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Alt 05.08.2003, 18:43
Gast
 
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Standard Ich trau mich mal...

Hallöchen Ihr,

da fällt mir noch was ein, liebe Jutta2, weil Du von "Tagesabhängig" sprichst.
Oder wie Du liebe Tanja erwähnst, dass Deine Mutter wegen der Selbsthilfegruppe gesagt hatte "die unterhalten sich da alle ständig über Krebs", und das doof fand.

Ich kenne das, das ist wirklich so. Oder KANN so sein. Klingt vielleicht völlig widersprüchlich nach Aussen, aber das gehört zu diesem Auf und Ab. Heute so, morgen so.
Als Krebspatient mag man manchmal UNBEDINGT über den Krebs reden wollen. Dabei kann man anderen vielleicht ziemlich damit auf den Nerv gehen, aber für ihn ist es sehr wichtig, darüber sprechen zu können. Da sollte man ihn auch lassen.
Aber dann mag er morgen vielleicht überhaupt NICHT mehr darüber sprechen wollen, weil er lediglich den Augenblick leben will, das Schöne und das Gute. Und zwar ganz intensiv. Da sollte man ihn auch lassen.
Dieses "heute" und dieses "morgen" kann auch länger dauern.
Da passt es also hin, wenn ein Krebspatient sagt: "Selbsthilfegruppe? Nö, die reden dort ja alle nur über Krebs!" - Da will er im Moment eben nicht darüber reden.
Oder es passt auch hin, wenn ein Krebspatient sich so freut an Besuchen, aber trotzdem kann's ihm zu viel werden und er sprichts aus.
Oder es passt auch hin, wenn ein Krebspatient es der "Betreuerperson" einer Selbsthilfegruppe selber überlässt, wann sie wieder kommen will.

Das sind ja eigentlich auch alles jedesmal neue "Entscheidungen":
Ich muss mich jetzt entscheiden, mit dieser Betreuerin von der Selbsthilfegruppe zu reden. Will ich das jetzt oder will ich nicht?
Ich muss mich jetzt entscheiden, ob ich es zugeben soll, dass mir der Besuch meiner Lieben zu VIEL wird, obwohl ich mich doch soooo darüber freue.
Ich muss mich entscheiden, ob ich heute über den Krebs reden will oder nicht. Wenn Leute mich ausfragen, dann MUSS ich (ob ich will oder nicht), und wenn ich mal will, finde ich nicht immer ein offenes Ohr, oder kriege oftmals nur schwache Vertröstungen zu hören.
Ich muss mich auch entscheiden, welche Behandlungen ich machen soll. WAS lohnt sich? Die Ärzte haben recht. Die Ärzte haben vielleicht nicht recht. Die Angehörigen haben mit ihren Vorschlägen recht. Die Angehörigen haben vielleicht nicht recht.
Hilfe, mein Kopf schwirrt! Und alles EILT doch so!

Tja, das alles noch ZUR Angst, die man hat. Ist nicht so einfach. Daher kann manches vielleicht ein wenig verwirrend wirken. Aber jedes "ja" oder jedes "nein", welches man im Augenblick sagt, ist völlig ernst gemeint.
Naja, manchmal gibt's halt auch ein "Jein" ...


Ja, und was ich auch noch anmerken möchte, liebe Jutta: Guck genau hin, WAS und WIEVIEL man Deiner Mutter verbietet oder welche Wünsche man bei ihr "übergeht".
Das tut nämlich jedesmal sehr weh, wenn man ein "Nein" hört, ob dies nun begründet ist oder nicht. Aber das Leid eines Krebspatienten beinhaltet eben unbedingt auch noch das Wünsche-Erfüllen, und seien sie noch so klein. Sie sind ungeheure Aufsteller, die zur Genesung beitragen können.
Wenn's jetzt also um die Kätzchen geht: Angenommen, es geht um die Hygiene, um die Katzenhaare, an welche der Arzt vielleicht denkt. - Gibt's da nicht trotzdem eine Lösung für Deine Mutter? Damit sie wenigstens die "Katzen-Freude" zwischendurch erleben darf?
Und wenn's jetzt um die Mistel geht:
Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn wenn Deine Mutter diese Mistel wünscht, so hofft sie dabei auf Genesung. Dieses Hoffen alleine kann ihr schon sehr helfen (und die Mistel ist ja nicht schlecht, ich nehme sie auch). Doch wenn sich da ihr Arzt quer stellt, weil ER es nicht gut findet, dann ist das eine weitere grosse Enttäuschung. (Es sei denn, der Arzt hat gute Gründe, warum im Moment die Mistel nicht gut wäre, dann soll er es bitte sagen.)
Jedenfalls, zu viele Neins, zu viele Enttäuschungen und Ablehnungen, können auch ziemlich auf die Psyche schlagen. Man kämpft eh schon mit dem Krebsmörder herum, muss man dann auch noch auf alles andere verzichten müssen?
Es gibt bestimmt Antworten, da bin ich sicher. Zur Freude Deiner Mutter.

Ganz liebe Abendgrüsse
von der "krassen" Brigitte
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