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Alt 11.03.2010, 12:18
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Ariadne Ariadne ist offline
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Standard AW: Ich kann ohne dich nicht leben

Die Urnenbeisetzung
Ich hatte Leos Bruder gefragt, ob er denn mitkommen wolle, zu diesem letzten Gang.
Aber ja doch, alleine lassen wollten sie mich nicht. Dies hat mich sehr berührt. Das Verhältnis zwischen den Brüdern war über die Jahre abgekühlt, wie es manchmal so geschieht. Ich hatte im letzten Jahr etwas daran schmieden können und siehe da, es ging wieder. Ich bin stolz darauf, sehe es als mein kleines Werk. Ein Geschenk an Leo. Er hat an dieser Distanz bis zum Schluss sehr gelitten.
Und so kamen sie, Brüderchen mit seiner Frau – und das war gut so.
Und auch schade – ich hatte mir vorgestellt alleine zu sein.
Und nicht nur ich, auch unser Bestatter hatte diese Vorstellung, und ich erkannte seine Verblüffung, als er uns zu dritt vor der Kapelle sah – war ihm doch unsere Geschichte sehr vertraut.
Er habe eine kleine Rede zusammengestellt, nur für uns, für Leo und mich.
Die könne er jetzt nicht mehr halten….., in Brüderchens Anwesenheit. Ein verschmitztes Lächeln….
Bestandteil sei ein so wunderschönes Gedicht –
Zu uns passend.
Aber – ihm falle gewiss etwas anderes ein –
Und ihm fiel wirklich etwas ein.
Unvorbereitet war ich, auf seine Worte nicht gefasst, die von unserer innigen Liebe erzählten, auf diesem eiskalten Friedhof, woher diese Liebe eines Tages gekommen sei, wie ein zartes Pflänzchen, und wohin sie letztendlich in so kurzer Zeit führte. Von Leos starken Empfindungen zu mir erzählte er und von meinen zu ihm, wie Leo es nicht schöner hätte formulieren können.
Woher nahm der Fremde dieses tiefe Wissen um uns? Nun, er war ein Freund von Leo seit jungen Jahren, wusste dies und das und so einiges von ihm. Konnte ein wenig in seine Seele blicken.
Er sprach davon, welch ein besonderer Mensch Leo gewesen sei, ein wenig schwierig freilich, unbequem für den einen und für den anderen, und er sei eigenwillig seinen Weg gegangen, ein Außenseiter in gewisser Weise, aber ein stolzer und gerader Mensch von großer Intelligenz und Warmherzigkeit. Und er sprach davon, wie sehr ihn selber die Sprachgewandtheit von Leo fasziniert habe, in Schrift und Wort. Ein Talent, das auch ich sehr bewundere.
Und es waren seine Gedanken, dass Leo wohl mit mir die schönste Zeit seines Lebens gehabt haben dürfte, diese besondere Liebe zu erleben, der er sich ganz hingeben konnte, ohne wenn und aber, voller Vertrauen und Wärme, ein Geben und Nehmen von beiden Seiten, ohne ein Gleichmaß einzufordern.

Nach der Diagnose Krebs hatte Leo sich selber nur noch sechs Wochen gegeben und daraus sei über ein ganzes Jahr geworden, das uns geschenkt wurde. Zu danken der Liebe die bestehen wollte, Leos Willen sie für uns zu erhalten und unserem gemeinsamen Mut der Krankheit zu begegnen.

Die Urne habe ich getragen, schwer und rund lag sie in meinen Armen, symbolisierte eine letzte Umarmung – so meine plötzliche Erkenntnis, als wir durch den Schnee stapften.
Ein bisschen Zuversicht konnte ich in diese Urne fließen fühlen, während ich sie trug, oder war es das letzte Streicheln unserer Seelen? – was auch immer es gewesen ist.
Etwas war es - , und darauf baue ich die Hoffnung auf, zu diesem Häufchen Asche die verlorene Energie wieder zu finde.
Der Ariadnenfaden – er bleibt uns erhalten, von der Erde zum Himmel und vom Himmel zur Erde.

Ich wünsche mir diesen Tag in meinem Herzen zu behalten und nie zu vergessen.
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