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Alt 07.10.2008, 17:37
Kerstin N. Kerstin N. ist offline
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Daumen hoch AW: Übers Sterben sprechen

Hallo ihr alle,

tief berührt durch eure Texte, versuche ich die richtigen Worte zu finden.

Gibt es die richtigen Worte zum Thema Sterben überhaupt?

Daß kaum jemand bereit ist darüber mit euch Betroffenen zu sprechen, sagt ja wohl alles.

Als im letzten Jahr der Krebs bei meiner Mutter zum wiederholten Male ausbrach, wußte ich, daß sie es dieses Mal nicht mehr schaffen würde - ebenso wie sie es wußte.

Am Anfang hat sie noch so getan, als sei alles in Ordnung. Ihre Schmerzen, die sie an ihrer rechten Schulter hatte, seien die Folgen eines leichten Sturzes und würden von alleine wieder weg gehen.

Meine Geschwister unterstützten sie in dieser Annahme und wollten das Offensichtliche nicht wahr haben.
Selbst, als meine Mutter endlich ihren Arzt aufgesucht hatte, verleugneten sie das, was nun klar ersichtlich war.

Es konnte nicht mehr viel getan werden für meine Mutter.
Die Ärzte versuchten es noch mit Chemo und Bestrahlungen.

Einerseits wußte meine Mutter, die ja seid fast 10 Jahren Krebs hatte , daß sie bald sterben würde - andererseits wollte sie "es" nicht herbei reden.

Kurz: mein Mann und ich haben versucht mit ihr über alles zu sprechen. Es gab so Vieles zu regeln. So Vieles hätte ich ihr noch gerne gesagt. Wir haben es oft versucht.
Aber es war nicht möglich.

Meine Geschwister planten zusammen mit meiner Mutter eine Kur, damit sie so bald wie möglich ihren Arm wieder bewegen könnte. Sie besorgten ihr Kompressionsverbände, die sie tragen mußte und schickten sie zu verschiedenen Ärzten, die sie untersuchen sollten.

Meine Mutter hatte da bereits im ganzen Körper Metastasen, was auch jeder wußte.

Mein Mann und ich sprachen mit dem Plegedienst und den behandelnden Ärzten über das was nun passieren sollte.
Wir wollten, daß meine Mutter so lange wie nur irgend möglich in ihrem Haus und unabhängig bleiben konnte.
Was sie schließlich auch schaffte. Erst zwei Tage vor ihrem Tode mußte sie ins Krankenhaus. Ihre Lunge sollte punktiert werden. Dann ging aber alles doch sehr schnell.
Wir waren alle bei ihr, und sie ist ganz friedlich gestorben.
Es war, ich kann es nicht anders sagen, ein wirklich schöner, ein wichtiger Moment.
Sie starb morgens. Die Sonne brach durch die Wolken, nachdem es die ganze Nacht geregnet hatte.
Ich hatte das Fenster geöffnet um die frische Morgenluft herein zu lassen.
Wir hielten ihre Hände, dann ist sie gegangen. Ganz leise.

Ich denke noch oft daran.

Meine Verwandtschaft(die Schwestern meiner Mutter) hat uns später bittere Vorwürfe gemacht, daß wir unsere Mutter nicht in ein Pflegeheim gesteckt hätten. Wir hätten sie im Stich gelassen, weil sie alleine in ihrem Haus hätte bleiben müssen.
Aber das war nicht so! Wir haben alles so gemacht, wie meine Mutter es sich gewünscht hat. Sie war nie alleine, es hat sich immer jemand gekümmert. Sie hatte viele Freunde und Bekannte, die sie besucht haben- und uns.

Nur meine Tanten, die haben sich nicht getraut ihre Schwester zu besuchen.
"Ich kann nicht sehen, wenn jemand stirbt."-So der O-Ton meiner Tante.

Ich habe den Kontakt zu meiner Verwandschaft abgebrochen.

Vor Jahren hatte ich einen Knochentumor. Damals habe ich mir zum ersten Mal Gedanken übers Sterben gemacht. Ich habe natürlich Angst davor.
Wie Slowley schon schrieb:" Du gehst mit dem Gedanken an den Tod ins Bett und stehst mit dem Gedanken an Krebs wieder auf."

Niemand war damals bereit mit mir über meine Angst vor dem Sterben zu sprechen. Ich habe mir vorgenommen, das Sterben und den Tod nicht aus meinem Leben zu streichen, denn irgendwann bin ich auch betroffen.

Ich finde diesen Thread emens wichtig. Bitte schreibt weiter!
Meine Oma sagte mal: "Zwischen der Diagnose und dem Tod steckt doch noch `ne ganze Menge Leben!"

Ich wünsche euch alles, alles Gute und schicke euch ganz liebe Grüße

Eure
Kerstin

Geändert von Kerstin N. (07.10.2008 um 18:00 Uhr)
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