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Alt 17.11.2013, 22:43
Charl0tte Charl0tte ist offline
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Standard AW: EK-Forum-User stellen sich vor -

Hallo zusammen,

nach einigen Wochen stillen Mitlesens möchte ich mich Euch vorstellen. Ich werde bald 48 Jahre und vor einem guten Jahr im Herbst 2012 bekam ich die Diagnose Eierstockkrebs Stadium 3c. Das warf mich komplett aus der Bahn, denn ich habe immer auf meine Gesundheit geachtet (Sport, Ernährung, kaum Alkohol, nie geraucht ...). Bei mir sehe ich den Krebs als Ergebnis einer früheren Kinderwunschbehandlung (erfolglos). Tja, die anderen kriegten das Kind und ich den Krebs, ist doch gerecht, nicht? Ich hätte damals so gerne mit meinem zweiten Mann noch ein zweites Kind gehabt. Ich habe einen Sohn aus erster Ehe, er ist zum Glück schon fast 19, so dass ich mich jetzt, wo ich krank bin, hauptsächlich um mich kümmern kann, was ich mir ausgiebig erlaube. Nach der OP wurde mir - wie den meisten von Euch - die Standard-Chemo mit Carboplatin und Paclitaxel angeboten, wahlweise noch innerhalb einer Studie zusammen mit dem hier auch vieldiskutierten Avastin.

Fünf Liter Bauchwasser war in mir drin, der linke Eierstock hatte einen Durchmesser von fast 10 cm, ich bekam keine Luft und aufs Klo konnte ich auch fast nicht mehr. Drei Wochen dauerte mein Krankenhausaufenthalt inkl. 5 Tage Intensivstation, Harnleiterschienen (die ohne Sedierung gelegt wurden, weil der Tropf nicht richtig befestigt war) drei Blutkonserven, einem Ausschlag auf dem ganzen Bauch, unter den Brüsten und in der Leiste - lecker! - und der scheinbar obligatorischen Blasenentzündung. Und das ganze in einem Vierbettzimmer. Ohne die täglichen Besuche meines Mannes wäre ich aus Kummer gestorben.

Nach der Entlassung konnte Ich mich kaum aufrecht halten, schon wenige Schritte forderten mir alle Kraft ab. Sehr langsam nur ging es bergauf. Trotzdem habe ich am Ende Glück gehabt. Der "angedrohte" künstliche Darmausgang blieb mir erspart, der Darm war gesund, die Milz blieb drin, die gestaute Niere erholte sich, der Pleuraerguss veschwand von selber. Ich zwang mich zu regelmäßigen Spaziergängen, damit die spärliche Wintersonne mir ein bisschen Leben einflössen sollte.

Erst jetzt traute ich mich, die Unterlagen über die geplante Chemo zu lesen. Ich war geschockt! Bei jeder zweiten Nebenwirkung fand ich den Zusatz: "auch mit tödlichem Ausgang". Mein persönlicher Entschluss: Da konnte ich ja auch meinen Krebs behalten! Mehr als sterben konnte ich daran auch nicht. Ich war mir schon davor eigentlich sicher, dass ich keine Chemo machen wollte. Aber jetzt war ich mir absolut sicher! Wenn ich sterbe, dann an einer Krankheit, nicht an der Behandlung. Ich bin ziemlich geschockt von Euren schweren Verläufen, grausamen (Neben)wirkungen, die Ihr so stoisch ertragt und trotz allem den Mut nicht verliert. Hut ab!

Mein Weg führte mich woanders hin. Ich stellte meine Ernährung um, machte verschiedene Entgiftungsmaßnahmen (Darm, Leber, Zähne, Sozialkontakte) und schaute auch meine sonstigen Lebensumstände nochmal ganz genau an. Sehr glücklich bin ich über meinen Mann, der mir seelisch eine unglaubliche Stütze war und ist. Aber von meiner Herkunftsfamilie halte ich mich inzwischen fern und das tut mir extrem gut. Manche Familien versprühen leider Gift statt Liebe und man merkt es als junger Mensch nicht immer, sondern wundert sich einfach nur, warum es einem nicht gut geht und sucht die Ursache - typisch weiblich - erst bei sich selber, statt im Umfeld.

Es geht mir inzwischen soweit ganz ordentlich. Ich kann regelmäßig Sport machen, habe endlich Zeit, den Haushalt in Ruhe zu machen, nicht nur gehetzt vor und nach der Arbeit. Ich finde Zeit für meine Interessen: Lesen, Schreiben, Handarbeit, Nichtstun, Garten, Sport. Manchmal fühle ich mich besser als zuvor, als ich noch keinen Krebs hatte. Bisher habe ich einmal den Tumormarker messen lassen. Der Wert war normal: 30. Vor der OP war er bei über 1600. So einen Wert hätten sie ja noch nie gesehen, hieß es im Krankenhaus. Außerdem habe ich mir - meine teilweise negativen Erfahrungen beiseite schiebend - nochmal auf die Suche nach einem Psychotherapeuten gemacht. Nächste Woche ist endlich das Erstgespräch, bin gespannt, ob's diesmal passt.

Ich werde die restliche Zeit des Krankengeldsbezugs weiter für mich nutzen und mein Leben neu ausrichten nach dem, was mir gut tut. Muss noch darüber nachdenken, was ich beruflich weitermachen will. Ich bin sehr glücklich über meine Ehe aber nach wie vor traurig, dass ich mit meinem Mann kein gemeinsames Kind haben durfte.

Manche nennen mich mutig, weil ich die Chemo abgelehnt habe. Ich finde jedoch Euch mutig, die Ihr diese Behandlungen durchsteht. Aber mein Weg war und ist das nicht. Bis jetzt war dieser Weg der richtige für mich und ich weiß, dass er es weiterhin sein wird, ich muss nur jeden Schritt in die Zukunft mit Bedacht gehen und auf meine Bedürfnisse hören und meinem Herz gehorchen.

Die besten Wünsche für Euch alle
Charl0tte
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