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Alt 12.08.2002, 20:46
Gast
 
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Standard Gerade vom Krebs meiner Mutter erfahren

Lieber Heiko,
es ist nicht die Billigversion sondern die derzeit wirkungsvollste Standardchemo. Ich habe nach der Operation bei fast dem gleichen Stand (794,2) mit der Chemo begonnen. Der CA 125 ist nach dem 6. Zyklus auf 65 herruntergedrückt worden. Das ist zwar nicht der Normalbereich, aber man kann ja weitermachen. Ich habe inzwischen den 7. und 8. Zyklus(heute der 8.) mit dieser Chemo hinter mir, wobei ich bei diesen nachgeschobenen Zyklen mit einer heftigen allergischen Reaktion auf Carboplatin reagiert habe, so daß ich davon nur ein paar Milliliter intus habe, dafür aber die gesamte Taxolration. Im Normalfall ist es umgekehrt. Das Taxol ruft sonst eher eine allergische Reaktion hervor. Zur Zeit liegt mein Tumormarker bei 48,8. Ich hoffe, er kommt mit der letzten Portion Taxol in den Normalbereich. Und dann bekomme ich bis November noch 4 Zyklen Topotecan. Kurz gesagt - ich will daran glauben, daß man mit dem 800er CA 125-Wert noch gute Chancen hat und wünsche es auch Deiner Mutter.
Zu den Nebenwirkungen: Es gibt ja die Prämedikation (also ein paar Spritzen und Infusionen) zur Dämpfung der Nebenwirkungen vor den Taxol- & Carboplatininfusionen. Für die Tage danach bekommt man Zofran oder Vergentan (nicht ganz so verstopfend wie Zofran)verschrieben. Der übliche Ablauf bei mir war:
1.: Chemotag 6 h Infusionen; beim ersten Mal Mordsangst davor, insbesondere vor dem anaphylaktischen Schock als möglicher Reaktion auf Taxol; dabei rutscht der Kreislauf in den Keller; darauf sind die Ärzte aber vorbereitet; den Schock hatte ich während der Chemos nie (aber in der Narkose bei der 3. Operation als Reaktion auf ein Narkosemittel); am Chemotag habe ich immer einen sehr guten Appetit, was ich inzwischen auch von anderen kenne;
2. Tag: Manchmal ist es mir da schon früh nicht gut. Ich leiste mir eine Zofran, wenn es sehr stört, bin aber vorsichtig damit, um keinen Darmverschluß zu riskieren. Müsli mit Joghurt und Obst lindert das Problem.
3. Tag Ohne Zofran ist mir ganz sicher schlecht und manchmal kommt das Frühstück gleich wieder raus. Nehme ich vor dem Aufstehen was gegen die Übelkeit, geht es eigentlich. Es schmeckt halt nichts so gut wie sonst. Ruhepuls oft über 100. Wenn ich in Bewegung bin, geht es mir besser.
4. Tag: wie der 3.
5. Tag: Abklingen
6. Tag: Der erste richtig gute Tag nach der Chemo!
7.-20. Tag: Kaum Nebenwirkungen und viel Zeit für Dinge, die mir Spaß machen und mich wieder aufbauen.
3 Wochen nach der Chemo sind mir die Haare büschelweise ausgefallen. Nach ein paar Tagen war im wesentlichen alles weg; Augenbrauen, Wimpern, Scham- und Beinbehaarung verabschieden sich in der Folgezeit. Mit zunehmender Zyklenzahl machten sich die Sensibilitätsstörungen in den Extremitäten bemerkbar in Form von zeitweisem Kribbeln, nadelstichartigen Schmerzen oder Taubheit. Zeitweise hatte ich auch Knochenschmerzen. Aber im Vergleich dazu ist ein richtiger Muskelkater im normalen Leben auch nicht von Pappe. Das Blutbild rutscht mit Sicherheit ab, vor allem die Leukozyten, die man ja noch als Abwehrkräfte gegen Krankheiten braucht. Ich habe mich vor möglichen Ansteckungsgefahren weitgehend gehütet. Und die Bildung der Leukozyten läßt sich mit Neupogenspritzen auch wieder anregen.
Insgesamt habe ich in den letzten 6 Chemomonaten mehr gute als schlechte Tage gehabt, habe mir mehr Zeit für die Familie und Freunde nemhen können, habe gefeiert, bin gereist, viel gewandert und auch wieder in den Bergen herumgeklettert, habe das Theater besucht - dafür hat es sich gelohnt, die Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen. Ich weiß, daß nicht alle die Chemo so gut vertragen. Aber vielleicht hilft es Deiner Mutter zu wissen, daß es nicht so schlimm sein muß. Sie sollte vor allem daran denken, daß die Chemo ihr zu einem besseren Befinden helfen kann. Ohne Chemo wird es wohl kaum besser.
Liebe Simone,
alles was ich antworten möchte, habe ich eigentlich schon geschrieben. Vielleicht kann sich Deine Mutter ja wenigstens eine Ultraschalluntersuchung in der Kurklinik erbetteln. Damit könntet Ihr schon einen Diagnoseschritt weiterkommen, und die Ärzte sehen dann endlich den Handlungsbedarf. Das Herunterspielen des Tumormarkers hat beim Ovarialkarzinom wirklich keine Berechtigung.

Liebe Grüße an Euch alle
von Claudia
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