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Alt 22.04.2004, 00:50
Gast
 
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Standard Bestrahlung bei Hirnmetastasen?

Hallo zusammen,

ich möchte hier einen weiteren (Fortsetzungs-) Beitrag zur Thematik Hirnmetastasen mit Ursache Colon Carzinom (einfacher: Darmkrebs) zum Nachdenken darstellen. Die Diagnosen und Therapien sind im Original dargestellt, denn wenn man schon einen Vergleich zwischen Einzelschicksalen ziehen möchte, sollte wenigstens die Ausgangsbasis weitestgehend ähnlich sein. Ich habe beim Durchlesen der zahlreichen Erfahrungsberichte den Eindruck gewonnen, daß Hirnmetastasen unterschiedlichen Ursprungs oftmals gleichgesetzt werden, um auf diese Weise eine Art sichere Lebensprognose zu erhalten. Dies ist aber ein grundsätzlicher Fehler, da - je nach Ursprung - auch die Lebenserwartungen bei Metastasen im Hirn ganz unterschiedlich sind. Vereinfacht dargestellt, kann man davon ausgehen, daß bei als äußerst aggressiv eingestuften Primärtumoren (gemeint ist die Quelle der Erkrankung) auch die Lebenserwartung bei darauf rückführbaren Hirnmetastasen entsprechend schlechter ist, als bei weniger aggressiven Tumoren. Wer mag, kann sich hierzu einmal folgenden link ansehen: http://www.arcs.ac.at/dissdb/rn034755, kurze Zusammenfassung einer Dissertation zu diesem Thema mit statistischen Lebenserwartungen in Abhängigkeit des jeweiligen Primärtumors und der durchgeführten Therapie. Aber eines sollte man auch dabei nicht vergessen: Kaum ein Krankheitsverlauf gleicht dem anderen, es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Krebserkrankungen, es gibt ganz unterschiedliche Stadien der Erkrankungen, das unterschiedliche Lebensalter spielt eine Rolle und schließlich darf auch die Qualität der ärztlichen Therapie nicht außer Acht gelassen werden.

Krankheitsverlauf
Im Dezember 1994 wurde erstmals ein stenosierend wachsendes Sigma-Carcinom (im Volksmund "Darmkrebs") festgestellt. Die Therapie bestand in einer Sigmasegmentresektion mit End-zu-End Anstomose am 23.12. Der Tumor konnte also erfolgreich entfernt werden.

Es folgte eine adjuvante Chemotherapie mit 650 mg Fluroblastin vom 17.1. - 21.2.1995 sowie mit jeweils 3 Tabletten Ergamisol a 50 g. Die Patientin (damals 61 Jahre alt) wurde anschließend beschwerdefrei entlassen.

Im Juli 1998 machten sich erneut Veränderungen negativ bemerkbar. Die Diagnose lautete Zökalpoltumor, Rezidiv eines Sigmacarcinoms, Auszug aus der Beurteilung:

"Insgesamt Hinweise für einen riesigen tumorösen Prozeß im Bereich des kleinen Beckens, sowie cranial hochziehend, links mehr als rechts, auch sich ins Becken erstreckend, mit breitbasiger Impression, bzw. Infiltration des Sigma, bzw. bei Z.n. Sigmaresektion des hier anastomosierten Colon descendens. Breitflächige Impression, bzw. Infiltration, bzw. Verdrängung des Coekalpols. Kein Hinweis für einen vom Darm ausgehenden tumorösen Prozeß".

Therapie: Hemikolektomie rechts = die operative Entfernung etwa der Hälfte des Kolons (=Darms).
Anschließende Entlassung, beschwerdefrei.
Anschlußbehandlung:
Therapie mit Panorex 500 mg. i.v. initial, gefolgt von 4 weiteren Applikationen zu 100 mg, jeweils im Abstand von 4 Wochen.

Neuerlicher Befund im April 2000:
Lokoregionäre Adnexmetastase links bei Zustand nach Sigmaresektion und erweiterter Hemicolektomie rechts mit Adnexektomie rechts bei Colon-CA bzw. Colon-CA-Rezidiv.

Therapie: Ovarektomie links (=Entfernung des linken Eierstocks), Hysterektomie (=Entfernung der Gebärmutter).
Medikation bei Entlassung: Keine.

März 2005: Es treten neuerlich Beschwerden auf, dieses Mal in Form von Schwindel, Konzentrationsschwächen, starken Gleichgewichtsstörungen.

Die Magnetresonanztomographie des Schädels ergab:
Das Hinterhorn rechts wird nach ventral hin verlagert mit dem Nachweis einer diffusen Ödembildung links occipital und auch nach temporal hinziehend. In dieser echoarmen Formation in T1-Wichtung zeigt sich eine girlandenförmige Formation mit einem Durchmesser von bis zu 35 mm im Durchmesser und einem ranständigen Kontrastmittel-Enhancement. Eine weitere Formation findet sich in Projektion auf den Balken links. Weitere pathologische Hergebungen mit pathologischen Kontrastmittel-Enhancement zeigen sich nicht. Die größere der o.g. Formationen findet breitbasig zu den Meningen. Entlang der Meningen selbst ist ein Kontrastmittel-Enhancement ebenfalls erkennbar. Eine Mittellinienverlagerung ist derzeit nicht darstellbar. Im sagitalen Strahlengang zeigt sich ein Ventralversatz des HWK4. Das Myelon ist dorsal des HWK 4 und 6 abgeplattet und zeigt nur noch einen Durchmesser von 8,6 cm.

Anders ausgedrückt und später pathologisch bestätigt: Es wurden zwei Hinrnmetastasen, zurückgehend auf Colon Carzinom, festgestellt. Die Ausfallerscheinungen waren aufgrund der Lage ganz typisch, je nach Lage der Metastasen können sich diese auch ganz unterschiedlich bemerkbar machen. Grund hierfür ist - wenigstens anfangs - die Ödembildung um die Metastase, welche aufgrund der meist schnellen Raumgewinnung lebenswichtige Hirnfunktionen beeinträchtigt.

Um bei Betroffenen mit den o.g. Symptomen die Lage der Metastase einschätzen zu können, gibt es ein einfaches Mittel. Die betroffene Person muß die Augen schließen und die Arme gerade aus nach Vorne strecken. Dann soll sie in dieser Position auf der Stelle laufen bzw. treten. Während die Betroffene meint, gerade aus "zu laufen" wird man sehen, daß sie sich tatsächlich aber nach links oder rechts dreht und auf dieser Seite wird sich auch die Metastase finden.

Zurück zum Verlauf:
Eine Metastase konnte operativ gänzlich entfernt werden, die zweite ist inoperabel. Nach der OP erholte sich die Frau sehr schnell und bis auf eine kleine Einschränkung des Sehfelds waren alle Funktionen wieder hergestellt.

Es folgte eine Strahlentherapie. Insges. 25 Einheiten, davon 18 für den gesamten Kopfraum, 7 hochdosiert auf den inoperablen Tumor gerichtet. Nach bislang 16 Bestrahlungen sind ein Großteil der Kopfhaare ausgefallen und die Frau fühlt sich zunehmend schwächer. Weitere Nebenwirkungen wie Verbrennungen oder ausbleibender Speichel (in diesem Fall sollten unbedingt Flurschienen besorgt werden, da ansonsten das Gebiss in Mitleidenschaft gezogen wird) sind nicht aufgetreten. Fortsetzung folgt.
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