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Alt 10.03.2009, 13:54
Mesi50l Mesi50l ist offline
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Standard AW: Große Sorge um meinen Papa

Hi, liebe Julia!

Ja, ich weiß, dass mein Posting schwer zu verstehen ist; das liegt aber an dem Thema. Das Thema ist gesellschaftlich tabuisiert. Wie stark es tabuisiert ist, kann man exakt an deinem Posting ablesen:

Zitat:
Zitat von Juliaaa Beitrag anzeigen
Messi, es ist nicht der Kontrollverlust, es ist die Ohnmacht, nichts tun zu können,
Julia
Kontrollverlust IST Ohnmacht!!! Das ist identisch!

Zitat:
Zitat von Juliaaa Beitrag anzeigen
zuschauen wie er leidet, es ist die Angst einen Menschen zu verlieren den man soooo liebt, mein Papa ist immer für uns alle da, er ist einfach ein super lieber Mensch und hat dass einfach nicht verdient. Wie keiner sowas verdient.
Julia
"Zuschauen" hat so einen voyeuristischen Beigeschmack. Du schaust ja nicht zu - im Sinne von "Unterhaltung"; du kannst nur nichts dagegen tun. Das ist etwas anderes. Außerdem kannst du zumindest im Rahmen eurer sozialen Beziehungen sehr wohl etwas tun, denn du bist ja da!

Jetzt ist natürlich auch die Frage, inwieweit man sich über die Unabänderlichkeit von Leid (in den verschiedensten Formen) schon mal Gedanken gemacht hat?

Der entscheidende Punkt ist sicherlich deine Äußerungen "es ist Angst, einen Menschen zu verlieren, den man soo liebt".
Wenn ich an Mathias' berechtigte Forderung von der Überprüfung aller Bewertungen anknüpfe, könnte man das ja auch mal andersherum sehen?
Wie schön, dass ihr euch soo liebt (und nicht wie in manchen anderen Familien der totale Krieg herrscht).
Wie schön, dass euer Vater immer für euch da war (und nicht wie in manchen anderen Familien seine Verantwortung in den Müll zentriert hat). Mit diesem Wieschön könnte man ein starkes Gefühl der Dankbarkeit verbinden? Auch eine Dankbarkeit gegenüber nicht näher bezeichneten Mächten des Schicksals, dass einem so etwas Schönes gewährt wurde - wohl wissend, dass man es selbstverständlich nicht ewig wird behalten können. Oder hat man darüber nicht nachgedacht?

Jetzt wäre hier wieder die geeignete Stelle für das leider ziemlich abgedroschene Halb-voll-halb-leer-Glas-Diktum. Du zentrierst deinen Blick zu sehr auf die leere Hälfte?

Fülle doch mal die Dankbarkeitsenergie in deinen Papa hinein? Hast du ihm in letzter Zeit schon mal gesagt, wie dankbar du für seine Liebe und seine Präsenz bist? Dass sie dich in deinem Leben so unendlich bereichert und gestärkt hat, dass du auch schwierige Aufgaben unter Rückgriff auf dieses Geschenk von ihm wirst bestehen können? Mensch, müsste der sich toll fühlen, an seinem Krankenbett eine Tochter zu sehen, die seine Liebe so gestärkt hat, dass sie auch so eine schwere Aufgabe souverän besteht!

Oder bedient man hier in seinen persönlichen Reaktionen ein gesellschaftliches Klischee, dass den Grad von Liebe und Dankbarkeit an dem Ausmaß von nach außen getragener Trauer und Verzweiflung ablesbar macht?

Du sprichst von "verdient" - kein Mensch hätte so etwas "verdient". Aha: Krankheit als "Strafe"? Ja, aber von wem denn, wenn man so eigentlich doch an nichts glaubt?

Das ist die Tabuisierung - Trennung und Absonderung von "Krankheit" als einen Bestandteil, der nicht zum Leben gehört. Doch, Krankheit gehört zum Leben! Und Krankheit hat auch immer einen Sinn - wo der jedoch liegt, muss jeder für sich selbst herausfinden!

Das wären alles Ansätze für Um-Wertungen:
Dankbarkeit und Fülle für das große Liebesgeschenk an Stelle von Angst davor, es zu verlieren.
Dankbarkeit und Stärke für eine nahezu glückhafte Familienkonstellation, die keine Selbstverständlichkeit ist. Welchen Sinn hätte dieses Geschenk gehabt wenn nicht den, für das Leben - und zu diesem gehören Krankheit, Leid und Tod dazu - zu STÄRKEN! Und auch zu zeigen, dass es gestärkt hat?
Die Sinnhaftigkeit von Krankheit anzuerkennen und diese nicht zu bekämpfen, sondern mit ihr zu gehen. Und damit das Leben in seiner Ganzheit und nicht nur in seinen angenehmeren Aspekten anzunehmen!

Warum nicht die Schranken, Sperrungen und Verspannungen JETZT mal thematisieren? Weiter oben hast du geschrieben, dass dein Vater zu einem Zeitpunkt X wohl gerne geweint hätte und es sich in eurer Gegenwart aber nicht gestattet hat. (Warum auch immer - das sind ja auch soziale Konditionierungen!) Ganz empört hast du gefragt, warum er nicht geweint habe - ihr hättet doch Verständnis dafür. Dieser Frage würde ich mal noch weiter nachgehen! Frage ihn doch mal selbst nach dem Grund? Vielleicht öffnet das Schleusen?

Achte genau auf das, was er sagt, wie er es sagt und auch das, was er nicht sagt. Wann er nichts sagt. Versuche herauszukriegen, was er wirklich möchte (abgesehen von dem Heilungswunsch, den du nicht bedienen kannst). Worüber freut er sich - jetzt, in dieser Situation? Was ist für ihn vielleicht eine Belastung - auf die ihr gerade gar nicht kommt?

Möchte er gebraucht werden? Oder möchte er lieber entlastet sein?
Möchte er getröstet werden? Oder verschafft es ihm Linderung, wenn er merkt, dass ihr die Situation auch schnörkellos anerkennt?
Möchte er Ruhe oder möchte er Aktion?
Will er das Gespräch oder will er stilles liebendes Dasein?
Will er Ablenkung oder möchte er jetzt wichtige Fragen ansprechen?
Darf er sich jetzt ausschließlich um sich selbst kümmern oder muss er immer noch Funktionen als Vater erfüllen? Z. B. in dem er sein Wissen über seinen gesundheitlichen Zustand zur eurer Schonung verbirgt?

...wären lauter Fragen, die mir jetzt so einfallen und die ich in den bisherigen Postings nicht beantwortet finde, in denen man nur über die schulmedizinischen Aktionen spekuliert, die man aber de facto in ihrem "Wert" gar nicht beurteilen kann.

LG Mesi50l
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