshalb gesagt: Wir vermuten zwar, dass es sich in diesem Fall um eine sog. Versorgungsehe handelt, geben aber die Gelegenheit, diese Vermutung zu widerlegen. Einen Antrag auf Witwenrente bei kurzer Ehedauer zu stellen, ist also weder anrüchig noch sonstwie zu kritisiern.

Mutmaßungen wie hier sinngemäß gefallen sind "na, man weiß ja nicht, ob nicht doch ..." oder "hast Du nichts Besseres zu tun ..." finde ich ehrlich gesagt - völlig neben der Kapp.

Alles Gute, Lea

Geändert von Lea S. (29.08.2008 um 18:55 Uhr)