Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Angehörige

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 27.12.2007, 14:28
Elensar Elensar ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 01.10.2007
Beiträge: 5
Standard Er gibt auf

Hallo zusammen,
lange war ich stille Leserin dieses Forums, doch nun habe ich das Bedürfnis von uns zu erzählen und mir alles von der Seele zu schreiben.
Mein Vater ist 54 Jahre alt und hatte seit April tierische Schmerzen im Brustbeinbereich. Er ist von Arzt zu Arzt gelaufen, aber keiner konnte ihm die Schmerzen nehmen und keiner wusste so recht was es ist. Der Orthopäde schließlich schickte ihn zum CT, mit der Vermutung, dass er sich einen Muskel gerissen hat. Dort wurde festgestellt, dass er einen Tumor in oder an der Lunge hat, der in den Knochen gestrahlt hat und den Brustbeinknochen zerfressen hat. Bei den darauffolgenden Untersuchungen stellte man noch Lebermetas fest. Es handelt sich laut Auskunft der Ärzte um einen nicht operabeles Adenokarzinom. Weitere Angaben habe ich leider nicht, ein TNM ist aus meinem Vater nicht rauszubekommen und ich glaube er weiß es selbst nicht einmal. Es folgte eine Chemo mit Cisplatin-Vinorelbin, die er seit August wöchentlich bekommt, alle vier Wochen Cisplatin und dazwischen eine kleinere, was immer das sein mag. Die ersten Wochen hat er außer etwas Übelkeit (er musste sich nicht einmal übergeben) und starken Stimmungsschwankungen und Schlaflosigkeit die ersten Tage nach der Chemo relativ gut vertragen. Appetit war immer da, er konnte gut essen. Seit ca. 4 Wochen geht es ihm total mies, er klagt über anhaltende ausgeprägte Schlappheit und schläft teilweise 18 - 20 Stunden am Tag. Bei der letzten Untersuchung wurde ihm gesagt, dass der Tumor um die Hälfte geschrumpft ist, der Knochen im Brustbein wieder sauber, also ohne Tumor ist und die Lebermetas verschwunden sind. Eigentlich ein Grund zum Feiern, aber er konnte sich überhaupt nicht freuen, will am Liebsten seine Ruhe, keinen sehen und keinen hören. Die letzte Chemo dann vor Weihnachten wurde abgebrochen, da sich rausstellte, dass eine Niere gar nicht mehr arbeitet und die andere ziemlich eingeschränkt. Kurz vor Heiligabend hatte er Blut im Urin, hat starke Wassereinlagerungen in den Beinen, hat keinen Appetit mehr und fühlt sich total schlapp, so dass er kaum noch sitzt, sondern nur noch liegt. Wir haben ihn heute gebeten in der Klinik anzurufen, um das mit den Nieren nochmal abklären zu lassen, aber er will nicht. Er sagt, dass eine Dialyse für ihn ohnehin nicht mehr in frage kommt und er auf keinen Fall ins Krankenhaus geht. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass er aufgibt und nicht mehr möchte. Ich hatte noch nie eine besonders enge Beziehung zu ihm, aber mit dieser Krankheit wird die Klufft zwischen uns immer größer. Mit meiner Mutter gerate ich auch immer öfter aneinander. Letztens hat sie mir zum Beispiel vorgeworfen, dass sie dass Gefühl hat, dass ich mir wünsche er würde schnell sterben. Das stimmt so aber nicht. Ich würde alles dafür geben, ihn wieder einigermaßen gesund um mich haben zu können und zu sehen, wie er mit seinen Enkelkindern tobt. Die Große war immer sein ein und alles, aber auch zu ihr hat er den Abstand total vergrößert, was für sie natürlich nicht gerade einfach ist, denn wir wohnen in einem Haus. Den einen Tag hat er noch zu mir gesagt, dass er noch nicht aufgeben hat, denn allein für die Kinder lohnt es sich zu kämpfen, aber ich habe einen ganz anderen Eindruck. Reden kann man mit ihm überhaupt nicht, ich zumindest nicht, ich höre immer nur alles von meiner Mutter und auch mit ihr ist das Reden schwer geworden, denn momentan fasst sie wohl vieles falsch auf. Ich würde ihm so gerne deutlich machen wie wichtig er uns ist und dass auch wir momentan leiden, wenn auch nicht so sehr wie er. Sicherlich wünsche ich mir nicht, dass er schnell stirbt, aber ihn so leiden und sich quälen zu sehen ist auch nicht so schön. Wenn es nun wirklich keine Hoffnung mehr gibt, dann ist es doch nichts schlimmes jemandem ein schnelles und angenehmes Ende zu wünschen, oder??? Ich bin jedenfalls ziemlich durch den Wind momentan und weiß einfach nicht mehr was ich machen soll. Trotzdem tat es gut sich das hier mal von der Seele zu schreiben.
LG Kerstin
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 27.12.2007, 15:00
östel östel ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 15.11.2007
Beiträge: 842
Standard AW: Er gibt auf

Liebe Kerstin, das ist natürlich ganz schlimm für dich und die Kinder. Aber du musst bedenken, dass nach der Chemo manchmal der Mensch total ko ist, physisch und psychisch. die Ergebnisse der Chemo sind doch erst mal toll. Ich habe auch ein metastasierendes Adeno und lebe momentan ganz gut damit. Ich denke, dass ein Antidepressivum hilfreich sein kann den Schock zu bearbeiten und den Antrieb zu steigern. Wenn dein Pa das denn möchte. Er scheint ja momentan ganz ambivalent zu sein: auf der einen Seite möchte er noch für die Kinder da sein und andererseits scheint er zu denken, dass alles schnell aufhören soll. Das ist für mich völlig verständlich und nachvollziehbar. Sprich doch mal mit dem Arzt. Was die Nierensymptomatik betrifft weiss ich natürlich nicht bescheid wie akut bedrohlich das ist. Natürlich ist das alles schwierig wenn das Verhältniss zwischen euch etwas distanziert ist.Den Wunsch nach einem schnellen, schmerzlosen Ende kann ich verstehen aber vielleicht ist es wirklich noch nicht soweit. ich wünsche dir alles Gute und viel Kraft und vor allem, dass du für dich eine Weg findest von deinem Vater Abschied zu nehmen. Viele Grüsse Regina
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 27.12.2007, 15:17
Benutzerbild von tatin
tatin tatin ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 20.06.2007
Beiträge: 724
Standard AW: Er gibt auf

Hallo!

So schnell wie möglich in die Klink wenn die Nieren nimmer arbeiten. Dein Vater vergiftet sich gerade selber!
Erzähl ruhig deinem Vater von mir und meinem Mann...er mußt anfangs täglich zur Dialyse. Später nur noch zweimal. Achja wir sind 30 Jahre und waren trotz Dialyse dieses Jahr in Thailand, Spanien und auch beinahe noch in Ägypten in Urlaub. Das geht wunderbar TROTZ Dialyse.

Wünsche euch nur das aller beste!

Viele liebe Grüße
Kathrin
__________________
25.09.1976-12.06.2007
Menschen treten in unser Leben und begleiten uns eine Weile.
Einige bleiben für immer, denn sie hinterlassen ihre Spuren in unseren Herzen
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 27.12.2007, 17:18
Benutzerbild von Ute 2007
Ute 2007 Ute 2007 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 23.10.2007
Ort: Berlin
Beiträge: 200
Standard AW: Er gibt auf

Hallo Kerstin,

es tut mir sehr leid, was du jetzt alles mitmachen musst aber ich finde es ist ganz wichtig, dass du deinem Vater von den Leuten hier im Forum erzählst. Es gibt viele, die haben schon einen enormen Leidensweg hinter sich und kämpfen trotzdem weiter.
Das dein Vater sich nach der Chemo mit Cisplatin und Vinorelbin total geschwächt, kraft- und mutlos fühlt kann ich supergut verstehen. Mir ging es nach 4 Zyklen dieser Chemo und gleichzeitiger Bestrahlung (30 mal) nicht anders (und ich bin erst 41). Alledings hatte ich nicht so gute Ergebnisse der Behandlung erziehlt wie dein Vater. Bei mir war so gut wie nichts zurückgegangen aber ich werde weiter kämpfen , wie so viele hier, die schon sehr herbe Niederlagen zwischenzeitlich einzustecken hatten.

Ich denke wenn dein Vater weiß, dass es ungefähr 3-4 Wochen dauert bis er wieder fit ist (so lage hat es zumindest bei mir gedauert) kann er vielleicht wieder etwas zuversichtlicher in die Zukunft schauen und auch seine Nieren behandeln lassen.
Aufgegeben wird hier nicht wegen so einem Chemohänger!!!

Sag ihm das.

Und nun lass dich mal

Ich wünsche dir das dein Vater nicht aufgibt und das es bald wieder besser zwischen euch wird.

Liebe Grüße

Ute
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 28.12.2007, 23:31
Benutzerbild von holli
holli holli ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 29.03.2007
Beiträge: 16
Standard AW: Er gibt auf

Hallo Kerstin,
ich kann dich nur zu gut verstehen. Mein Papa hatte sich "damals" im März 2007 auf die Chemo gefreut. Nach der Chemo wollte er gar nichts mehr. Weder Essen noch aus dem Bett gehen. Ich dachte, das kann doch nicht sein. Druckte ihm Bilder von den Kindern aus und hängte sie an den SChlafzimmerschrank. Ich glaube, die hat er nie gesehen. Später, als er tot war (er starb im April 2007) las ich im Arztbericht, dass er eine ausgeprägte FATIGUE hatte. Das ist eine Begleiterscheinung bei Chemopatienten; Schläfrigkeit, Lustlosigkeit, alles egal ... lies mal im Internet nach. Vielleicht erklärt das einiges. Ich kann dich verstehen, wenn du deinen Vater am liebsten gleich in die Klinik bringen willst. Klar, wer würde das nicht wollen. Aber such mal das Gespräch mit ihm. Nicht als die Tochter, die ihm unbedingt helfen will und in die Klinik schaffen möchte. Sondern als Tochter, die versucht ihn zu verstehen. Frag ihn nach seinen Ängsten und ob er das Gefühl hat, es nicht zu schaffen. Das kostet mit Sicherheit Überwindung, aber es wird dir vielleicht helfen. Wir hätten mit meinem Vater viel offener reden müssen ... aber wer ist im nachhinein nicht schlauer. Ich drück dich ... Steffi
Mit Zitat antworten
  #6  
Alt 29.12.2007, 09:36
Andrea1957 Andrea1957 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 27.12.2007
Beiträge: 14
Standard AW: Er gibt auf

Hallo Kerstin,

es tut mir Leid dies alles zu lesen, aber so ist es manchmal..
als Kind steht man daneben und die Eltern tun und sagen Dinge die die Welt nicht verstehen kann.
Man selber findet dies Ungerecht, da man doch nur helfen möchte, aber die anderen sehen das nicht so.

Bitte laß los...
dein Vater kann selber entscheidungen treffen, auch wenn sie mit deinen nicht übereinstimmen.
Eltern fühlen sich manchmal von uns Kindern bevormundet und reagieren trotzig wie kleine Kinder, sie machen total dicht und erzählen einem so manches Märchen.

Ich weiß wovon ich rede, mein Mann und ich durchleben dies gerade auch mit meinen Schwiegereltern.
Du stehtst daneben und man wirft dir Dinge an den Kopf...

Ich denke mitlerweile das ist ein Schutzmechanismus.

Also im Hintergrund bleiben und doch die Fäden ziehen.

Liebe Grüße Andrea
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 10:24 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55