Was kann ich meinem Vater zum Abschied sagen?

[Sine B.]

Hallo an alle,

sicherlich schon an der Uhrzeit erkennbar wie es mir geht. Kann nicht schlafen und sitze deshalb am PC. "Mein Vater stirbt" - das habe ich eben bei Google eingegeben, das hat mich hierhergeführt. Ich habe mit solchen Foren bisher keine Erfahrung. Nun erhoffe ich mir Hilfe, Rat oder was auch immer.

Mein Vater ist an Magenkrebs erkrankt, mit Anfang 60. Seit gestern wissen wir:unheilbar. Ein halbes Jahr hat er schon Behandlungen hinter sich. Magen weg, Chemo...Umsonst. Die Vermutung Darmverschluss hat sich nun als Metastasenansammlung herausgestellt. Damit hat sich auch unser letzter Strohalm - Klinik in Hammelnurg - erledigt. Mein Vater will das nun nicht mehr wagen.

Seit einigen Tagen sprechen wir ehrlich über alles. Meine Mutter hat den ersten Schritt gemacht. Das war gut. Er hat ohnehin selbst gefühlt, wie es um ihn steht, und wir (die Familie) haben es den spärlichen Aussagen der Ärtzte entnommen.

Seitdem wir das Thema Tod nicht mehr totschweigen geht es uns besser. Uns allen!!! Ich telefoniere täglich mit ihm und auch mit meiner Mutter. Beide sind so tapfer.

Jetzt habe ich ihn gebeten, uns was zu schreiben. Zur Erinnerung. Etwas, was seine insgesamt vier Enkelsöhne an ihn erinnern wird. Einen Brief an jeden.

"Schreib du mir auch mal was auf, ein paar Anregungen dazu", hat er mich gebeten. Jetz will ich ihm auch einen Brief schreiben. Noch ist er, trotz Morphium, ganz klar, und mein Vater ist ein kluger Mann.

Jetzt komme ich endlich zur Frage: Hat jemand hier im Forum das schon einmal gemacht, so einen Brief an einen lieben Menschen geschrieben, den man nicht mehr lange hat? Einige Beispiele oder Literarurtipps wären mir vielleicht eine Hilfe.

Danke für eure Antworten
Sine B.

[kimaugust]

Hallo , Sine

ich würde es anders machen. Ich würde Papier und Stift nehmen, mich an den Tisch setzen, und an den Vater schreiben, so schreiben als würdest Du mit ihm sprechen. Schreibe nieder, Deine Gedanken , Deine Gefühle, wie Du sie empfindest. Ohne Konzept, ohne Rücksicht auf einwandfreie Rechtschreibung, schreibe was D U denkst, was D U sagen möchtest. Und, das kann völlig "durcheinander" springen. Und Deine Tränen auf dem Papier stören nicht.
Ich habe mal gelernt: Schreibe wie Du sprechen würdest. Mir hat dieser Ratschlag schon oft geholfen.

Freundliche Grüße, und keine Angst, Du findest die richtigen Worte
Jürgen

[Noa]

Hallo Sine, mit bewegten aber auch gemischten Gefühlen habe ich Deine Zeilen gelesen. Auch die wirklich schöne Antwort von Jürgen.

Ich möchte Dir auch den Tip geben: Einfach zu schreiben was Du fühlst, denkst und empfindest. Aber auch Deine Ängste. Schreibe ihm auch ruhig von schönen Momenten die Du mit ihm erleben durftest von denen Du vielleicht auch noch heute zeren kannst und Kraft bekommst.

Ich wünsche Dir nicht nur Kraft sondern auch eine intensive Zeit des Erlebens für Dich und Deine Lieben.

Liebe Grüße
Günter

[Laetitia]

Liebe Sine,
eine wunderschöne Idee, Deinem Vater einen Brief zu schreiben. Ich kann mich den Vorrednern nur anschliessen und würde ganz aus dem Herzen heraus schreiben, ohne vorformulierte oder "passende" Zitate. Vielleicht kleine gemeinsame Erinnerungen einfügen, Situationen Eures gemeinsamen Lebens, die hervortraten.....lustige oder auch nachdenkliche Begebenheiten...Dinge, die Du Deinem Vater schon immer sagen wolltest. Noch einmal die Gelegenheit dazu nutzen. Du hast noch die Gelegenheit und das ist gut. Mir selbst blieb nur noch diesen Brief dem Sarg meines Mannes beizulegen. Aber wenn ihn Dein Vater selbst noch und immer wieder lesen kann, wird das für Euch beide hilfreich sein.
Alles Gute und viel Liebes, Nadine

[Sine B.]

Hallo an Jürgen, Günter, Nadine und Claro

dankeschön für die netten Zeilen. Ich mache jetzt das, was mir die meisten geraten haben, ich fange einfach an mit meinem Brief.

Eben gerade bin ich zurück aus dem Krankenhaus. War heute gemeinsam mit meinem Bruder dort, auf Wunsch meines Vaters, der mit uns beiden sprechen wollte. Ich bin so stolz auf ihn. Er hat uns vor allem das Wohl unserer Mutter ans Herz gelegt. Sie wird am tiefsten fallen. Er selbst ist ganz ruhig. Es ist unglaublich. Man geht zu ihm, um zu trösten und geht dann selbst getröstet nach Hause.

Mit unseren Söhnen, wir haben jeder zwei, will mein Vater in der nächsten Woche (dann ist wohl endlich und das letzte Mal zu Hause) sprechen, will ihnen alles erklären, ihre Fragen beantworten. Er hat Angst, dass er bald keine klaren Gedanken mehr formulieren kann. Um meinen Jüngsten (10) habe ich ein bisschen Angst. Er ist so still und redet gar nicht über Opas Krankheit.

Über Fotos und Video habe ich auch schon nachgedacht. Mal sehen ob sich das irgendwie, ohne taktlos zu werden, machen lässt.

Jetzt schreibe ich aber an meinen Vater.
Danke euch allen noch mal.

P.S. Habe heute eure Antworten meinem Mann vorgelesen, wir haben beide dabei geheult. Komisch dass Trost von Wildfremden manchmal so wirksam sein kann. Aber ich denke das kommt daher, dass ihr alle ähnliche Erfahrungen in der Familie gemacht habt.