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Alt 28.08.2003, 18:07
Gast
 
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Standard Was kann ich für meine Mutter tun?

Hallo Ihr Beiden,

mein Papa ist vor 7,5 Monaten an Darmkrebs gestorben. Jetzt wo ich es schreibe, fällt mir auf, dass das schon eine verdammt lange Zeit ist. Für mich ist es immer noch so präsent, dass es mir nicht so lange vorkommt. Ich kann sehr gut nachvollziehen, wie ihr Euch fühlt, denn es geht mir genauso. Ich wohne 400km weit weg von zu Hause, und kann meine Mama leider auch nicht so oft sehen. Ich versuche, jedes zweite Wochenende zu fahren und wir telefonieren täglich (meist mehrmals, obwohl ich meiner Mum damit wohl manchmal mächtig auf die Nerven gehe). Auch ich habe trotz der etwas längeren Zeit eigentlich noch nicht realisiert, was eigentlich passiert ist, ich wünschte, alles ist ein böser Traum und Papa wäre endlich wieder da. Ich habe keine Geschwister - meine Eltern und ich hatten immer ein sehr inniges Verhältnis zu einander, jetzt fehlt auf einmal einer.

Ich hab mir anfangs auch sehr große Sorgen um meine Mama gemacht (und mache sie mir auch immer noch) Wenn ich lese was du schreibst Flo, dann kommt mir das so bekannt vor. Die Bücher, die ich Mama besorgt habe, hat sie auch gelesen, aber ich bin mir auch nicht sicher, inwieweit sie geholfen haben. Aber ich denke, es ist trotzdem gut, weil man sich so damit beschäftigt, und auch ein Stück weit das Gefühl bekommt nicht allein zu sein. Wie Ulli, glaube ich auch, dass es sehr wichtig ist über alles zu reden, über Gedanken, Gefühle und auch das Danach. Auch meine Mama versucht immer stark zu sein, wenn andere sie heute fragen, wie es ihr geht, dann sagt sie immer: geht schon. Ich weiß, dass es ihr nicht gut geht. Das Schlimmste ist einfach, dass man nicht wirklich was daran ändern kann. Ich versuche halt immer wieder, sie abzulenken und aufzubauen. Nur ganz im Inneren ist sie allein mit ihrer Trauer – nur das sind wir als Kinder auch, denn jeder muss letztendlich ganz alleine damit zurechtkommen. Bei mir nimmt die Sorge und Angst um sie auch schon sehr extreme Züge an. Die Reaktion von meinem Freund ähnelt der deines Mannes. Ich kann aber einfach nicht aus meiner Haut, wenn sie Auto fährt oder unterwegs ist, dann ruf ich ständig an und frage, ob sie gut angekommen ist, oder was sie macht. Ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn ihr plötzlich was passiert.

Ich glaube, was meiner Mama unheimlich geholfen hat, war, dass sie sich sofort in Arbeit gestürzt hat. Sie hatte ständig was zu tun und ist auch viel unterwegs gewesen. Ich weiß wie schwer das für sie war und auch noch ist, aber es hat ihr geholfen, die erste ganz schlimme Zeit durchzustehen. Vielleicht ist das ja bei deiner Mama auch möglich Flo? Hat sie denn Freundinnen, die sie mal mitnehmen, einfach nur was trinken oder spazieren, oder meine Mama trifft sich jetzt immer zum Schwimmen und Saunen. Geht deine Mama denn noch arbeiten? Wie ist das bei deinem Vater Ulli? Das mit dem Haus war für meine Mama denke ich auch sehr schwer, riesige leere Räume alles erinnert an den anderen. Wir haben uns entschlossen, dass Haus zu verkaufen. Hört sich hart an, und das war es auch, aber für meine Mama war es eine Art „Neuanfang“. Wir haben alle uns wichtigen Erinnerungen behalten. Anziehsachen haben wir – bis auf Ausnahmen – verschenkt. Das ist sicher eine sehr extreme Art, aber ich glaube, für uns wäre jeder andere Weg noch sehr viel schmerzlicher gewesen. Wir haben unsere Erinnerungen in Form von Bildern, kleinen Andenken und seinen Lieblingssachen.

Hast du deine Mama schon mal gefragt, ob eine Selbsthilfegruppe etwas für sie wäre? Oder hat sie denn im Freundes- oder Bekanntenkreis jemanden, der auch den Partner verloren hat, und mit dem sie sich austauschen könnte? Meine Mama sieht da nicht die „Notwendigkeit“, sie meint, sie kann ja mit mir alles besprechen. Da hat sie natürlich recht, aber ich denke, dass das vielleicht nicht immer das gleiche ist. Der Schmerz an sich ist denke ich der gleiche, aber die Gedanken, Gefühle und auch die Verarbeitung sind vielleicht anderes. Ich denke es wäre gut, wenn sie sie ab und an mal mit jemandem reden könnte, der genau das gleiche durchlebt. So wie hier, jeder wird von der Trauer und dem Schmerz begleitet, aber die ähnlichsten Empfindungen zu mir selbst finde ich bei Menschen, die den Vater oder ein Elternteil verloren haben. Man merkt ja an sich selber, wie gut das Schreiben eigentlich tut. Meine Mama mochte aber bislang nicht…

Würde mich freuen, wieder von euch zu hören,

Liebe Grüße

Cas
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