Schlimme Gewissheit, die Zeit läuft uns davon

[Jaecky]

Liebe Carla,

ich finde es auch ganz schlimm, das Du damit nun auch noch zu kämpfen hast. Als ob es nicht schon alles traurig genug wäre.

Ich wünsche Dir auch ganz doll, dass das alles klappt und das dann wenigstens geregelt weisst.

Ganz liebe Grüße Jäcky

[carla44]

Liebe Jäcky, liebe Sabine,

ich habe das Schriftstück für meinen Vater zwar fertig gemacht, aber leider war er heute zu müde, um das mit ihm so zu besprechen oder dass er es unterschreiben konnte.

Er bekommt seit gestern ja höhere Dosen des Morphiums, so dass er nun auch mehr schlafen wird. Ich weiß eben auch nicht, ob er überhaupt noch einen Stift halten kann. Ich kann ihm schlecht die Hand führen, zumindest möchte ich das nicht tun.

Aber dafür hatten wir heute ein paar ganz tolle Augenblicke zusammen. Mein ältester Sohn (24) ist gerade hier bei mir, nur für ein paar Tage. Er hat seinen Opa nun auch seit mehreren Monaten nicht gesehen.
Ich hatte meinem Vati gestern schon davon erzählt, dass sein Enkel heute da ist. Gestern gab er darauf noch keine Reaktion.

Aber heute. Wir haben sehr lange gewartet, fast 2 Sunden, dann wurde er mal kurz richtig wach, hat seinen Enkel gesehen und versucht, ihn anzulächeln! Immer wieder hat er ihn angesehen.
Mein Vati hatte dabei so einen lieben Gesichtsausdruck, seine Augen haben regelrecht geleuchtet. Mir kamen echt die Tränen, so hat mich das berührt. Wenn er gekonnt hätte, hätte er bestimmt auch etwas gesagt. Das ging nicht, war aber auch gar nicht nötig. Sein Gesicht sprach allein schon Bände.

Er ist dann immer wieder kurz eingenickt, hat aber richtig doll versucht wachzubleiben. Und immer, wenn er die Augen wieder auf hatte, hat er seinen Enkel angesehen und gestrahlt.

Mein Sohn hat auch ganz toll reagiert, seinen Opa gestreichelt, seine Hand gehalten, mit ihm liebevoll gesprochen.
Als er seinen Opa dann gefragt hat, ob er ihn morgen wieder besuchen kommen soll, kamen ein klares Ja und ein Lächeln als Antwort.

Wieder so Momente, die ich ganz tief in mir abspeichern werde und wo ich weiß, dass es richtig ist, was ich mache und Kraft für den nächsten Tag sammle.

Carla

[Rheingoldcat]

Liebe Carla,

erst mal ist es sehr schön, dass Ihr einen schönen Tag bei deinen Pa verbracht habt.

Ist es nicht wundervoll, wenn man sieht wie sich dein lieber Pa freut.
Ich kann mir vorstellen, dass dein Sohn sehr betroffen aber auch Stolz ist. Das sein Opa sich so gefreut hat.
Das Schriftstück, nehme es jeden Tag mit, es kommt bestimmt der Zeitpunkt an dem er es Unterschreiben kann.
Ich wünsche Dir mit deinem Sohn einen schönen Abend.

Lieben Gruß
Sabine

[Alpenveilchen]

Liebe Carla,

ich möchte mich Sabine voll und ganz anschliessen. Es ist doch wunderbar, solche Augenblicke wie die heute mit Deinem Vater und Deinem Sohn mit erlebt zu haben. Und nimm das Schriftstück wirklich jeden Tag mit. Vielleicht kannst Du die Sache ja kurz halten. Hauptsache es kommt eine Schwester dazu und Du kannst den Text kurz vorlesen und ihn noch einmal fragen, ob das alles so richtig ist, wie er es sich wünscht und dann die Unterschriften. Das wird Dir zu einem späteren Zeitpunkt so viel Leid ersparen, wenn Du traurig und zerbrechlich bist.

Ganz liebe Grüsse
vom Alpenveilchen

[Jaecky]

Liebe Carla,

ich finde es schön, dass Du so schöne Momente mit Deinem Pa hattest. Das hat ihm bestimmt sehr gut getan, dass dein Sohn mit da war. Siehst du ja er hat sich so gefreut. Ich finde es ganz toll und bewundere dich, das du dir so viel Mühe machst und deinem Papa nur noch schöne Stunden bereiten möchtest. Das ist es, was eine Familie ausmacht. Und nicht solche Sachen, das der eine aber unbedingt das möchte, obwohl es sich gegen den Wunsch deines Papas richtet.

Versuch es, das er das Schriftstück noch unterschreibt. Und wenn du ihm die Hand führen musst, ist es eben so. Wenn es dann doch klappt seinen Wunsch zu erfüllen, ist es doch das wert.

Ich wünsche, das ihr heute auch wieder schöne Stunden mit ihm verbringt.

Sei umarmt
liebe Grüße Jäcky

[carla44]

Hallo,

gestern war ich gar nicht hier, weil ich fast 10 Stunden am Bett meines Vaters gesessen habe. Als wir (mein Sohn und ich) zur Mittagszeit hinkamen, war er sehr sehr unruhig. Hat immer wieder die Augen geöffnet, mit den Händen Halt gesucht und versucht, sich seitlich einzuollen.

Ich kann das schlecht beschreiben, aber es sah für mich so aus, als ob er sich total zusammen rollen und am liebsten in sich selber zurück ziehen wollte. Mit den Händen hat er immer den Kopf in Richtung seiner Beine gedrückt. Er lag ja auf der Seite.

Und seine Hände haben immer wieder Halt suchend nach etwas gegrifften, mal nach der Bettkante und ganz oft nach unseren Händen. So als wollte er eigentlich gehen, diese Welt aber noch nicht ganz loslassen.
Abends wurde er dann etwas ruhiger, hat nicht ständig die Augen offen gehabt. Aber als wir eigentlich gehen wollten und uns verabschiedet haben, hat er wieder meine Hand genommen und ganz fest zugedrückt. Da konnte ich doch nicht gehen, oder?

Mein Sohn wurde dann von meinem Mann abgelöst und sogar meine Mutter hat einen Nachbarn gebeten, sie ins Heim zu fahren. Sie war dann auch noch zwei Stunden mit da.

Ich denke, dass mein Vater schon auf dem Weg ist. Als wir gegen Mitternacht aus dem Heim weg sind, dachte ich, dass spätestens heute morgen der Anruf vom Heim kommt, dass er eingeschlafen ist.

Ich hatte um Glück auch mal eine Stunde ganz allein mit ihm gestern. So konnte ich ihm noch viele Dinge sagen, die mir wichtig waren. Ein Unterschreiben des Zettels mit seinem Beerdigungswunsch ging aber leider nicht.
Mein Bruder macht mir übrigens heftige Vorhaltungen, was denn mit mir los sei und dass ICH jetzt in dieser Situation einen Streit vom Zaun brechen würde. Ich sollte unsere Mutter doch jetzt nicht noch mit so was belasten. Mein Bruder erwartet von mir den nötigen Respekt meiner Mutter gegenüber.
Sie hätte das alleinige Recht, das wegen der Beisetzung zu entscheiden, wie SIE das will. Mit Vati könne man das jetzt schließlich nicht mehr besprechen.
Ja, an diesem Punkt hat er Recht. Und genau deshalb ist es zu respektieren, was mein Vati vorher immer gesagt und gewollt hat!

Ich nehme das Schriftstück jedenfalls jeden Tag wieder mit ins Heim. Vielleicht schaffe ich das ja noch, eine Unterschrift zu bekommen.

Liebe Grüße
Carla

[Rheingoldcat]

Liebe Carla,

ich weiß gar nicht was ich sagen soll, man kann nicht viel sagen. Denn alle Worte können Dir leider nicht helfen.
Ich kann dir nur Kraft schicken und dich im Gedanken ganz doll drücken und in den Arm nehmen.

Lieben Gruß
Sabine

[carla44]

Hallo Ihr alle, die Ihr immer bei mir mitgelesen habt und mir so viele liebe Worte geschickt habt.

Heute nachmittag um 16.30 Uhr ist mein Vater in meinen Armen eingeschlafen.

Ich war die letzten 2 Stunden seines Lebens bei ihm und konnte immer wieder spüren, wie wichtig ihm das war. Er hat immer wieder meine Hand gedrückt und sogar kurz vor seinem letzten Atemzug noch einmal. Dann ist er ganz friedlich eingeschlafen. Und ich habe ihm die Augen geschlossen und konnte ihm noch einmal sagen, wie sehr ich ihn geliebt habe.

Zum Glück hat mein jüngerer Sohn (22) heute noch die Chance gehabt, seinen Opa noch einmal zu sehen. Er war kurz vor mir im Heim angekommen und ist auch bis zum Schluss bei ihm geblieben. Letzte Woche war er selber krank und wollte seinen Opa natürlich nicht anstecken.
Heute kam mir in den Sinn, dass sein Opa vielleicht nur noch auf ihn wartet, weil ich ihm immer gesagt habe, dass sein Enkel kommt, so bald er seine Erkältung los ist. Als wir telefoniert haben, war mein Sohn schon auf dem Weg zu ihm.

Einmal ganz kurz ist meinem Vati heute auch ein kurzes Lächeln über das Gesicht gehuscht, als er seinen jüngsten Enkel sah. Es war nur ein Moment, aber ich habe es deutlich gesehen.

Die 2 Stunden heute waren so intensiv, so viele Gefühle, so viele kleine Regungen bei meinem Vati, so viel Schmerz bei uns und so viel Dankbarkeit, dass ich ihn wirklich bis zum letzten Moment begleiten durfte.

Nun ist er erlöst, hat bestimmt keine Schmerzen mehr und ich vermisse ihn so doll, dass mir jede Phaser meines Körpers wehtut.
Seit heute um 16.30 Uhr ist nichts mehr wie es war.

Carla, in Tränen aufgelöst.

[MavoLiMa]

liebe carla, ich habe nur mitgelesen und möchte dir mein beileid aussprechen!
ich kann deine trauer nachvollziehen und wünsche dir ganz viel kraft für die kommende zeit!

fühl dich umarmt!
annika

[Rheingoldcat]

Liebe Cala,

Es tut mir unendlich leid , dises zu lesen.

Ich denke ganz doll an dich

Nehme dich hier und jetzt in den Arm.

Lieben Gruß
sabine

[Alpenveilchen]

Liebe Carla,

auch von mir herzliches Beileid. Es ist ganz phantastisch, wie Du Deinen Vater in seinen letzten Wochen, Tagen und Stunden begleitet hast. Dass er in Deinem Beisein gestorben ist, sehe ich als einen weiteren Beweis des Vertrauens, das er zu Dir gehabt hat und das Du geschahffen hast. Ich finde das eine ganz, ganz grosse Leistung. Sei bei aller Trauer stolz auf Dich!

Ganz, ganz liebe Grüsse
vom Alpenveilchen

[edith57]

Liebe Carla,

Als stille Mitleserin möchte ich dir mein tief empfundenes Beileid aussprechen. Es ist schön, dass du deinen Vater so liebevoll bis zuletzt begleitet hast - du hast es ihm damit sicher erleichtert, diese Welt voll Leiden los zu lassen. Er hat jetzt keine Schmerzen mehr und wird von nun an in deinem Herzen sein.

Stille Grüße
Edith

[Jaecky]

Liebe Carla,

es tut mir schrecklich leid ich nehm Dich ganz fest in den Arm!!!

Als ich eben deine Nachricht gelesen hab, sind mir sofort die Tränen gekommen. Ich weine mit Dir.

Es ist schön, das Du bei Ihm warst, so war er nicht allein.

Ich weiss, meine Worte können deinen Schmerz nicht mindern und auch nicht helfen.

Ich denk an Dich und schicke Dir ganz liebe Grüße
Jäcky

[success]

Liebe Carla,

schön, dass Du bei ihm sein konntest bis zum Schluss. Kein Wort der Welt kann richtig sein, um daran Anteil zu nehmen. Deshalb sei einfach nur

Alles Liebe!

[carla44]

vielen lieben Dank Euch allen für Eure Anteilnahme.

Es ist schön und tut sehr gut, von Euch hier so viel Zuspruch zu erfahren.

Ich habe es vorhin mit meinem Mann zusammen geschafft, die Sachen von Vati aus dem Heim abzuholen. Vorhin fühlte ich mich stark genug dafür. Wir hätten das auch erst in 3 Tagen machen müssen, aber es wäre dann auch nicht leichter gewesen.

Es war sehr schmerzlich, das leere Zimmer zu betreten, alles einzupacken, die Bilder abzunehmen. Dieses Zimmer war seit 29.6. sein zu Hause und er hat es nur noch wenige Male verlassen.
Ich mußte dann vorhin da auch schnell wieder raus, weil es kaum zu ertragen war.

Ich danke Euch allen hier, dass Ihr mit mir gelitten und mir immer wieder Mut gemacht habt. Ich weiß, dass ich die letzten 17 Tage alles richtig gemacht habe und mein Vati nun von seinem Leid erlöst ist.

Ich habe im Hinterbliebenen-Bereich einen neuen thread aufgemacht und würde mich freuen, wenn Ihr mir da auch weiterhin schreibt.

Carla