Thema: Für CAro
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Alt 12.11.2004, 02:55
Christina S. Christina S. ist offline
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Standard Für CAro

Liebe CAro,

ich hatte immer so sehr gehofft, daß es diesen Thread niemals geben wird! Und gleichzeitig hatte ich immer die (für mich behaltene) Sorge, daß es ihn doch einmal geben werde.

Als ich vor gut einem Jahr (meine Mutter war frisch an Lymphdrüsenkrebs erkrankt) in dieses Forum kam, stieß ich sehr bald auf Dich und Deine Geschichte. Es war schon damals so, daß es Anlaß zur Sorge gab, ein erstes Rezidiv war wohl schon aufgetaucht, bei Bestrahlungen war ein Teil des Lymphoms übersehen und nicht mitbestrahlt worden, der Tumor galt mittlerweile als chemoresistent. Und doch war alles noch so voller Hoffnung, voller Möglichkeiten, voller Zuversicht. Ich habe nur gestaunt, da ich bis zu diesem Tag einen unbeschreiblichen Horror vor Krebs hatte. Aber ich mußte zu meiner Verwunderung (und Freude) feststellen, daß man mit Krebs nicht nur sterben, sondern auch LEBEN kann.

Du, CAro warst stets der Inbegriff von Lebendigkeit hier im Forum. Wie kein anderer Mensch konntest Du Lebenslust und Verletzlichkeit, Angst und Hoffnung, Verzweiflung und Humor, Persönliches und Wissenschaft unter einen Hut bringen. Und der Hut hatte trotz alldem, was darunter Platz fand, keine Beulen!

Wa soll ich sagen, bei meiner Mutter schlug die Therapie gut an und ich hätte bald immer weniger Grund gehabt, hier zu bleiben. Aber wie so viele andere auch, ließ mich der Verlauf Deiner Geschichte nicht mehr los, bald klickte ich bei meinen täglichen Internetrundgängen den Krebs-Kompass hauptsächlich an, um zu sehen, ob es Neuigkeiten in Deinem Kampf um und für das Leben gibt.

Es war eine schwere Zeit, aber auch eine, die unendlich viele Menschen in ihren Bann zog und bereicherte. Komisch, aber bei keinem dieser immer mehr werdenden Mit-Hoffer und Mit-Banger hatte man auch nur eine Sekunde das Gefühl, daß es sich um fremde Zuschauer, um "Publikum", um Sensationslust handelte. (Und das heutzutage, wo Leid und Krankheit in der Öffentlichkeit fast nur noch im Zuge von von "profitablen" Shows zu finden ist!) Du hast aber ganz eindeutig die Kunst beherrscht, Seelen zu berühren, Herzen zu ergreifen.

Tja, und jetzt stehen all diese Menschen erschüttert und mit einem großen Verlust da. Die, die Dich persönlich kannten und Dir nahestanden, aber auch die "Fremden", die wie ich stets nur hilflose Zuschauer waren. Folgende Zeile eines Gedichts von Mascha Kaleko hatte mich immer tief beeindruckt: "Den eignen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der anderen muß man leben". Auf Dich hat er nicht zugetroffen: Du hast mit Deinem Tod (oder gegen ihn?) gelebt wie kaum ein anderer. Du hast ihn ausgelacht und über ihn geweint, mit ihm verhandelt und versucht ihn zu akzeptieren, ihm in die Augen geschaut und ihn trotzdem bis zum letzten Atemzug gehasst. Du hast, als er vor der Tür stand, noch versucht, ihn von Deiner kranken Zimmernachbarin fernzuhalten und als er schon auf Deiner Bettkante saß, hast Du dafür gesorgt, daß er nicht das letzte Wort hat: Indem Du Deiner Tochter für die kommenden Jahre Botschaften von Dir gebastelt hast und Ihr Briefe zukommenhast lassen von Leuten, die Dich kannten, und in deren Herzen Du weiterlebst. Diese berühmte Aussage "der Tod hat nicht das letzte Wort" (die Kernbotschaft des Christentums) habe ich nie verstanden - bis jetzt. Du hast ihre Bedeutung gewandelt. Ich weiß nicht, ob es ein Jenseits gibt, wo wir uns alle wiedersehen (ich bin Agnostiker), aber ich weiß jetzt, daß wir das Diesseits zu einer ganzen Ewigkeit machen können, wenn wir wollen: Du hast dieser Welt vielleicht mehr hinterlassen als ein Hundertjähriger, indem Du dafür gesorgt hast, daß Du in den Herzen der Menschen, die Dich kannten nicht nur in der Erinnerung weiterlebst, sondern auch (durch Dein Vermächtnis) auferstehst. Der Tod hatte nicht das letzte Wort, sondern das Leben.

Nein, nicht "das" Leben, sondern DEIN Leben. Oder noch besser: Deine Lebendigkeit. DU hattest das letzte Wort und nicht der Tod. Denn der Tod war heute Morgen da und DU bist es jetzt noch.

Das alles hilft nicht so wirklich, die Tatsache, daß von Dir nie mehr ein Beitrag im LDK-forum stehen wird, daß Deine Tochter Dich nicht mehr umarmen kann, Dein Mann Dich nicht mehr lachen sehen kann, Deine Freunde Dich nicht mehr weinen sehen werden, ist immer noch unerträglich schmerzvoll. Und ich wünschte, ich hätte diesen Beitrag hier niemals geschrieben, weil Du niemals einen Grund gehabt hättest, hierzusein.

Trotzdem danke für die Zeit. Und danke dafür, daß Du mir ein Stückchen Angst vor dem Tod hast nehmen können. Vielleicht sehen wir uns ja mal irgendwo und lachen gemeinsam Tränen über all die irdischen Ängste und Vergänglichkeiten. Aber heute abend nicht mehr. (Dazu bin ich Heulsuse zu verheult)
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