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Alt 11.07.2017, 10:17
Otter77 Otter77 ist offline
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Standard AW: Follikuläres Lymphom, Grad 1

Hallo lieber Marcel,
gerade bei jungen Leuten sind die Ärzte immer recht (zu) entspannt und geben erst einmal immer Entwarnung bzw. sagen, wird nichts ernstes sein. Die Wahrscheinlichkeit ist ja auch gering, aber bei uns beispielsweise wurde mehrere Jahre um die Erkrankung herumtherapiert, bis endlich die richtigen Untersuchungen durchgeführt wurden.
Mein Mann hatte ebenfalls diffuse Beschwerden so wie du sie beschreibst: Zwicken irgendwo im Körper, Ziehen im Rücken, vor allem Bauchschmerzen und später Druckschmerzen auf der Brust. Er ist zig mal auf Magenschleimhautentzündung behandelt worden... Er hat auch ein FL, Grad 1-2, Stadium 3.
Wenn man nicht mehr in einem heilbaren Stadium ist (das wäre 1 oder je nachdem auch 2, wenn kein Bulk da ist oder so), macht man erst einmal "Wait and Watch", d.h. engmaschige Beobachtung, aber keine Therapie. Sobald die Symptome die Lebensqualität zu stark beeinträchtigen oder sich klassische B-Symptome zeigen (Nachtschweiß, Fieber, ...) entscheidet man sich meist für eine Therapie.
Wegen Punktion: Man muss mindestens eine Stanzpunktion machen (Nadelpunktion reicht nicht), aber meistens wird ein ganzer Knoten entnommen, wenn einer gut "erreichbar" ist. Knochenmarkuntersuchung ist auch meiner Sicht schon nötig, denn ansonsten kann man das Stadium nicht bestimmen. Ist zwar für die Therapie nicht unbedingt wichtig (da ist es meist egal, ob Stadium drei oder vier/vier mit KM-Befall), aber für eine erste Prognose nach dem sogenannten FlIPI-Index gibt es Orientierung.
Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass es einem erst einmal komplett den Boden unter den Füßen wegzieht -- war bei uns nicht anders. Ich finde, es ist auch ein großer Unterschied, ob man so eine Diagnose mit Mitte Dreißig oder (typischerweise) im Seniorenalter bekommt.
Ich würde in jedem Fall immer eine Zweitmeinung oder sogar eine Drittmeinung einholen. Wichtig für eine Behandlung ist, dass es ein Zentrum ist, das Lymphome oft behandelt (z.B. die meisten Unikliniken). Da haben die einfach mehr Erfahrungswissen.
Bezüglich Therapie: Falls eine Therapie bereits nötig sein sollte (man macht in Deutschland so lang wie möglich Watch and Wait, in den USA therapiert man oft früher, aber es scheint keinen Unterschied für die Prognose zu haben -- also empfiehlt sich warten, da in der Zwischenzeit auch immer mehr Behandlungsoptionen entwickelt werden), ist derzeit der Standard eine Chemoimmuntherapie mit Bendamustin und dem Antikörper Rituximap oder auch Obinutuzumap. Es gibt aber innerhalb von Studien auch immer wieder chemotherapiefreie Optionen. Derzeit fürs FL die Kombi Obinutuzumap (Infu) und den Tabletten Ibrutinib (Alternative Studie). Uns hat man mehrheitlich von Chemo abgeraten und auf die Alternativen verwiesen (Monotherapie mit Antikörper oder eben die Alternative Studie).
Beim Kompetenznetz für maligne Lymphome findet man immer aktuelle Infos zu Studien: http://www.lymphome.de/InfoLymphome/index.jsp. Die kann man auch anschreiben, antworten innerhalb von ein bis zwei Tagen. Oder direkt bei der Gruppe in München. Die wissen an welchen Kliniken die jeweiligen Studien angeboten werden.
Das FL mit Grad 1 wächst langsam, so dass du dir die Zeit, die du brauchst, nehmen kannst, um zu entscheiden, was du machst. Nur bei Studienteilnahmen muss man aufpassen, hier dürfen Befunde zum Teil nicht älter als vier Wochen sein. Zur Not muss man dann Punktion und so nochmal machen, aber muss ja nicht sein, wenn man es weiß.
Ich wünsch dir alles Gute und gute Nerven für die nächsten Wochen. Ich hoffe, du hast jemand (oder mehrere Menschen), der sich gut um dich kümmert an deiner Seite.
Otter

P. S. Lass dir am besten immer alle deine Befunde aushändigen. Kopien und CD für die bildgebenden Verfahren wie (Pet)-CT und MRT.

Geändert von Otter77 (11.07.2017 um 11:22 Uhr)
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