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Alt 25.10.2017, 13:33
Kathi79 Kathi79 ist offline
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Standard AW: Vati mit Adeno-CUP, Metastasen in Leber und Lunge

Und wieder sind ein paar Tage vergangen. Leider geht es meinem Papa schlechter. Er möchte nicht mehr aufstehen. Das umsetzen in den Rolli ist für ihn wahrscheinlich wie für uns ein 100m-Lauf. Er liegt nun wirklich den ganzen Tag im Bett.

Tagsüber schläft er meist. Zwischendurch ist er kurz wach und möchte trinken. Er hat oft Durst, verschluckt sich dann aber oft beim Trinken. Wir haben vom Brückenteam Andickpulver für Flüssigkeiten empfohlen bekommen, das mag er aber nicht. Abends wird er dann unruhig und muss viel husten. Er ist dann wach, schaut aber in die Luft. Er möchte nicht sprechen und so entsteht auch bei uns die berüchtigte Sprachlosigkeit. Wir sind alle in einem Raum, aber Papa schaut nur vor sich hin. Wenn ich ihn anspreche, reagiert er direkt auf mich, aber er möchte sich nicht unterhalten. Worüber auch? Mir macht das zu schaffen. Dabei wird die verstreichende Zeit so deutlich. Ich möchte ihm gerne sagen, dass ich ihn lieb habe und wofür ich ihm dankbar bin, aber ich möchte ihm andererseits nicht ungewollt diese tiefgründigen Sätze aufzwingen, weil ich glaube, das erinnert ihn an sein Ende. Und das steht bevor, aber wie ich glaube nicht heute oder morgen. So schlimm wie es klingt, aber dafür ist noch zu viel Leben in ihm.

Am Montag Abend hatte mein Papa das erste Mal Atemnot. Es ist ein schwecklicher Anblick. Er schnappte mit offenem Mund und aufgerissenen Augen nach Luft. Nach telefonischer Freigabe vom Brückenteam gaben wir ihm Fentanyl als Schmelztablette. Das hat nach etwa 15 Monuten geholfen. Die Atmung wurde flacher und er konnte wieder nur durch die Nase atmen. Das Brückenteam ist ein Segen. Man kann es nicht anders sagen.

Ich versuche, mich nun immer nur auf den jeweiligen Tag zu konzentrieren. Wenn ich anfange, darüber nachzudenken, wie die Zukunft ohne meinen Vati sein wird, breche ich in Tränen aus. Er wird in so vielen Situationen fehlen.
Aber irgendwie habe ich mich innerlich auch schon ein bißchen von der gemeinsamen Zeit verabschiedet. Er wird nicht mehr gesund. Das ist angekommen. Bei mir, und auch bei meiner Mama. Nun steht uns wirklich "nur" noch der Abschied bevor. Ab der nächsten Woche gehe ich wieder arbeiten. Irgendwie wünsche ich mir, mein Vati stirbt vorher, damit meine Mama in diesem Moment nicht alleine mit ihm ist. Und dann denke ich "sowas kannst du doch nicht wünschen". Es bleibt ein Auf und Ab der Gefühle. Und ganz oft muss ich nun an meinen eigenen Tod denken. Wie wird er sein? Werde ich bei meiner Familie sein? Sterbe ich auch an Krebs?

Alles Scheiße.
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LG Kathi
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