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Alt 29.08.2003, 15:59
Gast
 
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Standard Was kann ich für meine Mutter tun?

Hallo Ihr Beiden,

Liebe Ulli,

ich denke, es ist schwer, erstmal damit klarzukommen, wenn der Zurückgebliebene plötzlich einen neuen Partner hat. Aber ich glaube, genau so etwas ist zu jedem Zeitpunkt schwer, ob es nun Jahre danach, oder eben nur ein paar Monate danach ist. Ich finde deine Einstellung hierzu gut. Ich denke, niemand sollte sich herausnehmen, hierüber zu urteilen, denn wenn ich eins gelernt habe, dann ist es das, dass man Dinge plötzlich ganz anders sieht oder beurteilt, als man je geglaubt hat. Plötzlich ist man auch in der Lage Dinge zu tun, die man nie von sich erwartet hat. Ich z.B. hätte mir vor Papas Tod niemals vorstellen können, unser Haus zu verkaufen oder zwei Monate nach seinem Tod in den Urlaub zu fahren, oder eben überhaupt, einem normalen Alltag nachzugehen, aber es geht – es muss gehen!

In punkto neuer Beziehung denke ich, dass man mit dem Alter und - vor allem nach einer langen glücklichen Beziehung - eine andere Einstellung zum Thema Liebe und Partnerschaft bekommt. Deine Mama wird immer die entscheidende Frau im Leben deines Vaters bleiben. Nur beginnt ja jetzt für ihn - ungewollt - etwas anderes und neues. Wahrscheinlich ist die Frau, die er neu kennen gelernt hat, für ihn eine Art Halt, mit dem er den schweren Verlust einigermaßen überwinden kann. Es geht ja hier nicht um „Vergessen“, sondern um einen neuen Abschnitt in seinem Leben. Schön, dass die Frau dann noch so verständnis- und rücksichtsvoll ist.

Hilft es dir denn auch ein wenig, dass dein Papa jemanden gefunden hat? Ich meine, weil deine Angst und Sorge um ihn, damit vielleicht auch ein wenig kleiner geworden ist? Meinst du Männer trauern anders als Frauen? (Komische Frage, aber ich hab mir manchmal die Frage gestellt, wie es anders herum gewesen wäre – ich habe den Eindruck, dass meine Mama als Frau das besser verarbeiten kann – aber ich weiß es nicht, wahrscheinlich ist es auch so etwas, was man nie beurteilen kann)

Bis bald und liebe Grüße (und ein hoffentlich nicht zu verregnetes Wochenende)

Liebe Flo,

ich kann so gut nachvollziehen, wie es dir geht. Genauso ist es bei uns momentan auch. Ich glaube, dein Chef hat wirklich zu einem großen Teil Recht. Es ist wie ein Rollentausch. Plötzlich geht es mir so, dass ich denke, dass ich die volle Verantwortung für meine Mama habe. Ich muss dafür sorgen, dass sie diese Zeit übersteht und es ihr gut geht. Bei uns ist es auch manchmal tatsächlich so, dass ich sie damit überfordert. Einmal, als ich sie nicht erreichen konnte, hatte sie letztendlich fast zehn Anrufe in Abwesenheit auf ihrem Handy. Mir war ganz schlecht vor Sorge, dabei war sie mit einer Bekannten Kaffeetrinken und hatte nur das Handy vergessen. Sie kam sich damals wohl schon ein klein wenig kontrolliert vor. Zudem ist sie manchmal auch der Meinung, dass ich ihr gar nichts mehr zu traue, weil ich immer sage, mach das nicht alleine, ich komme und wir helfen dir. Ich merke das meist nicht, wenn ich sie damit überfordere. Ich bloß, dass es ihr gut geht. Aber dein Chef hat schon recht, es ist eigentlich nicht unsere Aufgabe, das Leben unsere Mütter (oder Väter) zu managen, wir können nur versuchen, da zu sein und zu helfen. Aber du hast ganz recht, auch wenn man sich rational dies allem bewusst ist, so ist es trotzdem noch ein weiter Weg, es auch umzusetzen. Aber ich arbeite daran.

Es ist gut, dass deine Mama Freundinnen hat, die zu ihr stehen. Bei meiner Mama ist das etwas komplizierter. Sie hat auch viele Bekannte (auch engere), aber nur ein ganz geringer Teil – eigentlich fast niemand - ist Ansprechpartner, wenn es ihr schlecht geht. Anfangs haben noch ein paar gefragt, wie es ihr geht, dass lässt langsam nach. Zum Teil ist das auch auf Mama zurückzuführen, denn immer wenn jemand fragt, tut sie ganz stark und sagt, dass es okay ist und sie damit zurechtkommt. Ich glaube, für viele ist das eine willkommene Antwort, denn eigentlich fragt niemand wirklich weiter. Es kann daran liegen, dass keiner von ihren Bekannten so etwas durchgemacht hat. Deswegen finde ich es auch so wichtig, wenn sie wirklich mal mit jemanden sprechen würde, der in der gleichen Situation ist wie sie. Im Moment möchte sie das aber alles nicht. Das akzeptiere ich, und ich bin schon froh, dass sie versucht was mit Bekannten zu unternehmen.

Es ist schon erstaunlich, wie sich das alles gleicht. Auch ich habe mich verändert. Man sieht viele Dinge in einem ganz anderen Licht. Ich merke auch, wie ich manchmal innerlich den Kopf schüttle, wenn sich Leute über banale Sachen aufregen oder Dinge sagen, ohne vorher drüber nachzudenken, ob man damit jemanden verletzen könnte. Aber vermutlich war ich vorher teilweise auch so. Ich nehme jetzt Dinge sehr viel bewusster wahr. Auch für mich hat mein Arbeitsalltag einen anderen Stellenwert bekommen, ich versuche einfach Sachen, die mich früher maßlos aufgeregt oder gestresst haben nicht mehr an mich rankommen zu lassen. Tja, und dann die Sachen mit den Gefühlen. Da kann ich dir nur raten, dir Zeit zu geben. Es ist erst fünf Wochen her, dass ist alles noch viel zu frisch. Vor allem versuche, dich nicht ständig zu verbiegen. Dein Körper und dein Geist verarbeitet das genau so, wie es für dich richtig und notwendig ist. (Leicht gesagt, nicht wahr…) Bei mir war es am Anfang ganz genauso, am liebsten hätte ich mich nach der Arbeit sofort ins Bett gelegt, und gewartet, dass es wieder morgens wird. Ich konnte mich zu nichts aufraffen, und nach jedem Lachen oder einem kurzen guten Gefühl hätte ich weinen können, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte. Es gab Tage – und die gibt es heute immer noch – da war ich aus dem nichts heraus unendlich traurig und wehmütig. Ich kann mich noch erinnern, dass ich es nicht ertragen konnte, als mein Freund nach Monaten eine Comedy-Sendung anschaute und auch noch lachte. Ich bin völlig hysterisch geworden, und habe ihn angeschrieen. Ich habe großes Glück, dass mein Freund super verständnisvoll ist, trotzdem war es auch für unsere Beziehung eine ganz schlimme Zeit. Ganz langsam wird das auch alles wieder besser, d.h. man fängt auch wieder an, die schönen Dinge zu genießen und versucht zu leben! Mein Freund hat damals auch mit Freunden geredet, die schon in der gleichen Situation waren, d.h., die auch mit Frauen zusammen waren, von denen ein Elternteil gestorben ist. Ich glaube, ein Stück weit hat ihm das geholfen, einfach weil er gesehen hat, dass eben andere auch so reagiert haben. Der Partner ist in solchen Momenten oft einfach bloß hilflos und weiß nicht, was zu tun ist. (Genau so geht es uns ja mit unseren Müttern auch manchmal). Vielleicht würde das deinem Mann auch helfen? Könnt ihr den darüber reden oder hat er vielleicht einen Freund oder Bekannten, mit dem er reden kann?

So, für dich aber jetzt erstmal ein ganz schönes Wochenende mit deiner Mum!!

Freu mich wieder von Euch zu hören.

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende.

Cas
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