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Alt 09.02.2006, 21:38
Benutzerbild von Geli-Emilie
Geli-Emilie Geli-Emilie ist offline
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Standard AW: Adenocystisches Karzinom im Weichgaumen und der Kampf degegen

Liebe Manuela, liebe Mandy,

ich freue mich sehr über die lieben Komplimente, aber natürlich gab es auch "Durchhänger", besonders in der Zeit, als ich noch völlig unsicher war, was ich eigentlich habe. Allerdings waren diese nie von langer Dauer. Ansonsten wäre ich wohl verrückt geworden! Es kann mir auch niemand erzählen, er/sie hätte solche Momente nicht durchgemacht. Es wäre unnormal. Sowohl für die Kranken als auch für Angehörige und Freunde.

Mandy, deine Mam macht es genau richtig: Ziel setzen! Wieder an Nordic Walking denken - genau! Ich jedenfalls werde mir im Rahmen meiner finanziellen Möglichkeiten all meine offenen Wünsche erfüllen. Im Februar nach Salzburg für eine Woche, im Mai (wenn's klappt) 3 -5 Wochen Reha, im Juli - und das ist der absolute Traum! - 2 Wochen nur mit meinen beiden Geschwistern nach Island fliegen, Rundfahrt mit Geländewagen, Übernachtung auf Bauernhöfen. Dann eine Woche daheim, Koffer umpacken und drei Wochen in die Zweitheimat Dänemark. Außerdem hat mein Mann noch Resturlaub, den er Ende März zu unserem 21. Kennenlerntag nimmt. Da fahren wir wahrscheinlich in die Dolomiten, wo ich Ski fahren kann (wenigstens ein bisschen) und er Rad fahren. Was sonst noch kommt an "Verreisen", schaun wir mal. Bernd ist beruflich viel im Ausland unterwegs, jetzt habe ich es nicht mehr nötig, kurzfristig um Urlaub zu bitten, brauche nur noch ja oder nein zu sagen.

Wie auch immer der Verlauf meiner Krankheit sein wird, ob ich nun 60 werde, 70 oder 80... ich werde niemals sagen müssen: "Ach hätt' ich doch, als ich noch konnte..." Nein, ich habe nichts (fast nichts) ausgelassen. Bis dahin werde ich noch viele "Premièren" haben, danach ist alles nur Wiederholung. Ich glaube sogar, ich hätte mich damit abgefunden, wenn die Prognosen hoffnungslos gewesen wären. In den letzten beiden Jahren habe ich viel über mich gelernt und festgestellt, dass ich fähig bin, Dinge durchzustehen, die ich mir vorher niemals zugetraut hätte. Meine Angehörigen haben damit viel mehr Schwierigkeiten, so muss ich immer wieder versuchen, ihnen Mut zu machen. Wenn ich daran denke, wie viele aus meinem Jahrgang +/- 5 Jahre schon tot sind, und wie lange bereits, komme ich auf 26 Beerdigungen!!! Oft sage ich mir dann: Mensch, ist das jetzt schon so lange her, dass er/sie gestorben ist, es kommt mir vor wie höchstens 1 Jahr. Und die, die mich um vielleicht um 20 Jahre überleben, denen wird die Zeit auch sehr kurz vorkommen und sie werden sich fragen, ob sie mich wirklich so lange überlebt haben. Ich weiß nicht, ob ihr nachvollziehen könnt, was ich damit meine, aber ich hoffe, ihr missversteht das nicht. Ich bin dankbar dafür, dass ich 20 Ehejahre hatte, dass ich in einer intakten Familie aufgehoben bin, vertrauensvolle Freunde habe, über ein halbes Jahrhundert bereits auf der Welt bin, meine Zeit genutzt habe, sodass ich glücklich auf die Vergangenheit zurückblicken kann und bin mit mir im Reinen und so ausgeglichen wie nie vorher, ohne, dass dies jetzt ein "Abgesang" sein soll. Wenn ich mir meine Schwiegermutter anschaue, die windschief im Rollstuhl sitzt, nichts mehr mitbekommt, sich nicht mitteilen kann und immer nur jammert: "Ich will sterben, ich will sterben...", dann sage ich mir bei diesem Bild, nein, dann lieber 10 Jahre kürzer gelebt, als ein solches Ende zu haben. Auch habe ich keine Angst mehr (außer nachts allein auf dem Friedhof ), weil mein Vertrauen in MEINE Ärzte so groß ist, dass ich weiß, ich kann mich auf sie in jeder Situation verlassen. Aber ich habe trotz schlechter Prognosen immer GEWUSST, dass ich "noch nicht dran" bin. Und hatte Recht. Wenn es anders gewesen wäre, hätte ich es auch gewusst. Dazu habe ich das richtige Körpergefühl, oder wie immer ich es ausdrücken soll. Ich wünschte, andere Betroffene könnten sich ebenso fühlen, dann wäre vieles leichter.

Noch ein bisschen Plaudern aus der Praxis:
liebe Manuela, ich will ja die Kompetenz eurer Ärzte nicht anzweifeln, aber 4 (!) Pflaster??? Das ist aber sehr unpraktisch. Wer hat dies verordnet? Habt Ihr schon mal die Idee gehabt, eine Überweisung zu einem Schmerztherapeuten zu einzuholen? Von den Onkologen wurde ich vorher immer mit der Kombination Tramal/Novalgin versorgt. Allerdings ist es meist so, dass der Patient wartet, bis der Schmerz erst mal richtig zuschlägt, viel besser ist natürlich eine Rundumversorgung. Erst als ich in der Reha war, habe ich die Gelegenheit wahrgenommen, den dortigen Schmerzspezialisten aufzusuchen. Ich habe täglich ein Schmerztagebuch geführt, verschiedene Dosierungen getestet, und erst nach drei Wochen war ich optimal eingestellt. Das Pflaster klebe ich mir alle 4 Tage abwechselnd auf das rechte und linke Schulterblatt. Dort schwitzt man am wenigsten. Im Gegensatz zum Bauch. Kein Wunder, wenn die Dinger nicht richtig haften.

Ich denke, EIN Pflaster mit der richtigen Dosierung ist ausreichend. Manchmal, bei Wetterumschwüngen z.B., nehme ich zusätzlich ein paar Tropfen Novalgin, das ist gut zu kombinieren mit dem Morphium. Allerdings kommt das nicht oft vor. Ich habe zwar auch weiterhin Schmerzen, allerdings im erträglichen Rahmen, so dass mir der Tag nicht verleidet wird. Überlegt Euch das mal mit dem Schmerztherapeuten. Über diesen Vorschlag dürften die Onkologen nicht beleidigt sein.

Und: schnüffelt nicht zu viel im Internet rum! Mein Mann und meine Schwester haben das auch getan, mit dem Ergebnis, dass sie voll gegen den Kopf geschlagen waren. Ich kann mich noch an einen riesengroßen Krach mit meinem Mann erinnern, als ich gut gelaunt von der Weihnachtsfeier mit Kollegen kam und er heulend in der Küche saß, Rotwein getrunken hatte und Musik in der Art "Knock-, knock-, knocking on Heavens' Door" hörte. Mit der Ansprache: "Du tust grad so, als wärst du kerngesund, springst auf Fêten rum, dabei hast du nicht mehr lange zu leben, uns bleiben nur noch ein paar Monate, guck' mal ins Internet, da kannst du's lesen: aber Erkennen noch 4 - 11 Monate, ruf' doch deinen Klassenkameraden an, mit dem habe ich telefoniert, der wird dir das bestätigen...". Beinahe wäre ich ausgezogen. Sowas habe ich gerade gebraucht! Nachdem er mich zuerst völlig runtergezogen hatte, bin ich auf die Barrikaden gegangen und habe ihm ziemlich den Kopf gewaschen mit der Androhung, dass ich ausziehe, wenn so etwas noch ein einziges Mal vorkommt und er seine Einstellung nicht grundlegend ändert. Seitdem ist Schluss mit Rotwein und Alkohol überhaupt, und das Thema Krankheit beherrscht nicht unseren Alltag. Seither ist meine Ehe viel besser als vorher. Also, ihr Laien: wenn schon Internet, dann die Ergebnisse wenigstens mit den Kompetenten diskutieren. Das hat mein Mann zwar mit meinem Klassenkameraden (HNO-Arzt) auch getan, aber alles Gesagte als wirklich zu erwartende Tatsache hingestellt, obwohl dieser immer nur "ja - könnte passieren, ist aber selten...".

Noch ein Wort zu Dir, liebe Mandy und Deiner couragierten Mam (an der sich viele auch ein Beispiel nehmen sollten, Hut ab!): es wird mit Sicherheit Nebenwirkungen geben, aber das geht vorbei. Kleiner Tipp: blooooß nicht aufregen, wenn mal 'ne Handtasche irgendwo liegen bleibt, wenn einem auffallend der Name von besten Bekannten nicht gleich einfällt, wenn man sich auf einmal schusselig fühlt... nein, ist keine Alzheimer, kein Hirntumor, keine Altersdemenz... völlig normal bei solchen Therapien! Kommt bei einem weniger, beim andern öfter (wie bei mir), bei wieder anderen gar nicht vor. Wenigstens habe ich jetzt eine prima Entschuldigung, wenn ich wieder mal was versiebt habe: "Leute, das gehört alles zum Fatigue-Syndrom !"

Auf alle Fälle freue ich mich, wenn ich Deiner Mutter und Deinem Freund, Manuela, ein wenig Mut machen kann und helfen. Ich bin eigentlich nur durch Zufall (Thomas' Beitrag) in diesen Thread geraten. Da ich hier nicht täglich reinschaue und vielleicht nicht antworte, weil ich Fragen nicht gelesen habe, würde ich mich freuen, wenn Ihr mich mal im "CUP-Syndrom-Forum" besuchen würdet, falls es Fragen gibt. Zum ACC kann ich nichts sagen, aber was die Halsbestrahlung angeht, könnte ich Euch vielleicht diesen oder jenen Tipp geben, bei Mundtrockenheit, Geschmacksverlust...

Oje, viertel nach neun! Normalerweise gucke ich mir Sendungen wie Songcontest mit dem Raab nicht an, aber diesmal findet er in meiner Heimatstadt Wetzlar statt, da wollte ich schon vor einer Stunde... und jetzt habe ich mich hier viel zu lange festgeredet.

Liebe Mandy, Deine Mam und Du, liebe Manuela, seid auch herzlich von mir gedrückt! Wir werden das Kind schon schaukeln, gell?

Alles Liebe und viel Optimismus für Euch alle hier im Thread!

Hallo, lieber Thomas! Alles Gute! Wie ergeht es Dir??? Übrigens: sehr gute Beiträge in Bezug auf Mundtrockenheit/Geschmacksverlust hat raipa geschrieben (s. "Benutzerliste"), vor allem im Thread "Tonsillenkarzinom" und "CUP-Syndrom". Er hat mir sehr geholfen! Und hat vor allem viel Hintergrundwissen.

Geli
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