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Alt 27.11.2013, 00:34
Cecil Cecil ist offline
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Standard AW: Fehlende Kraft für die Familie. Hier:Schwiegertochter

Hallo in die Runde,

zunächst meinte auch ich:'Bloß gut, der thread schläft ein!'
Da aber in den letzten Tagen wieder 2-3 posts erschienen sind, dachte ich wiederum, dass gerade ich noch am ehesten in der Position bin zu antworten. Warum? Weil ich selbst eine (ehemals) krebskranke Schwiegertochter bin und meine Schwiegermutter etwa 15-20 Jahre vor meiner Erkrankung auch Krebs hatte.

Als ich meiner Schwieger-Familie vorgestellt wurde, war die Krebserkrankung meiner Schwiegermutter (ca. Ende der 80er) mir bekannt. Sie hatte einen Krebs irgendwo zwischen Mundhöhle und Ohr, hatte auf alle Fälle keine Chemo, wie ich meine mich zu erinnern auch keine OP, aber eine ziemlich intensive Bestrahlung. Sie meint heute noch, sie sei verstrahlt worden, weil nicht der Prof, sondern sein Assistent die Dosis berechnet hat. Das kann ich nicht beurteilen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass man heute die Dosis der Bestrahlung aufgrund modernerer Technik feiner und individueller gestalten kann. Insofern hat sie sicher recht, wenn sie meint, sie hat zuviel abbekommen.

Unter den Folgen dieser starken Bestrahlung leidet sie bis heute; insbesondere hat sie kaum noch Speichel, leidet unter extremer Mundtrockenheit und anderen Symptomen. Wie belastend das sein kann, verstehe ich tatsächlich erst seit meiner eigenen Krebserkrankung so richtig.

Was ich bis heute nicht verstehen kann: Ich habe eigentlich noch nie von meiner Schwiegermutter gehört, dass sie trotz aller Widrigkeiten dennoch froh ist, ihren Krebs so lange (inzwischen mindestens 20 Jahre) und völlig rezidiv-frei überlebt zu haben. Das konnte ich als Gesunde nicht verstehen und kann ich als selbst Krebserkrankte erst recht nicht verstehen. Dass nach ihrer Erkrankung alle ihre fünf Enkelkinder geboren wurden, sie sich natürlich darüber auch gefreut hat, sie aber vordergründig dann doch wieder mit dem Versuch der Behandlung ihrer Symptome beschäftigt war. (Dabei hat sie einen Ärzte-Marathon ohne verwertbares Ergebnis, viel verschwendete Lebenszeit und aus meiner Sicht eine Verschlimmerung durch Übergriff der Beschwerden auf das Ohr bewirkt, aber das auszuführen würde hier zu weit führen.)

Ich kann nicht so recht einschätzen, wie mehr oder weniger betroffen sie war, als ich dann erkrankte (da war ich schon 15 Jahre verheiratet und etwa im gleichen Alter wie sie seinerzeit) und ob sie Angst wegen der Situation ihres Sohnes, vielleicht bald allein mit drei minderjährigen Kindern da zu stehen, empfand. Mir war naturgemäß wichtiger, wie gut mein Mann mit der ganzen Situation umgegangen ist. Sie sagt öfter mal (nachdem sie vorher lange über ihre unumkehrbaren Folgeschäden geredet hat): "Wie gut, dass Du alle so gut überstanden hast." Ich bin mir nicht sicher, ob sie registriert hat, dass ich infolge meiner doch recht intensiven Behandlung nieren- und lungenkrank bin. Manchmal, wenn ich schlecht drauf bin, kann ich mir dann doch eine spöttische Bemerkung nicht verkneifen. Das ist aber nicht soooooo schlimm, weil sie inzwischen recht schwerhörig ist.

Ich bemerke aber an mir, dass ich inzwischen irgendwie "krebsmilde" geworden bin. Soll heißen, es hebt mich gar nicht mehr so sehr an. Ich selbst schlage ganz oft vor, dass wir uns auf die knapp 500 km lange Fahrt machen, damit sie Sohn und Enkelkinder sieht. Eigentlich tut sie mir eher leid, weil sie so gar keine Lebensfreude zu empfinden scheint. Oder doch? - weil, lebensmüde ist sie keinesfalls. Ich werde mich hoffentlich in knapp 20 Jahren meines Lebens freuen und versuche meinen Kindern ständig einzureden, sie mögen es bitte nicht darauf anlegen, alte Eltern zu werden.

Geändert von Cecil (27.11.2013 um 00:39 Uhr)
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