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Alt 07.03.2006, 19:24
Lili Lili ist offline
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Beiträge: 83
Standard 5 Jahre BDSK

Hallo,
heute, am 7. März 2006, ist es 5 Jahre her, dass meine Whipple-Operation erfolgreich verlaufen ist, ich also 5. "Geburtstag" feiern kann!

Ich gebe zu: meine Vorgeschichte ist untypisch und ich habe wirklich viel Glück und gute Ärzte gehabt, so dass mein Tumor schon frühzeitig erkannt und beseitigt werden konnte. Die Vorgeschichte beginnt mit einer Entzündung im Knie, nachdem ich im September 2000 einen langen, anstrengenden Tag auf der Expo in Hannover herumgelaufen war. Die daraufhin aufgesuchte Orthopädin durchleuchtete, punktierte, spritzte, forschte und suchte ... und fand keine Ursache für meine Entzündung (um es vorweg zu nehmen: die Ursache dafür ist immer noch unklar). Nächster Schritt: Blut abnehmen, um Rheumafaktoren zu suchen. Ich: "Was, Blut abnehmen nur dafür? Dann doch bitte gleich genug und mal alles so durchtesten, was üblicherweise so getestet wird!". Also: großes Blutbild, bei dem erhöhte Amylasewerte festgestellt wurden, jedoch keine Rheumafaktoren. Hin zum Internisten. Der, empört: "Was hat denn die Orthopädin DAMIT zu tun! Das geht sie gar nichts an!". Ultraschall: irgendwie ist da so eine Gangerweiterung, der sollte man auf den Grund gehen. MRT im Oktober 2000: kein Befund. Der Internist: jedenfalls mal eine Weile jeglichen Alkohol sein lassen. Schade um das tägliche Gläschen Wein, aber: was muss, das muss. Bis Ende des Jahres hatte sich der Amylasewert wieder normalisiert, aber im Ultraschall war immer noch diese Gangerweiterung zu sehen, nichts sonst allerdings. Also Empfehlung des Internisten: Endosonographie in der Universitätsklinik, da gäbe es den Fachmann für diese Untersuchung weit und breit (Prof. Souhendra am UKE in Hamburg). Noch ein bisschen rumgetrödelt (ist ja nur eine vorsorgliche Maßnahme, wahrscheinlich ist alles o.k.), und am 27. Februar 2001 dann hingegangen. Urlaub geplant ab 5. März 2001, zwei Wochen Mallorca.

Am Freitag, den 2. März dann: das Ergebnis der pathologischen Untersuchung einer Gewebeprobe, die anlässlich der Untersuchung abgenommen wurde: leider eindeutig schlecht. Irgendwie wusste ich kaum, wie mir geschah. Krebs? Ich? Ich fühlte mich doch völlig gesund und das Knie war auch gerade mal wieder in Ordnung. Ich fühlte mich wie im falschen Film. Und mit 47 bin ich doch auch gar nicht in der meist betroffenen Altersgruppe?. Der Internist hat sich sofort danach umgehört, wo ich denn wohl am besten für eine Operation aufgehoben wäre. Ergebnis: UKE Hamburg. Samstag und Sonntag: Furchtbar. Am schwersten ist es mir gefallen, meinen Eltern die Botschaft zu übermitteln, lag doch gerade eine Freundin von ihnen im Sterben: inoperabler Bauchspeicheldrüsenkrebs. Am Wochenende Internetrecherche über den BDSK. Niederschmetternd. Gleichzeitig "vorarbeiten" im Büro - eigentlich für den geplanten Urlaub - nun für die Krankenhauszeit, wie unter Trance. Am darauffolgenden Montag statt ins Flugzeug dann ins Krankenhaus, bis Dienstag noch mal ein Untersuchungsparcour einschließlich CT: nichts zu sehen! Tumormarker CA 19-9 bei 60, das ist noch nicht so sonderlich aufregend. Dienstag abend Aufklärungsgespräch mit dem Oberarzt. Und wie lange werde ich so beruflich ausfallen? Na ja, so mit mindestens drei Wochen müssen Sie schon rechnen. (Ha! kann ich da rückblickend nur sagen, so ein Unfug!) Mittwoch, der 7. März 2001: Whipple-OP, 7 Stunden, dann ein Tag auf der Intensivstation. Operation gut verlaufen, alle Schnellschnitte o.k. Einige Tage später das genaue Ergebnis: Tumor entfernt, keine Lymphknoten befallen, keine Metastasen. "Gesund" (gefühlt) ins Krankenhaus, und jetzt: ich fühle mich wie 95 und bin schon stolz, als ich am Arm meines Mannes hängend den Krankenhausflur rauf (bis zu den Rauchern am Fenster "schon die 2. Lungenkrebsoperation") und wieder runter (bis zum Fahrstuhl, Besucher mit Blumen und Plastiktüten; ich habe diese schon nach kürzester Zeit modrig riechenden Schnittblumen gehasst) schleichen kann. Magensonde, Katheter, usw. Nach 17 Tagen Krankenhaus mit ärztlich und pflegerisch tadelloser Betreuung - Chefarzt und Oberärzte haben immer alle Fragen beantwortete - wieder nach Hause. Zwischendurch eine Besprechung mit einer Oberärztin aus der Onkologie: Chemo oder nicht? Sie konnte anhand der vorhandenen Studien keine wirklich überzeugenden Gründe für eine Chemo anführen - also habe ich mich dagegen entschieden. Inzwischen empfehlen die Fachleute allerdings meist eine adjuvante Chemo, aber wir sind ja auch schon wieder 5 Jahre weiter.

Drei Wochen später dann Anschlussheilbehandlung in der Nordseeklinik in St. Peter-Ording, 4 Wochen. Kalt, schlechtes Wetter, von wegen schöne Nordsee. Wieder anfangen zu essen, mir ist leicht schlecht, ich habe Durchfälle, mir ist elend. Zwischendurch mit Blaulicht ins Krankenhaus nach Heide wegen eines Infektes, zum Glück war´s nicht der befürchtete Darmverschluss. 2 Monate nach der Operation (rückblickend: viel zu früh, aber als Selbständige treiben einen Existenzängste) dann das erste Mal wieder im Büro, erstmal immer nur für einige Stunden, die mich völlig erschöpfen. Weiterhin Durchfälle, abnehmen wie im freien Fall, in 6 Monaten nach der OP insgesamt 23 kg. Wenn ich jetzt so das Bild in meinem Behindertenausweis sehe: wie ein Vogel, der aus dem Nest gefallen ist.

So ungefähr ein Jahr hat es gedauert, bis ich dachte: na, nun hat sich ja doch so einiges normalisiert. In den ersten 1 1/2 Jahren jeweils vierteljährliche Kontrollen, später halbjährliche, mit CT, Röntgen Lunge, Ultraschall, Blutuntersuchung, alles in der Uni-Klinik. Ihr kennt das ja: Warten in den Warteboxen. Die Patienten in ziviler Kleidung: ach, ambulant von draußen, die im Bademantel oder Jogginganzug: aus dem Haus, aber noch selbstständig zu Fuß und die auf dem Bett hereingeschobenen. Die vielen Schiksale, wenn man - gelegentlich - ins Gespräch kommt, und die egoistische Hoffnung: hoffentlich kann ich hier raus und alles ist in Ordnung! Wechselspiel der Gefühle zwischen Panik und "da ist schon nichts". Je länger die OP her war: keine Beruhigung, ganz im Gegenteil, die Nervosität steigt, die Nerven liegen viel leichter blank. Russisch Roulette: 5 mal abgedrückt und nichts war, aber diesmal? MUSS da nicht jetzt was sein? Das unschuldige Vertrauen auf die eigene körperliche Unversehrtheit und Selbstheilungskraft funktioniert nach der Diagnose Krebs nicht mehr so einfach. Jederzeit scheint alles möglich: Alles Gute, aber auch das Schlechteste. Nach 1 1/2 Jahren für zwei Tage ins Krankenhaus: Verdacht einer 4 cm großen Lebermetastase. CT mit Direkteinleitung von Kontrastmittel in die Leber über die Arterie. Alles o.k. Im Herbst 2005 bei der Kontrolluntersuchung - diesmal dachte ich wirklich: wird schon nichts sein, reine Routine - "Sie müssen noch mal kommen, da war was im CT". "Weichteilplus", schreibt der Radiologe in seinem Befund, engmaschige CT-Kontrolle nach 6 Wochen. Der Chirurg: Lieber vorsorglich operieren, das liegt so, dass, wenn was ist, wir gut rankommen. Nach Beratung mit verschiedenen Medizinern die Entscheidung: erstmal keine OP, dafür eine PET. Der PET-Befund fällt negativ - für mich also positiv - aus, und im Kontroll-CT einige Wochen später dann der Freispruch erster Klasse: es war eine Darmschlinge, die sich so unklar dargestellt hatte. Das war erstmal die letzte Aufregung in Sachen BDSK.

Soll ich nun sagen: 5 Jahre MIT oder 5 Jahre OHNE BDSK? Beides ist wohl richtig. Übrigens: ich arbeite und lebe wieder ziemlich normal, sogar das Gläschen Wein ist wieder drin. Ich bin bedeutend schlanker als damals, aber wenn der Krebs der Preis ist: nein, danke. Es geht mir meistens gut und wenns mal nicht so gut geht: verglichen mit dem, was ich hinter mir habe: Kinkerlitzchen! Ich hatte unglaubliches Glück und ich bin dankbar.

Ich grüße Euch alle und wünsche Euch Betroffenen und Euch Angehörigen viel gute Lebenszeit.

Lili
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