|
#1
|
|||
|
|||
Sterbebegleitung oder schon Sterbehilfe im Hospiz?
Hallo!
Mich beschäftigt der Tod meiner Großmutter im Hospiz sehr und ich möchte gerne die Sache für mich klären/abschließen (muss oft darüber nachdenken). Meine Oma (88 Jahre) war immer wieder mit Magenproblemen im Krankenhaus. Einmal war sie wieder dort, da wurde volles Programm (Spiegelung, MRT u.v.a.) gemacht. Gefunden wurde nichts, außer dass die Bauchspeicheldrüse entzündet ist, da gab es dann Tabletten gegen. Sie wurde entlassen, war 2-3 Wochen zu Hause und dann wieder notfallmäßig (bekam keine Luft mehr) in ein anderes Krankenhaus eingewiesen. Dort wurde wieder alles untersucht und auf einmal gab es die Diagnose "Bauchspeicheldrüsenkrebs". Die Ärzte wollten keine Prognose abgeben, außer, dass sie höchstens noch ein halbes Jahr haben würde. Nachdem meine Oma dann die Diagnose erhalten hatte, ging es ganz schnell bergab. Sie wurde sehr schwach, hatte viele Beschwerden mehr und wünschte sich sehr zu sterben. Die Ärzte waren selbst überrascht wie schnell es ging. Vor dem Krankenhaus konnte sie noch laufen, sich waschen, selbst essen machen usw. Sie kam dann nach einigen Tagen in ein Hospiz. Die Leute dort kümmerten sich rührend um sie. Allerdings (und darum drehen sich meine Gedanken): meine Oma war geistig wach, erkannte einen und freute sich über die gute Umgebung. Sobald sie Schmerzen hatte oder Luftnot gab es Schmerz- und/oder Beruhigungsmittel. Das ging dann so rasend schnell, dass sie von den Medikamenten immer nur schlief oder im Dämmerzustand war. Essen und Trinken bekam sie nicht mehr, weil man im Hospiz die Leute nicht mehr zum Essen/trinken zwingt. Nur gegen das Durstgefühl gab es Wasser in den Mund. Ich habe das als ziemlich krass erlebt, dass ein Mensch mit Medikamenten so ruhig gestellt wird, dass es nicht verwunderlich ist, wenn er nicht isst und trinkt. Es wurde innerhalb von 1 1/2 Tagen ein Zustand durch die Medikamente hergestellt, dass sie immer nur schlief oder benommen war. Und sobald sie unruhig wurde, wurde nachgespritzt. Nach Einlieferung im Hospiz war sie nach 6 Tagen tot. Mir ist das Hospizi-Prinzip schon klar und ich bin sehr dankbar, dass sie nicht leiden musste. Ich weiß auch, dass es sehr schnell gehen kann, wenn man erstmal die Diagnose kennt und auch den Wunsch nach Sterben hat. Aber mir kommt es schon fast wie Sterbehilfe vor, wenn man den Patienten mit Medikamenten einfach ausschaltet und einen ohnehin geschwächten Körper ohne Nährstoffe lässt. Sie war kurz vorher ja noch klar beisammen und relativ fit. Ich hatte das Gefühl, dass da dann irgendwie keine eigene Entscheidung meiner Oma mehr hinter stand und es seit dem ersten Dämmerzustand einer Schmerzspritze es kein Erwachen mehr gab, weil dieser Zustand immer durch Spirtzen aufrecht erhalten wurde. Klar kann man sie nicht zum Essen zwingen, aber man hat sie ja durch die Behandlung auch schon davon abgehalten, es wollen zu können. Ich bin wirklich froh, dass sie dort war und dass sie nicht lange leiden musste. Aber mich beschäftigt ihr Tod doch sehr und ich kann diesen Sterbeprozess nicht richtig einordnen. Habt ihr vielleicht Erfahrungen? Vielen Dank fürs Lesen meines langen Textes! Anne |
#2
|
|||
|
|||
AW: Sterbebegleitung oder schon Sterbehilfe im Hospiz?
Hallo Anne,
mein aufrichtiges Mitgefühl zum Tode deiner Oma. Vorab muss ich dazu sagen, dass keine 'Erfahrung' beim Thema Hospiz, jedoch möchte ich dir trotzdem meine Erfahrung bzw. meine Sicht als Angehörige schildern. Mein Vater wollte nicht in ein Hospiz, daher nahmen wir die ambulante Palliativversorgung in Anspruch. Er hatte sehr starke Schmerzen, konnte nicht mehr aufstehen, kein drehen und wenden ohne Schmerz war mehr möglich, Dekubitus etc., das volle Programm. Er hatte eine Morphinpumpe und weitere Medikamente aber so lange ein Mensch noch selbst entscheiden kann, muss er diese Entscheidung treffen, inwieweit er sediert werden möchte oder nicht, ich meine eben diesen Dämmerzustand, den du auch beschreibst. Mein Vater wollte dies bis zu seinem Todestag nicht, er wollte klar bleiben. Aber der Preis waren höllische Schmerzen und das müssen auch die Angehörigen mit(er)tragen. Was ich dir damit sagen will: Man muss aus meiner Sicht immer einen Preis bezahlen. Wer sehr viele Schmerzen hat, kommt kaum drum herum, die Dosis der Schmerzmittel dementsprechend anzupassen. Dass darunter auch bei allgemeingeschwächten Zustand dann das Bewusstsein leidet, ist leider die Folge aber auch "gewünschter" Nebeneffekt. Keine Schmerzen mehr, kein Leid mehr, keine Konfrontation mehr mit z.B. Todesängsten, gerade wenn es um Luftnot geht. Deine Oma wünschte sich zu sterben, ich nehme an, sie hat auch eingewilligt in diese palliative Sedierung. Es war ihr Wunsch so wenig wie möglich zu leiden. Dass deine Oma nicht mehr essen und trinken konnte/wollte lag sicher zum Einen an ihrem Bewusstseinszustand aber vor allem an der Tatsache, dass sie im Sterben lag. Die andere Frage, die du dir stellen kannst ist: Was hättest du ihr stattdessen gewünscht? Ich verstehe dennoch sehr gut, dass es dich wahnsinnig trifft und mitnimmt, wie schnell so ein Menschenleben doch zu Ende gehen kann. Vor Wochen war es noch so und dann geht das Leben unaufhaltsam dem Ende entgegen. Wir wollen immer begreifen, mit aller Macht verstehen, wir suchen nach Antworten auf dieses Unbegreifliche, den Tod, den wir nun mal nicht vorerfahren können, bis es uns nicht selbst trifft. Aber ich glaube, es gibt keine Antwort. Diesen Schmerz muss man aushalten lernen, akzeptieren lernen und das braucht seine individuelle Zeit. Es ist gut, dass du Fragen stellst, es ist (so denke ich) einfach Teil deiner Verarbeitung des Todes deiner geliebten Oma. Ich wünsche dir viel Kraft für deinen Weg ohne deine Oma und dass wieder Momente/Tage kommen werden, in denen du das vor Augen hast, was sie dir als Mensch vielleicht mitgegeben hat. Grüße Adlumia |
#3
|
|||
|
|||
AW: Sterbebegleitung oder schon Sterbehilfe im Hospiz?
Liebe volvo,
Zitat:
Ich habe es bei einer guten Bekannten erlebt, Darmkrebs seit 4 Jahren, Lebermetastasen und dann Leberversagen. Sie war immer der blanke Optimist, und dadurch, dass sie so benommen war durch die Schmerzmittel, hat sie ihren Zustand gar nicht richtig begriffen. Vielleicht ist das manches Mal wirklich das Beste. Alles Gute! Safra |
#4
|
|||
|
|||
AW: Sterbebegleitung oder schon Sterbehilfe im Hospiz?
Hallo
Ich denke hier sind sicherlich viele Faktoren zusammengekommen, welche das Hospiz berücksichtigt hat, das sehr hohe Alter, die Schmerzen, den Wunsch zu Sterben und den sehr aggressiven Krebs. Der Arzt auf der Palliativstation hat uns damals gesagt, dass der Mensch nicht stirbt weil er nichts mehr trinkt und isst sonder er isst und trinkt nichts mehr weil er stirbt. Selbst ohne Betäubung hat der sterbende Körper kein Bedürfnis mehr nach dem "irdischen" wie Nahrung. Der Körper fährt sozusagen langsam runter. Was natürlich klar ist, ist das man durch die Erhöhung der Schmerzmittel den Tod schneller herbeiführen kann. Ob man dies nun als Sterbehilfe bezeichnen soll? Meistens werden hier auch die Angehörigen gefragt wie man mit den Dosen der Schmerzmittel umgehen soll. Vielleicht haben das andere Verwandte geregelt oder sie schon selbst im vorhinein. |
#5
|
|||
|
|||
AW: Sterbebegleitung oder schon Sterbehilfe im Hospiz?
Hallo,
meine Ma war auf einer Palliativstation, die sich auch rührend gekümmert hat. An diesem Donnerstag, der das Ende einläutete, hatte sie morgens KG und die Physios haben sich große Mühe gegeben, haben sie hingestellt und anschließend so gesetzt, dass sie frühstücken könnte. Das hat sie dann auch gemacht, Brötchen und einen Tee gab es. Davon war sie so geschafft, dass sie das Mittagessen verschlafen hat. Sie bekam es am späten Nachmittag und hat wieder gut gegessen. Nachts hatte sie dann Blut im Stuhl und die Rasselatmung war morgens da. Das war dann der Freitag, an dem uns die Ärztin sagte, dass sie sich auf den Weg macht. Wir sollen uns soviel Morphin holen, wie wir verantworten können. Viermal am Tag gab es Novalgin. Sie hatte noch einen Zugang. Ich besprach mit dem Arzt, dass wir die Flüssigkeit einstellen, nur noch das Lösemittel vom Novalgin und wenn sie zu Trinken verlangt. Der Arzt von Freitag sprach auch davon, dass jeder Tropfen das Leid verlängert. Wir bekamen eine kleine Sprühflasche, in die wir geben könnten, was sie mochte. Mein Bruder holte dann ihr Altbier. Sie nahm es geradezu gierig, aber schluckweise wollte sie es nicht, sondern gesprüht. Sie hatte nur noch Minutenweise Wache Momente. Am Samstag hatte sie kaum noch welche, obwohl sie nur zwei Morphinspritzen bei Unruhe bekommen hat. Sie war nicht mehr fähig, sich zu bewegen. Beim Lagern machte sie Bewegungen wie ein Säugling, der erschreckt wird. Das ist ein Reflex, keine gezielte Reaktion mehr. Sie schluckte ihren Speichel nicht mehr, so dass sie ein Speichelunterdrückendes Pflaster bekam. Das half. Sonntags starb sie. In der Nacht gab es nochmal eine Spritze, aber die war zu lange her, um ihr in den letzten Sekunden noch zu helfen. Ich frage mich andersherum, ob wir sie nicht noch viel mehr hätten "abschießen" (bitte entschuldigt den "Schwesternslang, er trifft es aber) sollen, ihr zuliebe. Ich weiß nicht, ob sie hinter der Schwäche nicht schreckliche Angst erleiden musste, was mit ihr geschieht, oder doch Schmerzen hatte, obwohl sie sie zu wachen Zeiten immer verneint hatte. Sie hat mit dem Arm gerudert, sagt mein Vater, daraufhin ist er an ihr Bett und hat die Hand eingefangen und festgehalten und dann war es auch schon vorbei. Wäre es nicht besser gewesen, sie wäre einfach sediert entschlafen, hätte ihn nicht kommen sehen? So fragt man. sich, je nach Perspektive, eigentlich immer dieselben Fragen, was wäre besser gewesen und hätte man anders handeln können? Ich denke, wir könnten nicht loslassen und haben sie deshalb so wach wie möglich gehalten, haben vom Angebot der Ärzte nur den nötigsten Gebrauch gemacht, um sie vielleicht nur eine Stunde oder auch nur eine Minute länger im Leben zu halten. Stand uns das zu? Geändert von Clea (21.04.2017 um 15:09 Uhr) |
#6
|
|||
|
|||
AW: Sterbebegleitung oder schon Sterbehilfe im Hospiz?
Hallo,
ich schreibe hier als Betroffener mit folgender Situation. Seit 4 Jahren erkrankt und mittlerweile unheilbar. Bin gerade im dritten Block der Chemo, hatte auch schon Bestrahlungen und drei OP´s. Als Betroffener habe ich die volle Verantwortung übernommen, da ich Frau und Kind habe. Somit stellt sich die Frage nach dem sterben zuhause erst gar nicht. Für mich würde nur Hospiz oder Pallistation in Frage kommen, da meine Familie hier weiter leben muss. Der Krebstot kann lang und schrecklich sein, deswegen ist es bei mir festgelegt, dass ich ab dem Punkt wo nichts mehr hilft, dass sterben unabwendbar ist, ich nur noch abgeschossen werden will, ohne jegliche Nahrung. Desweiteren finde ich es auch wichtig sowas vorher schriftlich zu erklären. Denn Angehörige haben immer noch die persönliche Bindung, die das ganze noch in die Länge ziehen könnte. LG Mathias |
Lesezeichen |
Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1) | |
|
|