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Alt 24.10.2002, 09:46
Gast
 
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Standard Dem Brustkrebs den Schrecken nehmen

Guten Morgen, liebe Cornelia,

ich habe aufmerksam Deinen Bericht gelesen und bin deshalb erschüttert, weil ich diese Erfahrungen nicht gemacht habe. Mir haben Ärzte zugehört, ich bekam Auskunft, ich fühlte mich nie abgeschoben oder schlecht informiert (natürlich liegt es auch an einem selbst, über Literatur und Internet und Medien alle nur denkbaren Einkünfte einzuholen - was Du ja auch getan hast).

Auf dieser Suche nach dem besten Weg - und er ist genauso individuell wie jeder Mensch - kann man negative Erfahrungen und auch sehr beglückende sammeln. Dass Deine Visite bei der Katholischen Kirche von Dir so negativ aufgenommen wurde, ist einerseits verständlich, andererseits sehe ich es so: Krebs schaut nicht nach dem Alter. Und in die Gemeinden laufen nun mal ältere Menchen, die dort seit Jahren ihre Freunde haben und sich aufgehoben fühlen. Sieh es einmal positiv, dass Du so viele "Ältere" gesehen hast. Denn es zeigt Dir, dass sie den Krebs in einer schon fortgeschrittenen Lebenszeit, im Herbst vielleicht, bekommen haben. Und glaube nicht, dass die Bewältigung dann leichter ist. Denn alte Menschen haben schon viel Tauriges hinter sich, schmerzliche Verluste durch Tod und Krankheit. Und ein Kaffeekränzchen klingt lächerlich, ist es aber nicht. Das gute alte Kaffeekränzchen ist nichts anderes, als eine hervorragende Art der Kommunikation. Ich erinnere mich an meine Mutter (sie lebt nicht mehr und war selbst Ärztin). Auch sie ging eisern 1x wchtl. in ihre ev. Gemeinde, half dort beim Stopfen und Ausbessern für arme Menschen (ja, so was gab es damals noch) und traf sich darüber hinaus mit sehr netten und gebildeten Damen in einem Café. Ihr tat das gut. Das TUN tut gut (siehe Erich Kästner).

Du schreibst, Gott habe Dir nicht geholfen. Das ist ein harter Satz. Hat er nicht vielleicht diesen alten Damen bereits sehr viel geholfen?

Ich verstehe Deinen Frust, aber es gibt auch Selbsthilfegruppen, wo sich nicht nur alte Menschen treffen, wo -wie im Leben überhaupt- alle Altersgruppen vertreten sind. Dass Frauen außerhalb der großen Städte benachteiligt sind, weiss ich. Die traurigen Fälle, wo eine Brust nur deshalb abgenommen wird, weil es in kleinen Orten keine Möglichkeit der Therapie wie Bestrahlung etc. gibt, sind bekannt und anzuklagen.

Ich denke, dass Du durch verschiedene Stadien laufen wirst, bevor Du Deinen eigenen Weg gefunden hast. Erst an einer Krankheit, die mit Ohnmacht und so viel Angst verbunden ist, merkt man, was man selbst alles tun muss und fühlt sich oft verlassen. Durch Deine Wut und das Wahrnehmen der Missstände hast Du bereits den wichtigen Schritt getan, um Dich selbst zu informieren, um Hilfe zu finden (Psychotherapie).

Ob es uns gelingt, dem Brustkrebs den Schrecken zu nehmen, bezweifle ich. Es gibt keine Krankheit ohne Schrecken. Aber es gibt sehr wohl Hilfe. Und was ganz Wichtiges, was ich immer wieder festgestellt habe: Ärzte sind "nur" Menschen, auch sie brauchen Lob, Anerkennung und Zuspruch. Wenn man in einem Arzt auch den Menschen sieht, auf ihn zugeht mit vernünftigen Fragen, kommt meist die entsprechende Hilfe zurück und sei es, dass man an die richtige Stelle weitergeleitet wird.

Vor wenigen Jahren gab es weder einen Chat noch ein Forum. Die Frauen waren wirklich auf das angewiesen, was man ihnen sagte. Heute mußt Du Dich nicht in Bibliotheken vergraben, Du kannst Vorträge über Brustkrebs besuchen, Dich im Internet kundig machen, eine Anzeige in der Zeitung aufgeben und nach Gleichgesinnten suchen, selbst Deine Hausärztin nach Frauen fragen, die Ähnliches erleben wie Du. Uns stehen heute unheimlich viele Möglichkeiten offen, der Patient ist doch mündiger geworden. Dass es natürlich Fehler auch von ganz oben gibt, klar. Aber in anderen Ländern ist es nicht viel anders und wir müssen das BESTE daraus machen. Wir müssen also in der schwersten Phase auch noch kreativ sein und darin habe ich oft sogar eine Chance gesehen.

Ich spreche aus Erfahrung. Ich habe vor 12 J. Dickdarmkrebs gehabt, dazwischen einen schweren Knieunfall, der mich anderthalb Jahre auf Krücken gehen ließ. Falsche Diagnose, falsche OP. Dazwischen noch andere Geschichten, bis ich in diesem Mai an Brustkreb operiert wurde.

Ich hatte das Glück, dass sich um mich lauter kleine Fenster auftaten, angelehnte Türen, hinter denen sich kleine Wunder verbargen.

Ich denke, dass Du es schaffen wirst, denn Dein Zorn wird Dich weiterbringen und Anstoß sein für viele andere, die nicht den Mund aufmachen.

Ich wünsche Dir das Beste - und denk dran, dass auch Du mal eine alte Dame sein wirst ;-) Und damit muss man schon früh anfangen.

Noch ein Wort zur ländlichen Umgebung, Kinderkriegen und Herd etc. Du kannst nicht erwarten, dass dort Tumorzentren entstehen, sich die tollsten Ärzte niederlassen, sich die besten Selbsthilfegruppen etablieren. Das ist die Realität. Die Politik mache ich nicht mehr verantwortlich für alles, es lohnt nicht. Wir müssen uns in unserem eigenen kleinen Kreis bewegen und dort alle Möglichkeiten ausschöpfen. Es beginnt immer im Kleinen und weitet sich langsam aus. Auch Du hast mit Deinem Zorn über die Unzulänglichkeiten schon Manches bewirkt.

Liebe Grüße
Konstanze
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