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  #1  
Alt 03.01.2016, 18:28
Fensterplatz Fensterplatz ist offline
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Unglücklich Aggressionen bei Hinterbliebenem

Hallo liebe Forumsgemeinde

Ich hoffe, ich bin hier richtig, war bisher immer nur stiller Mitleser, da die Erkrankung meiner Mama so unfassbar schnell zu ihrem Tod führte, dass ich eigentlich die ganze Zeit von Diagnose bis zum Sterben in Schockstarre verbrachte. Auch viele Wochen nach ihrem Tod (Sommer 2015) war ich irgendwie gefangen in dieser Leere und Trauer. Mittlerweile gelingt mir der Umgang damit besser, wenngleich ich noch einen langen Weg vor mir habe, fühle ich mich positiv bestärkt, ihn gehen zu können, nicht zuletzt aufgrund einer inneren Stärke, die mir meine Mama beigebracht hat. Aber es soll hier eigentlich gar nicht um mich gehen, sondern ich suche Rat, ob jemand ähnliches erlebt hat. Mein Vater kann den Verlust nicht verarbeiten. Er ist seither sehr depressiv, wir versuchen, ihn zu helfen, wo es geht (wohnen leider weit weg), besuchen ihn oft, laden ihn ein, sprechen mit ihm, versuchen ihn abzulenken. Nur in letzter Zeit wird er zunehmend aggressiv. Rufen wir mal 2 Tage nicht an, macht er uns Vorwürfe, er schreit uns an wegen Kleinigkeiten (zB wegen offebbgelassner Türen) und wird jetzt auch zunehmend aggressiv gegen unsere kleine Tochter (7). Weil sie zu laut schrie beim Spielen, schloss er sie in ein dunkles Zimmer ein und ließ sie - leise vor der Tür stehend - schreien, bis mein Mann es zum Glück merkte, und sie befreite. Daneben kommen immer Vorwürfe, weil wir Angeblich gar nicht trauern, unser Leben leben als Familie etc. Ich versuche sehr verständnisvoll zu sein, ich weiß, Wut ist ein normaler, sogar guter Teil von Trauer, aber ich denke, er braucht Hilfe. Leider blockt er das total ab. Ich habe ihm Stellen und Telefonnummern zB von Trauergruppen rausgesucht, aber er will davon nichts wissen. Ich bin so hin- und hergerissen. Ich muss dazu sagen, er war schon immer ein sehr negativer, aggressiver Mensch, unsere Beziheung ist daher nicht die beste. Aber ich möchte ihm einerseits helfen, andererseits hat er mit meiner Tochter eine Grenze überschritten. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich kann ihn nicht im Stich lassen, seine Ausbrüche tun mir aber weh. Er versteht auch nicht, dass ich auch trauere und ich schaffe es nicht momentan, seine Trauer mitzutragen. Mein Bruder hat sich schon total zurück gezogen von ihm, aus den gleichen Gründen. Wie geht ihr damit um? Ist das nur eine Phase? Wie gesagt, war er leider immer schon ein schwieriger Mensch. Ich habe an dem Verlust selbst so schwer zu tragen und komme momentan mit seiner Aggression nicht klar, möchte ihm aber helfen.
Danke fürs zuhören!
Lg, Carina
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  #2  
Alt 03.01.2016, 20:15
coralle coralle ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

hallo Fensterplatz,

ich habe meiner mutter nach dem Ableben meines vaters fast 1 jahr in allen dingen beigestanden. lch muss sagen, dass ich sie erst in dieser zeit richtig kennengelernt habe. viele andere bekannte, verwandte und freunde hat sie, da sie eine sehr narzistische Persönlichkeit hat , in dieser zeit in die flucht geschlagen. ich fürchte, das hat vorher alles mein Vater ertragen müssen. Daher kann ich deinen Bruder gut verstehen, es ist ein gewisser Selbstschutz denn manchen Menschen kann man gar nicht helfen, egal wie du es angehst. Ich hab nach diesem Jahr jedenfalls selber eine Therapie gebraucht und heute kann ich mich ganz gut vor den Angriffen und dem respektlosen Verhalten meiner Mutter schützen. Das klingt jetzt sicher sehr grob, und ohne einem gewissen Herzschmerz geht das ganze Abgrenzen bei so nahen angehörigen wie den Eltern, auch bei mir nicht ab, aber ich mußte einfach gewisse grenzen ziehen, sonst wäre ich selber vor die Hunde gegangen.....

glg coralle

Geändert von coralle (03.01.2016 um 20:17 Uhr)
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  #3  
Alt 03.01.2016, 20:32
Fensterplatz Fensterplatz ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Liebe Coralle

Danke für deine Worte. Ich empfinde sie nicht als grob. Ich weiß, wie wichtig es auch für mich ist, Grenzen zu setzen, auch meinem Kind zuliebe. Ich befinde mich noch in der Phase, zu gucken, wie weit ich es ertragen kann, ohne Schaden davon zu nehmen und wo ich klar eine Grenze ziehen muss. Das ist wahrlich schwer, va bei den Eltern. Dennoch macht es mir Mut, dass es auch anderen so gegangen ist. Es tut mir leid, dass es bei dir soweit ging, dass du Therapie brauchtest. Aber ich freue mich auch für dich, dass du heute diese Grenzüberschreitungen gut handeln kannst. Das gibt mir Hoffnung!

Liebe Grüße
Fensterplatz
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  #4  
Alt 03.01.2016, 20:59
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Hallo Fensterplatz,
zunächst einmal mein herzliches Beileid. Ich habe das Gefühl, dass da einiges entgleist ist. Warum soll man den Vater ablenken? Es gab Zeiten nach dem Tod meiner Frau, auf die ich auf solche Ablenkungen wütend reagiert hätte. "Es wird schon wieder" Ein Kind kann man ablenken, wenn es sich weh getan hat. " Andererseits hat auch ein Trauernder nicht das Recht, seine Wut an anderen Personen auszulassen, vor allem nicht an Kinder. Aber das sollte man ihm sagen.. Wenn es überhaupt nicht geht, sollte man auf Distanz gehen. aber er sollte wissen warum.
Mit besten Grüßen
Hermann
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  #5  
Alt 03.01.2016, 21:49
Fensterplatz Fensterplatz ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Hallo Herrmann

Ja, ablenken war wahrscheinlich das falsche Wort. Das empfinde ich als auch Trauernde ja genauso, dass das gar nicht möglich ist. Nur um den Rahmen hier nicht zu sprengen, habe ich dieses Wort gewählt. Was ich meinte mit ablenken, war zu versuchen, ihn Teil haben zu lassen an unserem Familienleben, so dass er mal durchatmen kann. ZB haben wir ihn zum Kurzurlaub eingeladen oder alltägliche Dinge mit ihm geteilt, wie zB Geburtstag des Kindes etc. Die Intention dabei war sicher nicht, die Trauer zu übertünchen oder abzustellen. Sondern ihn Teil haben lassen an seiner Familie, ihm zeigen, dass da trotz allem noch Menschen sind, ohne meine Mama dabei auszuklammern. Also irgendwie zu zeigen, dass es noch ein Leben gibt, an dem er Teil hat. Verstehst du was ich meine? Und er reagiert nicht wütend auf diese Einladungen- er empfindet diese ja auch als nicht genug. Er ist berechtigterweise wütend auf das Schicksal, und leider lässt er es an uns aus.Gesprochen haben wir übrigens schon darüber, besonders nach dem Vorfall mit meinem Kind. Er blockt halt alles ab. Und dennoch kann ich nicht einfach den Rücken zukehren, ihn im Stich lassen. Fühle mich einfach momentan überfordert und in der Zwickmühle.
Ich weiß auch, dass Wut Teil der Trauer ist. Es ist nur schwer, dass sie sich gegen uns richtet. Und ein "es wird schon wieder" würden wir ihm niemals antun. Ich trauere ja auch und empfände eine solche Bagatellisierung als schmerzhaft.

Geändert von Fensterplatz (03.01.2016 um 21:52 Uhr)
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  #6  
Alt 03.01.2016, 21:50
coralle coralle ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

liebe Fensterplatz,

auch von mir ein herzliches Beileid. Inzwischen habe ich meinen Vater irgendwie verinnerlicht, er lebt quasi in und durch mich weiter, wir waren uns auch immer schon sehr ähnlich, das und der Dialog mit ihm hilft mir in meiner Trauer und erstaunlich ist, ich bekomme auf meine "Fragen" immer eine Art Rückmeldung von meinem Vater und wenn es auch nur aus der Erinnerung an sein Leben und die Eindrücke die er damit bei mir hinterlassen hat resultieren sollte.....wer weiß das schon, ist auch egal, jedenfalls spüre seine Anwesenheit in meinem Gedankengut, wenn man das so sagen kann, und das tröstet mich immer wieder.

Wie Hermann Johann schon gesagt hat, sollte man sagen, meiner Meinung nach sogar klipp und klar, was man sich nicht gefallen lassen will, z.B. die Aggressionen deines Vaters, der Umgang mit deiner Tochter und dann ohne zu zögern die Konsequenzen folgen lassen, wenn keine Einsicht erfolgt. Ich habe auch laaaaange immer wieder und wieder versucht an das Verständnis meiner Mutter zu appellieren, aber das kostet nur Kraft und bringt rein gar nichts. jedenfalls, hab ich mir mein Recht auf respektvolles Behandeltwerden auch dadurch erkämpft, indem ich auf Distanz gehe, wenn meine Mutter mich z.B. nur als Fußabstreifer benützen will und sich sonst einen feuchten Dr.ck um meine Gefühle schert........Sorry, aber ich will das gar nicht beschönigen, weil das alles andere als "schön" ist.

Liebe Fensterplatz, ich hoffe, du passt gut auf dich und deine Familie auf, denn das ist dein Recht und auch deine Pflicht, besonders deiner Tochter gegenüber.

glg coralle
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  #7  
Alt 03.01.2016, 21:59
Fensterplatz Fensterplatz ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Liebe Coralle

Was du schreibst, berührt mich sehr. Auch ich halte immer Rücksprache mit Mama, ich bin ihr sehr ähnlich, die Situation scheint mir ähnlich zu deiner. Auch ich erhalte immer Antwort von ihr. Ja, du hast recht, das tröstet wirklich.

Ich glaube, ich begebe mich gerade auf den Weg, vielleicht auch auf den Weg, richtig erwachsen zu werden. Und dieser Austausch hier hilft mir dabei. Und ich weiß auch, dass ich meine Grenzen enger ziehen muss und das kommunizieren muss. Das will ich versuchen und gleichzeitig aber auch vermitteln, dass ich für ihn da bin, aber dass er meine Familie und mich nicht als Fußabstreifer verwenden darf.

Glg
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  #8  
Alt 03.01.2016, 22:41
Benutzerbild von Hopeful2015
Hopeful2015 Hopeful2015 ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Hallo ihr Lieben,

ich kenne nur zu gut, wovon ihr redet. Mir geht es nämlich so. Seit mein Mann starb, bin ich auch oft voller Wut und zum Teil aggressiv. Es gab Momente da habe ich vor Wut Dinge durchs Haus geworfen.
Auch bin ich total Geräuschempfindlich. Lärmende Kinder könnte ich absolut nicht ertragen. Zum Glück habe ich keine !!
Es gibt Tage da will ich einfach meine totale Ruhe, nichts hören, nichts sehen.... einfach nicht da sein...mich in Luft auflösen....

Ich nehme jeden Tag Johanniskraut ( Kapseln) und Bachblüten. Es hilft ein wenig....
Ich hasse mich dafür, aber ich kann nichts dagegen tun.
Der ganze Papierkram, der nach dem Tod eines geliebten Menschen auch noch zu bewältigen ist, tut sein übriges dazu. Jeder will was, ständig muss man Briefe schreiben, hier abmelden, da Bescheid geben.... Das Erbe regeln...
Das zerrt so dermaßen an den Nerven, das man einfach nur noch in Ruhe gelassen werden will. Einfach damit man ungestört trauern kann ...


Vielleicht hilft meine Antwort ja ein wenig....
__________________
Liebe Grüße aus Hessen,
TINA

Frank
*07.01.1970 - +20.08.2015
Speiseröhrenkrebs mit Lebermetastasen
ED: 23.01.2015
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  #9  
Alt 03.01.2016, 23:23
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Hallo an Alle,
ich kenne das. Als Trauernder kann man zeitweise unerträglich werden. Dann ist es gut, wenn Angehörige und Freunde einem später verzeihen können. Das heißt aber nicht, dass sie alles akzeptieren sollen. #Ein Streit muss ja auch nicht das Ende eine Beziehung sen.
mit besten Grüßen
Hermann
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  #10  
Alt 04.01.2016, 07:50
coralle coralle ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

liebe hopeful,

das alles ist nur allzu verständlich und habe ich damit nicht gemeint, aber es gibt auch Verhaltensweisen, die weit darüber hinausgehen und man nicht über sich ergehen lassen muss und sollte, jedenfalls war es bei mir so. Ich habe für meine Mutter alles gemacht und war jederzeit für sie da, aber ihre narzisstische Persönlichkeit, die vorher mein Vater abbekommen hat, hab ich auf Dauer nicht ertragen können.

Das ist nur meine persönliche Geschichte und ich hoffe, dass ich hier mit meiner Offenheit niemanden zu nahe getreten bin, scusi.

glg coralle
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  #11  
Alt 04.01.2016, 08:13
Fensterplatz Fensterplatz ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Hallo nochmal,

Ich finde den Austausch hier sehr hilfreich, auch die andere Seite zu hören. Danke für eure Beiträge. Ich glaube, es ist viel wichtiges gesagt worden, nämlich dass Wut in der Trauer einen Platz haben sollte, dass sie normal ist und dass der so Trauerende darauf angewiesen ist, dass ihm verziehen wird. Das finde ich absolut in Ordnung und will es auch versuchen. Auf der anderen Seiten hat auch ein trauernder Mensch nicht das Recht, gewisse Grenzen langfristig zu überschreiten, besonders wenn es um sehr verletzende Dinge geht oder gar gegen Kinder. Hier muss man sich abgrenzen. Was ich damit sagen will, Wut ist verständlich, Aggressionen auch, aber wenn diese in Verhaltensweisen kippen, die Angehörige - auch wenn diese viel Verständnis haben und viel aushalten (wohlgemerkt ZUSÄTZLICH zur eigenen Trauer- langfristig verletzen, dann ist die Grenze überschritten. Dann glaube ich, ist das einzige was man tun kann, dem Trauernden ehrlich zu sagen, dass man nicht mehr kann, dann muss man für sich selbst auch sorgen. Ich hoffe, mein Vater (der ja auch schon ähnlich wie bei Coralle vorher so war, nur dass meine Mama alles abgefedert hat) nimmt die Hilfen an, die ich ihn rausgesucht habe (Trauergruppe, Hausarzt). Denn ich muss mich jetzt erstmal zurückziehen. So weh es mir momentan tut.
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  #12  
Alt 04.01.2016, 16:47
coralle coralle ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

liebe Fensterlatz, das hast du wunderbar zusammengefasst!

Meine Therapeutin hat mich mal gefragt, was für mich auf Dauer schwerer auszuhalten wäre:

a) das "destruktive Verhalten" meiner Mutter, oder
b) sich die n ö t i g e Distanz zu verschaffen

und zum Thema Distanz meinte sie in anderes mal:

ich müsse für mich einen Punkt finden, wieviel Nähe ich zulassen kann und will und wieviel Distanz ich brauche, damit es mich am wenigsten schmerzt.

glg coralle
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  #13  
Alt 04.01.2016, 18:17
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Hallo an Alle,
Ich denke trauern ist ein ganz persönlicher Prozess. Ich habe um meinen Vater stärker und anders getrauert als um meine Mutter. Die Trauer um meine Frau war besonders stark. Das hängt auch mit den vorherigen Beziehungen zusammen. Die Beziehung zu meinen Eltern war geprägt von positiven und negativen Erlebnissen, von Schuld und Verdienst. Das kann man nicht einfach vergessen, wenn ein Elternteil stirbt und der andere trauert. Auch der trauernde Elternteil ist kein völlig anderer Mensch als vorher. Er ist nur in einer Extremsituation. Vor diesem Hintergrund wird mir klar, warum ich um den Vater anders getrauert habe als um die Mutter. Außerdem ist man als Ehepartner in einer anderen Situation. Das Kind hat noch Aufträge, zum Beispiel die eigenen Kinder bzw. die Enkelkinder gut zu erziehen. Bei aller Trauer sollen sie diese Aufträge nicht vergessen. Der Ehepartner hat das meistens nicht mehr. Was ist dann der Sinn seines Lebens? Was man versäumt hat, kann man nicht mehr tun. Was man erreicht hat, ist schon vollbracht.
„Wer jetzt kein Haus hat, baut
sich keines mehr“ ( Rainer Maria Rilke)
Liebe Grüße
Hermann

Geändert von hermannJohann (04.01.2016 um 18:31 Uhr) Grund: Korrekturen
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  #14  
Alt 05.01.2016, 15:10
Fensterplatz Fensterplatz ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Liebe Hermann,

Das hast du sehr treffend beschrieben, diese unterschiedlichen Rollen, in denen man trauert, ob als Kind oder Ehepartner. Du hast recht, ich habe noch meinen Sinn im Leben, habe Familie, Kinder, denen ich gerecht werden darf (ich schreibe bewusst nicht muss, denn dies ist in der Tat ein "Privileg", das mein Vater nicht hat). Er muss sich mühsam sein Leben umorganisieren, einen anderen Sinn schaffen, um wieder ins Leben zu finden. Und genau das ist auch der Punkt glaube ich, der mich umtreibt. Ein Teil von mir fühlt sich schuldig, dass ich es im Vergleich dazu "einfach" habe. Ich denke, ich muss eine Balance finden, ich muss mit gerecht werden und muss ihm gegenüber aber milde sein, ihm mehr verzeihen, als ich es vielleicht früher getan hätte. Übrigens hatte ich inzwischen ein sehr konstruktives Gespräch mit ihm diesbezüglich und es lief sehr gut. Nicht zuletzt auch wegen des Austausches hier und allen damit verbundenen Sichtweisen. Ich warte nun einfach, was die Zeit bringt. Und wünsche euch allen weiterhin viel Kraft, Geduld und Liebe zu euch selbst und den Menschen um euch herum und denen im Herzen.

Liebe Grüße
Fensterplatz
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  #15  
Alt 05.01.2016, 17:42
hermannJohann hermannJohann ist offline
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Standard AW: Aggressionen bei Hinterbliebenem

Liebe Fensterplatz,
als Witwer darf man auch nicht zuviel erwarten. Die Familie meiner Frau hat mich schon unterstützt. Aber mehr wäre nicht richtig. Die Tochter meiner Frau (aus ihrer ersten Ehe) und der Schwiegersohn sollen für ihre Kinder und sich selbst sorgen. Ich kann vielleicht ein bisschen die Enkelinnen unterstützen ( wie meine Frau das gewünscht hat) Die Familienmitglieder sollen aber nicht für mich sorgen. Meine Frau sagte kurz vor ihren Tod, dass ich es schwerer haben werde. Das war wohl so, aber das konnte mir niemand abnehmen. Kinder müssen sich auch nicht schuldig fühlen, wenn sie das nicht können. Sie sollten aber wissen, dass man dafür Zeit braucht. In unserer Gesellschaft können viele Menschen (damit meine ich natürlich nicht Dich) Trauer nicht aushalten und erwarten, dass der Trauernde schnell wieder "normal" ist. Als Trauernde spürt man diese soziale Erwartung, aber es geht nicht schneller.
Liebe Grüße
Hermann

Geändert von hermannJohann (05.01.2016 um 17:52 Uhr)
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