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Alt 14.08.2003, 18:00
Gast
 
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Standard Ich trau mich mal...

Hallöchen, liebe Jutta2,

leider kann ich Dir auf die Frage für Betroffene keine genaue Antwort geben, da ich keine Chemo gemacht habe. Vielleicht wird sich aber noch jemand anderer hier melden, der Dir diesbezüglich ein bisschen helfen kann.
Ich denke jedoch, dass Deine Mutter sicher darauf hoffen kann, dass es ihr nach der Therapie wieder bald besser geht. Die Nebenwirkungen können doch sehr belasten.

Aber ich kann Dir sicher ein paar Worte zu Deiner Frage sagen, die Du an die Angehörigen richtest. Sie sind einfach aus MEINER Sicht als Betroffene.

Die "Wahrheit" ist am Ende ja immer ein Fragezeichen, nicht wahr? Egal, ob Du jetzt zu Deiner Mutter sagst, dass alles wieder gut wird, oder ob Du ihr das Gegenteil ins Gesicht sagst.

Bei mir war's jedenfalls so: Bei jedem, der mir sagte "Alles wird schon wieder!", dem habe ich kein Wort geglaubt! Und zudem habe ich mich absolut nicht ernst genommen gefühlt. (Schliesslich sitzt da ein Mörder auf meiner Schulter!) Ich wunderte mich manchmal über diese selbstsichere Behauptung meiner Leute, und fragte mich dauernd, was DIE wohl MEHR zu wissen glaubten als meine Ärzte?

Umgekehrt: Bei jedem, der mir gesagt HÄTTE, dass ich möglicherweise bald sterben würde, ... den hätte ich als "Unverschämt" eingeordnet.
Hier gäbe es zwei Seiten: Entweder hätte ich - aus momentaner Schwäche - demjenigen voll geglaubt und ihm recht gegeben, womit es mir am Ende auch tatsächlich immer schlechter gegangen wäre. Oder aber, ich hätte ihm ebenfalls kein Wort geglaubt, und mit seinen Worten hätte er höchstens noch meinen wütenden Kampf-Ehrgeiz angestachelt.

Wie Du siehst, BEIDE "Ehrlichkeiten" sind nicht besonders motivierend.
Am wirksamsten waren jedoch jene Menschen, die mir zeigten, dass sie für mich DA sind, EGAL, wie es kommen würde! - Das half mir am Ende viel mehr, und niemand belog oder vertröstete mich auf eine Hoffnung, die eh keiner kennt. So wusste ich, dass ich auf jene Menschen zählen konnte, und zwar genau dann, ob's mir jetzt ganz schlecht geht, oder ob es mir wirklich bald besser geht.

Naja, wo ist also die "Grenze", jemanden aufzubauen? - Es gibt eigentlich keine.
Sie liegt zumindest nicht darin, jemandem etwas zu "versprechen", das vielleicht gar nicht eingehalten werden kann.

Vielleicht mag Deine Mutter aber gerade ein Buch über Paris lesen? Sich Bilder dieser Stadt anschauen? Vielleicht mag sie ein bisschen träumen im Moment? Stundenlang darüber plaudern? - Das kann auch den Ehrgeiz zum Gesunden anstacheln. Es kann ein neues Ziel sein, das sich lohnt, darum zu kämpfen. Ein neuer Lichtblick. - Auch träumen ist schön. Es lenkt ab und tut gut.
Frag sie mal, was sie sich denn in Paris gerne anschauen würde. Den Eiffelturm? Den NotreDam? Die Kunstmaler auf den Strassen? Die herrlichen Bistros? - Ah, sie wird ins Schwärmen kommen, Du wirst sehen.
Schenk ihr einen Augenblick Paris.

Ich grüssele Dich soweit ganz lieb,
bis dann, ja?
Die "krasse" Brigitte
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