Einzelnen Beitrag anzeigen
  #1  
Alt 15.11.2006, 11:30
*gerhard* *gerhard* ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 29.10.2006
Ort: Raum Würzburg
Beiträge: 97
Beitrag 6 Monate positive Erfahrung mit Nexavar – eine Zwischenbilanz

HINWEIS:
Diesen Beitrag habe ich im November 2006 geschrieben, nach ca. 6 Monaten Nexavar. Seit ca April 2007 nehme ich Sutent mit gutem Erfolg. Ich habe den Titel trotzdem beibehalten und aktualisiere diesen persönlichen Thread hin und wieder am Ende. Zur Zeit geht es mir einigermaßen gut, alle Metas an allen Stellen ruhig und konstant. Im April 2008 Gerhard






Ich nehme Nexavar nun fast seit 6 Monaten.
Mit sehr guten Erfolgen, die weit über meine ursprünglichen Erwartungen hinausgingen!




1. WARUM ICH HIER SCHREIBE

Es gab hier eine viel beachtete Anfrage zur Behandlung mit Nexavar. Leider hat sie den Angehörigen einiger Betroffener nicht mehr helfen können. Manche vertragen sie nicht und bei anderen wirkt sie nicht, wie etwa bei Urs, dessen wunderbaren Beitrag ich hier gelesen habe.

In den „offiziellen Seiten“ findet man nach wie vor wenig oder gar keine Hinweise auf das Medikament Nexavar – oder gar Berichte über seine Wirksamkeit und Verträglichkeit.

Dies ist auch nicht verwunderlich: Es ist ja erst seit August 2006 in Deutschland als neue Behandlungsmethode gegen den Nierenkrebs zugelassen. Sicherlich bei weitem zu kurz, um schon ausreichendes Datenmaterial verfügbar zu haben, das es den zur Objektivität und Wissenschaftlichkeit verpflichteten Ärzten und Verantwortlichen ermöglichen könnte, bereits mit ersten Erfahrungen an eine breite Öffentlichkeit zu dringen.

Andererseits besteht bei den persönlich Betroffenen ein legitimes Interesse an neuen und neuesten Informationen und Erfahrungsberichten zu dieser neuen Behandlungsmethode. Selbst dann, wenn man weiß, dass es sich bei den kursierenden spärlichen Erfahrungsberichten immer nur um einen jeweils konkreten Einzelfall handelt und dass jeder einzelne Fall anders verlaufen kann. Da hat einer sehr positive Erfahrungen mit einer Methode gesammelt, beim andern wirkt sie überhaupt nicht. Einer hat kaum Probleme mit den Nebenwirkungen, beim anderen erzwingen diese den Abbruch der Therapie.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Placebo-Effekt, der sich auch in der ersten „progressionsfreien Überlebensstudie“ von Nexavar am Beispiel der Nebenwirkungen zeigt. Nur etwa die Hälfte der Probanden erhielt damals wirklich den Wirkstoff Sorafenib, während die andere Hälfte nur ein Scheinpräparat (Placebo) bekam. Weder die Probanden noch die behandelnden Ärzte wussten aber bei dieser sog. Doppelblindstudie, wer den Wirkstoff und wer nur das Scheinpräparat erhielt. Bemerkenswert ist, dass bezüglich verschiedener Nebenwirkungen in beiden Gruppen teilweise überraschend hohe übereinstimmende Beurteilungen dieser Nebenwirkungen vorlagen. Das bedeutet: Auch diejenigen, die nur ein Scheinpräparat einnahmen, litten in hohem Maße unter den Nebenwirkungen. Das ist sicher nicht bloß eine Einbildung, sondern man leidet wirklich subjektiv unter den erwarteten oder befürchteten Nebenwirkungen. Ich gehe weiter unten noch einmal darauf ein, möchte aber schon an dieser Stelle darauf hinweisen, wie wichtig es ist, "sich buchstäblich den Kopf frei zu machen von belastenden Vorstellungen“.

Schließlich erinnere ich mich noch sehr gut, wie ich selbst im April dieses Jahres zum ersten mal die Worte Nexavar und Sorafenib buchstabierte und nach ihnen das Netz durchsuchte.

Aus all diesen Gründen möchte ich heute in diesem Forum aus meinen eigenen Erfahrungen und über meinen eigenen Fall zu dem möglichen Einsatz von Nexavar berichten, speziell auch als Alternative zur langjährigen Standardtherapie, nämlich der kombinierten Immuntherapie (IMT).

Vor allen Dingen möchte ich den Betroffenen Mut machen.


2. ZU MEINER PERSON UND ZU MEINEM FALL

Ich bin heute 54 Jahre. Bis vor etwa 6 Jahren hatte ich Ärzte nur sehr selten konsultiert. Dann meist wegen einer Erkältung oder einem leichten Unfall oder weil ich - wieder einmal - das Rauchen aufzuhören mir vornahm und dazu eine Kreislaufunterstützung brauchte.

Vor 6 Jahren, im April 2000, verlor ich dann in kurzer Zeit nach einem Nierenzellkarzinom die linke Niere vollständig. Es war ein reiner Zufallsbefund. Nie zuvor und niemals mehr danach hatte ich Probleme mit der Galle, aber ein minder schwerer Fall von Gallengries hatte eine äußerst schmerzhafte Gallenkolik ausgelöst. So landete ich mit dem Notarztwagen im Krankenhaus. Eine Ultraschalluntersuchung zeigte dann ungewöhnliche Veränderungen an der linken Niere. Der Tumor war etwa 6-7 cm groß, noch vollständig geschlossen in Stadium I, und inoperabel. Deshalb nahm ich an, dass die Sache mit der Entfernung der linken Niere vollständig ausgestanden sei. Heute weiß ich: Bei Nierenkrebs darf man niemals unvorsichtig werden – immer schwebt da weiter ein Schwert über einem!

In der Zeit von 2001 bis 2004 hatte ich mich dann unabhängig davon mit einem anderen Krebsbefall herumschlagen müssen, auf den ich hier ansonsten nicht weiter eingehen werde. Es handelte sich um ein Weichteil-Sarkom am rechten Fußrücken. Vereinfacht gesagt: Aus einem seit Geburt bestehenden Überbein am Fußrücken hatte sich durch Entartung Knochenkrebs gebildet, der immer wieder rezidivierte und darum wiederholte Operationen erforderte. Schließlich konnte die Amputation des rechten Vorderfußes nur noch durch eine „Lappendeckung“ mit Material aus der Scapula (ein Muskel mit anhängendem Knochenmaterial im Bereich der Schulter) verhindert werden. Dies ist eine sehr zeitaufwändige Operation (13 Stunden Narkose!), da 2 Operationsteams gleichzeitig beschäftigt sind (nämlich an der Entnahme- und an der Transplantations-Stelle) und zur Blutversorgung des Transplantates feinste Blutgefäße (in der Regel 2 Arterien und 2 Venen) unter dem Mikroskop aufs feinste zu vernähen sind. Da sich die Blutversorgung des ersten Transplantates wider Erwarten zusetzte, musste diese Operation 2 mal ausgeführt werden, mit der linken und der rechten Scapula. Immer wieder akut eingelieferte Unfallopfer brachten alle langfristigen Operationspläne durcheinander. So verwundert es nicht, dass ich wegen dieser 2 Operationen 2004 fast ein halbes Jahr lang stationär in Regensburg verweilte.

Zurück zum Nierenzellkarzinom. Leider wuchs trotz Nachsorge (sogar trotz Beschwerden seit Anfang 2005!) in der ganzen Zeit unbemerkt in der linken Schulter eine Metastase des Nierenkrebses zu beachtlicher Größe heran, die erst im November 2005 entdeckt bzw. als solche erkannt wurde. Das hat mit eben jener anderen OP in der li. Schulter zu tun, wo das Transplantationsmaterial für die „Lappendeckung“ entnommen wurde. Die Ärzte und auch ich schrieben die Beschwerden (und die im Knochenszintigramm bereits 2004 auch sichtbaren (!) Veränderungen in der Schulter) wohl fälschlich dieser Operation zu, anstatt der neuen Nierenzell-Metastase.

Wenig später dann die vollständige Diagnose: Auch die verbliebene rechte Niere und beide Nebennieren waren vom Nierenzell-Ca befallen! Außerdem entdeckte man drei Metastasen in der Lunge, je eine weitere in Herznähe sowie in der Leber sowie mehrere Lymphknotenmetastasen.

Zunächst wurde - dreieinhalb Monate lang - nur die Schulter behandelt. Erst OP mit Gewebeentnahme, Tamponade der stark blutenden, tiefen Wunde mit Verbandsmaterial und erneutem Verschluss. Wenig später, bei bereits einsetzender Blutvergiftung, die vollständige operative Tumorausräumung. Wochen später die radiologische Bestrahlung der Schulter. Bis schließlich 4 Wochen nach Beendigung der Bestrahlung die erheblichen Schmerzen voraussagegemäß an Intensität abnahmen. - Geblieben ist bis heute eine deutliche Bewegungseinschränkung der Schulter und des linken Armes mit mehr oder weniger starken Bewegungsschmerzen. Mit beidem kann man einigermaßen gut leben.

- Und sonst? – Was nun? - Die anderen Tumoren hatten inzwischen an Größe zugenommen. Eine Operation aller Befundstellen war wohl unmöglich. Ich war sehr besorgt.

Da ich bereits wegen des Sarkoms im Fuß insgesamt fast ein Jahr im Krankenhaus verbracht hatte, fernab der Heimat im Klinikum Regensburg, wollte ich die mir noch verbleibende Zeit möglichst nicht mehr im Krankenhaus liegen - und wenn schon, dann wenigstens in der Nähe meines Wohnortes. Die Aussicht, gleichsam eine „Chemotherapie zuhause“ durchzuführen, erschien mir verlockend.

Zum Glück empfahl man mir im Krankenhaus einen bekannten, jedoch stark frequentierten Onkologen vor Ort. Im April 2006 untersuchte er mich und nahm sich bei diesem Ersttermin ungewöhnlich lange Zeit: Fast eine Stunde lang untersuchte und befragte er mich.

Wenig später stand die bis dahin als Standard-Therapie bekannte Immuntherapie (IMT) auf dem Programm. Hierbei werden dem Körper von außen in erhöhter Dosis die Botenstoffe Interleukin-2 und Interferon-alpha, die er normalerweise als Abwehrstoffe des Immunsystems auch selbst produziert, zugeführt. Sollte diese Therapie versagen, war bereits die anschließende Behandlung mit Nexavar angedacht, die sich (wegen der bereits absehbaren zeitnahen Zulassung des Medikamentes in Deutschland) relativ schnell anschließen könnte. Es war bereits ein Termin für die Erstgabe der Immuntherapie vereinbart, als der Onkologe den Termin kurz vorher cancelte und mir eröffnete, er habe es sich anders überlegt: Keine Immuntherapie!

Er wolle und könne mir die erheblichen Nebenwirkungen der IMT angesichts der vergleichsweise geringen Erfolgschance ("maximal 20 %") nicht zumuten. Mit Nexavar würden sich meine Chancen dagegen mindestens verdoppeln, sagte er.

Damals war Nexavar in Deutschland noch nicht zugelassen! Es war daher unwahrscheinlich, dass die Krankenkasse die Kosten übernimmt, zumal dann, wenn nicht vorher die Standardtherapie zumindest versucht wurde. Auch gab es kaum Erfahrungsberichte. Trotzdem riet mir der Arzt kämpferisch zu diesem Medikament und beantragte dessen Kostenübernahme. Zum Glück habe ich ihm weiterhin vertraut und weitere lange Wochen des Wartens und Bangens überstanden. Mit vereinten Kräften und meinem Angebot einer 10%igen Selbstbeteiligung an den Kosten konnten wir die gesetzliche Krankenkasse zu einer weitgehenden Kulanzentscheidung bewegen: 90%ige Übernahme der Kosten für zunächst 3 Monate, ohne die Bedingung, vorher die Standard-Therapie versuchen zu müssen.

Im Rückblick war das für mich die beste Entscheidung!


3. ZWISCHENERGEBNIS BEREITS NACH 3 MONATEN

Ich zitiere hier Auszüge aus der Bewertung der CT Thorax und Abdomen vom 27.7.06: Alle Tumorherde deutlich zurückgebildet, in der Schulter und der einzigen Niere Rückbildung um etwa 70%, außerdem alle 3 Metastasen in der Lunge vollständig verschwunden, ebenso die kleine Leberläsion!

[An den bösartigen Charakter der Tumoren an den beiden Nebennieren glaube ich eigentlich bis heute nicht so recht. Grund: Bereits 2004 hatte man die etwa um das 6fache (!)vergrößerten Nebennieren erkannt und mit einer Punktion festgestellt: keine bösartige Veränderungen, kein ungewöhnlicher Hormonausstoß. Trotzdem lautet auch hier der Befund nach nur 3 Monaten Einnahme von Nexavar:] ...auch die "beiden großen Nebennierenmetastasen um mehr als die Hälfte in ihrem Volumen zurückgegangen"; "auch die übrigen Lymphome entsprechend zurückgebildet", "keine neu aufgetretenen infiltrativen Prozesse".

Das war das mit Abstand schönste Geburtstagsgeschenk meines Lebens!

In 8 Tagen werde ich Nexavar nun 6 lange Monate eingenommen haben. Es stehen neue Untersuchungen an und ich hoffe, dann von einem weiteren positiven Verlauf berichten zu können.

Mein Ziel ist heute nichts anderes als eine vollständige Heilung.Und meine Hoffnung ist die baldmögliche Reduzierung der Dosis auf die Hälfte. (Dabei weiß ich im Moment gar nicht, ob das überhaupt möglich ist; ob das Medikament nicht zur Wirksamkeit eben jener Dosis von 800 mg täglich bedarf. - Sei´s drum. Ich glaube daran, dass auch die halbe Dosis reicht. Denn natürlich möchte ich damit die Nebenwirkungen auf ein geringeres Maß reduzieren). - Nun also noch etwas zu den


4. NEBENWIRKUNGEN VON NEXAVAR

Sie sind wirklich nicht ganz ohne! Außerdem sind sie von Fall zu Fall recht unterschiedlich. In meinem eigenen Fall kann ich rückblickend sagen.Wenn es ums Überleben geht, sind die Nebenwirkungen locker zu ertragen. Allerdings wohl eher im Krankenstand oder allenfalls mit einer Teilzeit-Beschäftigung. Eine Vollzeitarbeit mit Normaldosis von 4x 200 mg Nexavar kann ich mir nicht vorstellen. Ich tröste mich bis heute bei allen Beschwerden immer nur mit dem einen Satz: „Es wirkt!“ - wenn es mir schlecht geht, so ist das ein Zeichen dafür, dass das Medikament positiv wirkt.

Klar, ich hatte in den ersten Wochen etwa 40-50% meiner Haare verloren. Übrigens nicht nur am Kopf. Eine ganze Woche lang brannte meine Kopfhaut, dann sammelten sich täglich erst Dutzende, dann wohl Hunderte von Haaren unter der Dusche oder auf dem Kopfkissen. Nach einigen Wochen sind sie, zunächst gekräuselt, nun sogar richtig lockig, wieder nachgewachsen. Ergebnis: Sieht besser aus als vorher.

Am schlimmsten waren und sind für mich das Fuß-Syndrom (=Schwielen, Hornhaut, Hühneraugen an den Fußsohlen, speziell an Ballen und Ferse, insgesamt erhebliche Beschwerden und auch Schmerzen beim Gehen) sowie Diarrhöe (starker, gelblich verfärbter, teils schaumiger und häufig übel riechender Durchfall, meist 4-6x, manchmal aber bis zu 12x täglich!).

Daneben fühle ich mich auch häufig schlapp und antriebslos, habe oft schon bei geringen Belastungen Atemnot mit dem Zwang, eine Pause einzulegen. Ich schlafe mehr, aber mein Appetit ist reduziert, seit Jahresbeginn hatte ich 9 kg Gewichtsverlust. Immer wieder mal ein Benommenheits- oder Schwindelgefühl, doch meist nur von kurzer Dauer.

Doch andererseits – so gut wie nie Übelkeit oder Erbrechen !!! Das, was man eigentlich von jeder Chemotherapie vom Hörensagen als Horror kennt, trat bei mir in einem halben Jahr nur 2 Tage lang auf. Vermutlich hatte ich mir da zusätzlich noch eine Darmgrippe oder irgendeinen Virus eingehandelt.

Nebenwirkungen rühren aber natürlich auch von anderen Begleitmedikamenten her. Und beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom nimmt man ja wohl eine ganze Reihe anderer Präparate ein, die aufeinander abgestimmt sind, etwa um dem Schmerz, auftretender Übelkeit, Diarrhoe oder Schlafstörungen entgegenzuwirken. Auch ich hatte anfangs einen solchen Behandlungsplan (habe ihn eigentlich noch immer) und habe auch die verschiedenen Präparate stets vorrätig. Aber sie sind auf meinem Behandlungsplan in Klammer gesetzt, d.h. Einnahme nur bei Bedarf. - Ich persönlich habe mich jedenfalls sehr frühzeitig bemüht, Schmerz- und Schlafmittel weitgehend einzustellen, nachdem mir auffiel, dass einige der Schmerzmittel auch noch unangenehme Blähungen verursachten. Wenn man schon an Durchfall leidet, so ist das ein wenig so, als wenn man den Teufel mit dem Belzebub austreibt. Ärzte sehen das mitunter ganz anders, sprechen etwa von der Gefahr, dass unbehandelte Schmerzen chronisch werden können etc. Vielleicht hätte ja auch die Kombination mit anderen starken Schmerzmitteln dem Abhilfe verschaffen können. - Wie auch immer. Ich für meinen Teil habe mir die Freiheit herausgenommen, auf meinen eigenen Körper zu hören und nehme seit rund 3 Monaten außer 800 mg Nexavar täglich keine anderen Medikamente mehr ein. Mit Ausnahme einer monatlichen Infusion von 6 mg Bondranat, was wohl das Einnisten von Metastasen in den Knochen verhindern soll.

Die nachhaltigste Begleiterscheinung an der Therapie mit Nexavar scheint mir die folgende: Das Leben ist einfach nicht mehr so planbar wie früher. - Werde ich heute Abend ins Theater gehen oder einer Einladung von Freunden Folge leisten können? – Werde ich Appetit haben? Oder mich wenigstens fit genug für eine Unternehmung fühlen? – Man weiß vorher nie so recht, wie man sich einige Stunden später fühlen wird. Das schränkt die Lebensqualität doch sehr ein und macht es auch den Lieben und Verwandten mitunter nicht leicht. Schön, wenn man dann eine/n verständnisvolle/n Partner/in hat.

Wenn ich versuchen müsste, das „Unwohlsein“ oder die sonstigen Einschränkungen graduell zu beschreiben oder - anders formuliert-, auszudrücken, um wie viel Prozent die Lebensqualität mit der Einnahme von Nexavar abgenommen hat, so würde ich über einen Zeitraum von einem halben Jahr sagen: Je nach Befinden vielleicht zwischen 25 und 50% pendelnd, ganz selten vielleicht auch einmal 60% oder darüber. Das heißt aber: Das Wohlsein überwiegt spürbar das Unwohlsein.


5. VORLÄUFIGES FAZIT

"Mein" Onkologe hat die Wirksamkeit von Nexavar weit über diejenige der IMT gestellt. Auch in Bezug auf die Nebenwirkungen scheint Nexavar vorn zu liegen. Sicherlich ist Nexavar kein Wundermittel. Aber nach meinen Erfahrungen kann Nexavar weit mehr, als das Leben „nur um ein paar Monate zu verlängern“, wie ich in einem Beitrag las!

Noch einmal zur Erinnerung: Jeder Fall liegt anders. Auch 6 Monate sind vielleicht noch kein ausreichend langer Zeitraum. Und schließlich: Mindestens genauso wichtig wie die verschiedenen Methoden scheint mir heute, wie wir geistig und seelisch auf die Konfrontation mit dem eigenen Tod (oder demjenigen naher Angehöriger) reagieren und mit dieser Situation umgehen, welche Erwartungen oder Befürchtungen wir haben usw.

Ich habe mich z.B. nie gefragt „Warum gerade ich?“ oder auch nur ein einziges Mal über die Unfähigkeit der Ärzte geklagt. Gewiss lief in den letzten 6 Jahren etliches schief, manches hätte einfach nicht passieren dürfen. Aber Ärzte sind auch nur Menschen. Und die wenigsten von uns machen sich klar, unter welchem enormen Druck viele Ärzte täglich stehen. Was ich mir aber durchaus selbst als Versäumnis anrechne: Ich hatte mich im Gegenteil viel zu schnell mit meinem baldigen Tod abgefunden, ohne dass er mir bislang wirklich ernstlich nahe war! Ich hatte meine eigene private Vorstellung von meiner unmittelbaren Zukunft und mich lange nicht wirklich mit meiner Lebenspartnerin darüber ausgetauscht. Ihr erging es nicht anders. Beide hielten wir meinen baldigen Tod für möglich, ja sogar wahrscheinlich, konnten aber darüber nicht miteinander sprechen. In dem Wunsch, dem anderen nicht (noch mehr) weh zu tun, haben wir so eine emotionale Schweigemauer zwischen uns errichtet und wurden letztlich unaufrichtig. Sicher, es war wohl eine falsch verstandene Hilfe, dass mir ein (angehender) Arzt glaubte sagen zu müssen, ich solle möglichst bald meine Angelegenheiten regeln und mir die verbleibende Zeit (auf Nachfrage: statistisch etwa ein halbes Jahr) noch möglichst angenehm machen. Aber ich war es, der daraus (m)ein persönliches Selbstmordprogramm gebastelt hat. Zum Glück durfte ich das noch rechtzeitig erkennen.


5. EMPFEHLUNGEN, WÜNSCHE

Ich möchte allen Betroffenen und den Angehörigen Mut machen, ihre Krankheit und die noch so brutal klingende Diagnose erst mal anzunehmen; nicht wegzusehen oder sich selbst wegzudröhnen, sondern gemeinsam und offen über die eigenen Gefühle zu sprechen und sie nicht aus falsch verstandener Rücksichtnahme zu verdrängen; sich zunehmend weiter fachlich zu informieren, nicht alles ungeprüft hinzunehmen, was uns die Ärzte und Heiler erzählen; sich immer eine Zweit- und Drittmeinung anzuhören; vor allem niemals die Hoffnung aufzugeben; um dann nach und nach ein „Gesundprogramm“ zu entwickeln und dabei ihren ganz eigenen Weg zu finden, möglichst natürlich zu ihrer Genesung, im schlimmsten Fall aber (noch immer positiv!) zur Annahme des letztlich Unausweichlichen.

Ein schönes Zitat dazu fand ich in Rudolfs Thread „Alte und neue Weisheiten“:
So wie es in Ihrer Macht liegt,
an Ihrer Erkrankung mitzuwirken,
haben Sie auch die Macht,
sich an Ihrer Genesung zu beteiligen.

Dr. med. Bernie Siegel, Arzt
Möglicherweise habe ich mir den Nierenkrebs ja selbst zugezogen. Ich war nämlich 34 Jahre lang absoluter Suchtraucher. Und Raucher erkranken etwa 40% häufiger an Nierenkrebs, las ich. Vor meiner Transplantation habe ich mich dann für das Leben entschieden und endlich umgesetzt, was mir Jahrzehnte lang als unmöglich erschien: Dem Qualm ein Ende zu setzen. Heute bin ich annähernd 3 Jahre Nichtraucher und begreife es nicht mehr, wie ich eigentlich glauben konnte, mich von so etwas Ekelhaftem nicht aus eigener Kraft lösen zu können!

Vielleicht muss nur erst einmal der Leidensdruck groß genug sein, um alte und lieb gewonnene Einsichten und Verhaltensweisen als Fixierungen zu erkennen um sie dann endgültig an die Vergangenheit zu verabschieden?

Wer immer den Wunsch hat, sich mit mir persönlich – auch telefonisch – auszutauschen, kann dies gern mit einer privaten Email an mich einleiten. Ansonsten werde ich hier hoffentlich bald die neuesten Untersuchungsergebnisse posten.

Ihnen und Ihren Angehörigen allzeit Alles Gute

Gerhard

Geändert von *gerhard* (10.04.2008 um 12:44 Uhr)