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Alt 23.06.2018, 03:08
lotol lotol ist offline
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Standard AW: Kind hat Angst vor seinem krebskranken Vater

Liebe spice,

es ist eine extreme Situation, in der Ihr alle Euch leider befindet.
Dennoch denke ich, daß es prinzipiell am besten ist, sich auch in solchen Situationen innerfamiliär darum zu bemühen, wie man das "Miteinander-Leben" - wenn auch mit notwendigen/sachgerechten Abstrichen - organisieren kann.

Wir sind uns sicher einig darin, daß dabei an oberster Stelle die Sicherheit aller Beteiligten, auch die Deines Mannes, zu stehen hat.
Bedenk dabei bitte, daß jeder von Euch ein anders gelagertes Sicherheitsbedürfnis in dieser Situation hat.

Dein Mann hat (vermutlich) gar kein's - denn wovor sollte der geschützt werden?
Er will nur nicht aus der Familie ausgeschlossen werden oder sich so fühlen.

Dein's kannst nur Du selbst einordnen.
Vermutlich schlaft ihr beide inzwischen in getrennten Zimmern?

Eure Tochter ist (glücklicherweise) nicht traumatisiert.

Euer Sohn hat (vermutlich) das größte Sicherheitsdefizit.
Nicht nur weil er Angst hat, sondern auch, weil er (nachvollziehbar) glaubt, daß er möglicherweise nackter Gewalt ausgesetzt sein könnte.

Qualtitativ macht es m.E. keinen großartigen Unterschied ob nun jemand volltrunken, psychisch krank ist oder wg. Medikamenten "ausrastet":
Er weiß evtl. nicht mehr was er tut bzw. tut etwas, das er normalerweise niemals tun würde.

Kurzum:
Jemand kann, evtl. auch nur temporär, zu einem Sicherheitsrisiko werden.
Ihr Eltern könnt mit "Engelszungen" an Euren Sohn "hinreden", daß sein Vater nicht mehr ausrastet.
Niemals wird er Euch das glauben, weil Ihr es ihm auch nicht "garantieren" könnt.

"Rüstet" ihn also beide gemeinsam so "auf", damit er sich selbst wehren und verteidigen kann.
Mit Pfefferspray, Elektroschocker oder was es halt so gibt, Menschen kampfunfähig zu machen.
Und redet dabei offen und ehrlich mit ihm!

Nichts beschönigen, sondern ihn "bestärken" wollend, um ihm seine Angst nehmen zu können.
Könnt dabei auch versuchen, ihn ein wenig in die Verantwortung zu nehmen.
Dahingehend, daß er auch seine kleine Schwester (notfalls) mit beschützen kann.
Schlafen die Kinder in einem Zimmer oder in getrennten?

Zitat:
Einen sicheren Ort außerhalb des Hauses gibt es bei Bekannten im Ort. Dort ist er beim letzten Krampfanfall bzw. dem Verwirrtheitszustand des Vaters auch hingegangen, obwohl wir ihn darauf hingewiesen haben, dass der Vater dieses Mal ja nicht aggressiv ist. Im Gegenteil, die Versuche meines Mannes, ihn zu beruhigen, haben eher zum Gegenteil geführt Mein Mann hat ihm immer wieder gesagt, "es ist alles gut, ich bin da" (auf die Frage meines Sohnes: bist Du noch "da"?), hat aber gleichzeitig von Typen geredet, die gar nicht da waren oder gesagt, wir müssen nach Hause, obwohl wir zuhause waren. Mein Sohn hat daraus mitgenommen "wenn Papa sagt, es ist alles gut, dann ist trotzdem längst nicht alles gut".
Sein Zimmer kann er abschließen, hat aber Angst, im Zweifelsfall nicht an seinem Vater vorbei zu kommen um es zu erreichen (wir haben ein sehr kleines, enges Haus). Außerdem sagt er, er hat Angst, dass der Papa die Tür eintritt und er dann erst recht in der Falle sitzt.
Wundert es Dich wirklich, daß Euer Sohn Angst hat?
Jeder erwachsene Mann tritt - v.a. wenn er im Wahn ist - locker eine Tür ein.
Habt ihr im Haus Türzargen aus Holz oder aus Stahl?
Und wie sind denn die Türblätter beschaffen?
Hohlkörper-Konstruktion oder Massiv-Holz?

Was Euer Sohn mit evtl. "in der Falle sitzen" artikuliert, ist nichts weiter als seine evtl. Annahme, völlig hilflos zu sein und sich nicht wehren zu können.
Abhilfe kann zweifelllos durch seine "Aufrüstung" geschaffen werden.

Du sprichst nur von sicheren Orten außerhalb des Hauses.
Warum nicht von der Möglichkeit, (wirklich) sichere Orte auch innerhalb eines Hauses schaffen zu können?
Das ist doch ein reiner Willensakt, sowas realisieren zu können.
Könntet Ihr auch gemeinsam machen:
Ist ja immer besser, evtl. Probleme gemeinsam zu eliminieren.

Vermittelt nicht nur mechanische Sicherheit, sondern auch die, daß das "Grund-Anliegen" in der Familie allseits identisch ist.

Zitat:
...Wovor mein Sohn und auch ich Angst haben, ist, wenn der Krampfanfall von uns nicht bemerkt wird (z.B. wenn wir schlafen oder wenn mein Mann, wie beim letzten Mal, in einem anderen Zimmer ist), und mein Mann dann bereits in verwirrtem Zustand zu uns kommt. Dann wäre ich auf Kooperation angewiesen. Beim letzten Mal hat das geklappt, in der Situation, in der mein Mann aggressiv war, wäre das nicht gegangen. Wir schlafen daher nicht besonders gut, wenn mein Mann im Haus ist, wie man sich vorstellen kann.
Du glaubst doch wohl hoffentlich nicht im Ernst, daß Du von einem "Ausgerasteten" Kooperations-Bereitschaft erwarten kannst?
Der will etwas durchsetzen, das er sich gerade "einbildet".
Und zwar ohne "Rücksicht auf Verluste".

Nun gibt es ja mehrere Möglichkeiten, für ruhigen Schlaf zu sorgen:
Ihr "schottet" Deinen Mann nächtens ab oder alle Zimmer der restlichen Familien-Angehörigen.

Denke, wenn auch Deinem Mann etwas daran liegt, den Familienzusammenhalt weiterhin aufrecht erhalten zu können, sollte er kein Problem damit haben, für seinen und den ruhigen Schlaf seiner Familie dadurch zu sorgen, daß nur er sich nachts an einem gesicherten Ort befindet.

Genauer gesagt, (nur er nachts) sicher verwahrt bzw. eingesperrt ist.
Selbstverständlich mit Kommunikations-Möglichkeiten (nur) zu Dir verbunden, die er jederzeit nutzen kann, falls er Hilfe brauchen sollte.

Zitat:
Der Tagesablauf ist jetzt schon so, dass ich die Kinder morgens mitnehme und abends wieder mitbringe. Jedoch mit mir allein fühlt sich mein Sohn nicht genügend beschützt, denn, wie richtig vermutet, mein Mann ist uns allen körperlich bei weitem überlegen. Das war bei den letzten Vorfällen ja schon so gewesen, da war ich ja anwesend.
Gut, daß der Tagesablauf schon so läuft.
Versucht bitte beide gemeinsam, das Sicherheitsdefizit Eures Sohnes zu beseitigen.
Stellt ihm auch die Mittel zur Verfügung, daß er sich notfalls selbst wehren kann und unterrichtet ihn auch in der Anwendung von ihnen.

Zitat:
Die Sache mit dem "Ausblenden": tja, mein Sohn hat von diesen Vorfällen auch in der Schule berichtet. Lehrerin und Sozialarbeiterin haben mir sehr klar gemacht, dass selbst, wenn die reale Gefahr mir vielleicht jetzt durch die Notfallmedikamente händelbar erscheint, sie allein durch die subjektive Bedrohungswahrnehmung meines Sohnes sie das Kindeswohl gefährdet sehen. Auch das Jugendamt hat mich schon angerufen wg. möglicher Kindesgefährdung. Und tatsächlich kann ich dem Jugendamt ja nicht garantieren, dass es nicht wieder zu einer Gefährdungssituation kommen wird. Ich sehe mich daher schon vor der Entscheidung, meinen Sohn nicht gegen seinen Willen mit seinem Vater konfrontieren zu dürfen.
Prinzipiell ist es ja mal so, daß es ausschließlich Sache Eures Sohnes ist, was er wo und in welchem Umfang zu berichten beliebt.
Er ist zu jung dazu, um selektieren zu können, wo man besser die "Schnauze über familiäre Angelegenheiten hält".

Es macht ja schließlich einen Unterschied, ob man das im unmittelbar persönlichen Umfeld tut oder so wie hier, anonym, in einem Forum.
Übrigens danke ich Dir, daß Du Deine Angelegenheit hier thematisiert hast:
Denn es scheint ja wirklich nichts zu geben, was sich im "Krebs-Umfeld" alles so einstellen kann.
Alle dabei Beteiligten sind immer "in Bedrängnis".

Für richtig "nett" halte ich die Einlassungen von Lehrerin, Sozialarbeiterin und die des Jugendamtes bzgl. "Kindeswohl-Gefährdung".

Etwas mehr können die Dir dazu nicht sagen?
Vielleicht auch mal Vorschläge zur Problemlösung machen?

Laß Dich bitte von derlei Schmarrn keinesfalls beeindrucken!
Es geht nicht darum, Euren Sohn mit seinem Vater konfrontieren zu müssen.
Sondern um etwas ganz anderes:
Ihr beide habt Eurem Sohn sein Leben "geschenkt".
Mit Eurem Wollen und dem damit verbundenen Vergnügen dazu.

Er mag noch nicht begreifen können, was für ein großartiges Geschenk das ist.
Und auch nicht, daß es auch eine Verpflichtung für ihn ist, davon etwas an seine Eltern (unter allen Umständen, die ihm vielleicht "widrig" sind) "zurückgeben zu müssen".
Das weiß er alles noch nicht und es wird ihm wohl erst im Laufe seines Lebens "dämmern" können.
Wie bei uns allen.

Versucht bitte, Eurem Sohn klarmachen zu können, daß auch er ein Teil der Familie ist, welches die "mitträgt" und mitzutragen hat.

Jemand anders hat bei diesem "Mittragen" überhaupt nichts zu "melden"!
Weil das eine rein innerfamiliäre Angelegenheit ist.

Ansonsten:
Weißt Du, was ein gordischer Knoten ist?
https://de.wikipedia.org/wiki/Gordischer_Knoten

Die gibt es immer wieder mal im Leben.
Man muß nur den Mut dazu haben, sie "durchtrennen" zu wollen.

Es geht nicht darum, Kinder zu irgendwas zwingen zu wollen, das sie gar nicht wollen. Das ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Sondern viel mehr darum, sie davon überzeugen zu können, welches Handeln jedenfalls richtig ist.

"Davonlaufen" und sich selbst per "skypen" dem Geschehen zu entziehen, kann dazu gar keine Alternative sein.


Liebe Grüße
lotol
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Krieger haben Narben.
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1. Therapie (2016): 6 Zyklen R-CHOP (Standard) => CR
Nach ca. 3 Jahren Rezidiv

2. Therapie (2019/2020): 6 Zyklen Obinutuzumab + Bendamustin => CR
Nach ca. 1 Jahr Rezidiv, räumlich begrenzt in der rechten Achsel

3. Therapie (2021): Bestrahlung
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