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Alt 12.07.2004, 00:31
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Rudolf Rudolf ist offline
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Registriert seit: 07.05.2003
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Standard Ein ganzheitlicher Ansatz?

Hallo Thomas,
Du erwähnst zweimal die Zahl siebzehn. Demnach bin ich wohl zwei mal siebzehn Jahre älter als Du und möchte versuchen, Dir verständlich zu antworten, aus eigener Erfahrung.
In den allermeisten Punkten gebe ich Dir recht. Bei Krebs kommt man an sich selber nicht vorbei.
1. Sicher ist jeder Krebs anders, weil jeder Krebs mit einer anderen einmaligen Persönlichkeit verknüpft ist. Man mag vielleicht unter rein physischen Gesichtspunkten 50 oder 100 Krebsarten unterscheiden und beschreiben können. Aber zu jeder Krebserkrankung gehört ein Mensch.
Und wie ein Mensch mit dem Krebs umgeht, läßt sich nicht standardisieren.
>> Nicht das Schicksal begegnet mir, sondern ich begegne dem Schicksal. <<
2. Es gibt keine absolute Behandlungsmethode, es gibt keine General-Diät. Diät halte ich sowieso für keine geeignete Maßnahme. Schließlich ist Krebs eine Erkrankung der Persönlichkeit, nicht primär des Körpers. Aber wer weiß das schon? Jedenfalls nicht die Mehrheit, weder der Ärzte noch der Patienten.
3. Mit der Krebsbehandlung wird sicher viel Geld verdient. Ich möchte das nicht bewerten.
Tatsache ist auch, daß Krebsforschung sehr langwierig und deshalb teuer ist. Tatsache ist aber auch, daß viele Patienten „alles mögliche“ an Therapie oder ähnlichem mitmachen wollen. Oder sollen. „Für meine Mutter ist mir nichts zu teuer.“ . . .
4. Krebs entsteht nie über Nacht. Es dauert sicher Monate oder Jahre, bis der Krebs so weit fortgeschritten ist, daß er erkennbar wird. Zudem ist das Tempo des Tumorwachstums sehr von der Art des Tumors abhängig.
5. Mit Sicherheit wird der Mensch durch den Krebs zu einer Art Bilanz seines Lebens gezwungen. Er muß sich entscheiden: Will ich leben? Oder: Will ich sterben?
Meine Meinung und mein Weg: „Diese Krankheit, die mich an den Tod erinnert, will, daß ich das Leben wähle und die Krankheit vergesse.“
6. Warum meinst Du, daß es unmöglich ist, sich nicht in sich zu verrennen? Möglich ist das schon, aber nicht völlig unmöglich. Allerdings ist das ganze System dabei, sich zu verrennen, weil nur wenige erkannt haben, daß der ganze Mensch Krebs hat, nicht nur der Körper.

7. Hier muß ich Dir widersprechen: Krebs löst nicht zwangsläufig den schleichenden Tod aus. Auch nicht die Hoffnungslosigkeit. Meine Meinung, Überzeugung, Beobachtung, und nicht nur meine: Der Mensch fällt erst in ein Loch der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit, der Sinnlosigkeit oder Einsamkeit. In dieser (scheinbar?) ausweglosen Situation kann das Immunsystem enorm geschwächt werden, und dann hat der Krebs leichtes Spiel. Ich kenne und kannte etliche Krebspatienten, und es ist keiner dabei, für den das nicht gilt oder galt.

8. Die einzige „Therapie“, die man bei der Krebsbehandlung verallgemeinern kann, ist die Wiederentdeckung und Rückgewinn der Lebensfreude, der Begeisterung, die Suche nach dem Sinn des Lebens, dem Platz im Leben, dem Platz in der menschlichen Umgebung,. Was darüber hinaus an medizinischer (schul- oder alternativ) und/oder psychologischer Hilfestellung nötig, möglich oder gewünscht ist, hängt von der Krebsart und vom Patienten ab.

Abschließend ein wenig zu mir: Als ich vor fast 4 Jahren die Diagnose Krebs (Niere mit Lungenmetastasen) erhielt, war das kein Schock, wenngleich ein ganz großer Schreck. Meine erste Frage war: Was will diese Krankheit mir sagen?
Verzweiflung und Angst, wie bei so vielen Menschen, stellten sich nicht ein. Mir wurde schnell bewußt, daß ich mich entscheiden mußte. „Ich will leben“ oder „ich will sterben“, dazwischen gibt es nichts.
Ich kämpfe nicht gegen den Krebs, sondern für das Leben. Wenn der Krebs eine (lebens-)wichtige Botschaft für mich hat, dann ist er kein Feind, sondern ein Freund. Zudem sind die Krebszellen Teil meines Körpers. Soll ich sie hassen?
Krebs ist kein Grund zum Sterben. Die menschenverachtende Chemo lehne ich ab, weil ich leben will.
Die befallene Niere (+ Milz) wurde operativ entfernt. 10 Monate lang sind die Lungenmetastasen langsam gewachsen, dann habe ich mit Mistel begonnen. Bis auf eine sind alle weg. Ich habe mich nie krank gefühlt. Und ich habe meinen Lebensinhalt wiedergefunden. 3 Monate nach Diagnose und Operation habe ich geheiratet.
Rudolf
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