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  #211  
Alt 21.09.2010, 20:03
Carmelina Carmelina ist offline
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Standard AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen

Hallo,
ich muß hier nun auch mal meinen Mund aufmachen, genauer gesagt auf die Tasten hämmern. Lese immer mit und will nun mal Danke sagen für Deine Texte.

LG Kirsten
  #212  
Alt 21.09.2010, 22:16
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MoSchu MoSchu ist offline
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Standard AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen

hallo ecki - auch ich möchte mich mal wieder bei dir ganz herzllich bedanken.
du machst uns mut mit deinen erfrischenden texten - es sind die einzigsten hier, die ich meinem mann ausdrucken soll!!!!! er kann sich damit identifizieren.

wir schaffen uns auch immer wieder höhepunkte in der zeit nach chemo und bestrahlung (bei pleura mesotheliom) ----- wo eigentlich keine rechte hoffnung mehr gegeben ist.
in den letzten zwei wochen hatten wir die silberhochzeit unserer tochter - dann vorige woche die oper la traviata - heute einen herrlichen waldspaziergang - sogar mit pilzen --- so gibt es immer momente, wo das leben siegt.

ich wünsche dir eine gute nacht -- lg moni
  #213  
Alt 22.09.2010, 13:29
yagosaga yagosaga ist offline
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Standard AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen

Hallo zusammen,

so ein schöner Septembermorgen wie heute, der hat es in sich. Ein Blick aus dem Fenster: strahlend blauer Himmel, das Laub der Bäume ist noch grün und hier und dort nur etwas angebräunt. Die Sonne wärmt, aber sie ist nicht mehr so grell wie im Sommer. Sie steht tiefer und wirft längere Schatten, ich liebe dieses Wechselspiel des Lichts, das es so nur im September gibt. Das Licht ist mild, angenehm. Nicht blendend, und auch die Wärme ist angenehm. Ich weiß nicht, warum mich das so eigenartig berührt. Oder vielleicht doch?

Dieses milde Licht, die angenehme Wärme, dieses Lebendige und doch schon der Geruch von würzigem Herbst, auch die nassen Autoscheiben heute morgen erinnerten bereits an Winter - vielleicht spiegelt dieses Äußere auch etwas von dem wieder, was ich im Tod vermute: Wärme, Geborgenheit, angenehmes, nicht gleißend blendendes Licht, friedlich ist die Welt an einem solchen Septembermorgen. Und freilich, ein solch mildwarmer strahlender Sepptembermorgen mit tiefbauem Himmel war auch der 11. September 2001...

Mit dem Auto war ich unterwegs und zu Fuß, und ich genoss dieses Wechselspiel des Lichts, konnte mich gar nicht satt sehen. Hoffentlich hält diese Stimmung auch heute abend noch an, und dann setze ich mich mit meiner Frau in die Hollywoodschaukel und schlürfe ein Hefeweizen. Das taten wir früher öfter, aber dieser verregnete Spätsommer ließ dazu leider kaum Gelegenheiten.

Der Krebs verändert doch sehr das Leben. An einem Tag wie heute spüre ich, wie sehr ich in der Gegenwart lebe und den jetzigen Tag genieße. Ich denke nicht an Morgen oder an die Zukunft, und die Schatten der Vergangenheit können auch nicht die Stimmung verderben. Ich brauche solche Tage als Polster für unangenehmere Zeiten. Sonne, mildes Licht und Wärme wirken - glaube auch - auf Krebskranke viel intensiver als auf andere Menschen. Christa (Lumine) fand heute morgen auch wieder Auftrieb.

Hallo moni, richte schöne Grüße an Deinen Mann aus. Und achtet bitte auf Giftpilze beim Sammeln, bei uns sind mehrere Menschen an Giftpilzen inzwischen gestorben, weil sie sich nicht auskannten oder die Pilze verwechselten.

Beste Grüße
Ecki
  #214  
Alt 22.09.2010, 13:50
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MoSchu MoSchu ist offline
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Standard AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen

ja ecki - erstmal einen ebenso herbstlich-sonnigen gruß zurück -- wir konnten eben auf der terrasse (eigene) tomatensuppe essen --
aber vorher waren wir beim arzt: der tumor wächst und wächst - knallharte diagnose - es wird jetzt erneute bestrahlung geraten, da er ja die chemo so entsetzlich schlecht vertrug. die morphium-tabletten werden erhöht.

ich denke, er wird nachher auch wieder in den wald gehen -- ich habe heute keine zeit, ich fahre tatsächlich morgen für eine woche nach ischia --- es ist sein energischer wunsch, daß ich die reise wahrnehme. wenn ich zuhause bliebe, würde ich ihm viel mut nehmen.
aber mein herz ist zentnerschwer.

übrigens, ich kenne pilze - und die gestrigen wanderten nach einem kontrollblllick ins pilzbuch in den müll!!!!

einen lieben gruß - moni
  #215  
Alt 22.09.2010, 15:24
Lumine Lumine ist offline
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Standard AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen

Hallo Ecki,

dein Bericht hat genau das gesagt und ausgedrückt, was und wie ich heute Morgen gefühlt habe. Die Sonne ist wirklich mental und optisch ein Sinnbild der Energie des Lebens.

Danke für deinen Beitrag und ganz liebe Grüße,
Christa


Geändert von Lumine (22.09.2010 um 15:27 Uhr)
  #216  
Alt 04.10.2010, 10:39
yagosaga yagosaga ist offline
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Standard AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen

Hallo zusammen,

in den letzten Tagen habe ich Maxie Wander, "Leben wär' eine prima Alternative", gelesen. Das Werk besteht aus Tagebuchnotizen und Briefen, die die an Krebs erkrankte Schriftstellerin Maxie Wander in den 1970er Jahren geschrieben hat und wurde in den 1980er Jahren zu einem "Kultbuch". Wander wuchs in Wien auf und ging zusammen mit ihrem Mann 1958 in die DDR, lebte in Kleinmachnow und erkrankte 1976 an Brustkrebs. Im November 1977 verstarb sie an den Folgen ihrer Krebskrankheit.

"Leben wär' eine prima Alternative" war damals Ende der 1970er Jahre m.W. das erste Buch, in dem eine Frau bei uns in Deutschland als Betroffene über ihre Krebserkrankung schreibt und löste damals ein lebhaftes Echo aus. Ich weiß, dass manchem Leser bei der Lektüre der Atem stockte.

Nun habe ich das Buch mit zeitlichem Abstand und mit anderen Augen gelesen. Und ich bleibe teils irritiert, teils verwundert zurück. Was mich am meisten verwundert hat, wie lange Wander in Unwissenheit gehalten wurde. Kein Arzt hat anscheinend mit ihr offen gesprochen. Oder verheimlicht sie das vor ihren Freunden und Bekannten, um sie nicht zu erschrecken? (Das glaube ich nicht.) Ihr wird eine Brust abgenommen. Ob damit der Krebs weg ist oder nicht? Die Ärzte erwecken den Eindruck, es wird schon alles wieder.

Andererseits, aus den Andeutungen, die sie macht, - Leber (ich weiß ja, wie sich Lebermetastasen anfühlen und wie sie schmerzen können), Tropf, Schmerzmittel, Schwierigkeiten beim Schreiben / Tippen etc. -, kann ich aus meiner Sicht gut nachvollziehen, wo sie im Krankheitsverlauf gerade steht. Aber bis zuletzt, bis gut eine Woche vor ihrem Tod glaubt sie noch, gesund zu werden und ist sie sich immer noch unsicher, ob sie noch Krebs hat oder nicht. Das erschrickt mich.

Wir dagegen heute, - ich meine jetzt die Menschen, die ich aus der Tagesklinik kenne, die ich treffe und auch mich selbst -, reden viel offener über unseren Krankheitszustand, wir sind viel direkter mit der harten Wirklichkeit konfrontiert, schauen viel direkter dem Tod ins Auge, vertreiben immer wieder die Angstmonster, und das liegt ja auch wieder an den Ärzten, die uns heute unverblümter und direkter aber nicht schonungslos mit der harten Wahrheit konfrontieren. Da hat sich in den letzten Jahrzehnten viel verändert.

Freilich müssen wir uns heute auch mit der radikalen Endlichkeit in anderer Schärfe auseinandersetzen als es scheinbar bei Wander der Fall war. Wir können heute die verschiedenen Krankheitsphasen viel bewusster erleben, müssen uns aber auch länger und mit einer anderen Intensität der Gefühle leben.

Etwas fassungslos war ich auch bei den Schilderungen ihrer Tochter Kitty, die durch einen Unfall beim Spielen ums Leben kam. Kitty zieht sich wie ein roter Faden durch die Briefe und Tagebuchnotizen, sie schreibt über ihre eigenen Gefühle aber fast nur in Andeutungen.

Dieses Andeutende, Zurückhaltende bei allem, was Leid und Krankheit betrifft, ist es, was mich irritiert, wo sie sonst mit einer Detailversessenheit kleine Ereignisse, Personen und Empfindungen beschreibt, die im schroffen Gegensatz dazu stehen. Ich denke an die Betrachtungen zu Mann und Frau im Zusammenhang mit dem Organisten auf Rügen, der eine erotische Anziehung auf sie ausübte (... Frauen sind bei ihm gut aufgehoben..) oder an die Versuche, in Kleinmachnow oder Potsdam ein offenes Lokal zu finden, wo man mal essen gehen kann (typisch DDR). Ich vermute, dass dieses Andeutende, Zurückhaltende bei allem, was Leid und Krankheit betrifft, auch den damaligen Zeitgeist der 70er Jahre wiederspiegelte. Über den Tod sprach man nicht, Leiden macht man mit sich selbst ab und die "nackte Wahrheit" wird dem Krebskranken vorenthalten, um ihn nicht noch stärker zu belasten.

Was ist besser, frage ich mich? Mit der Krankheit so verhalten umgehen wie damals zu Maxie Wanders Zeiten? Oder so direkt und offen wie heute? Ich denke an meinen Arzt, wie er uns die endgültige Krebsdiagnose mitteilte, nachdem das Ergebnis zytologisch und pathologisch unabhängig voneinander abgesichert war. Er nahm sich eine Stunde Zeit und sprach die harte Wahrheit, die ja einem Todesurteil gleich kam, so vorsichtig und tastend aus, dass wir dabei nicht in Sprachlosigkeit oder Schock verfielen. Wir gingen anschließend die Optionen durch, die nicht mehr in Frage kamen, Lungenoperation, Lebertransplantation, und er ließ mich die Konsequenzen aussprechen. Und er ließ auch mich den nächsten Schritt entscheiden. Die Mitteilung einer solchen erschreckenden Diagnose ist eine Kunst der höchsten Gesprächsführung!

Durch die gute Palliativmedizin heute erleben wir auch bei unheilbarer Krankheit eine wesentlich längere Phase hoher Lebensqualität, die es bis vor einigen Jahren so noch nicht gab. Das heißt aber auch, die Lebenszeit, in der wir dem drohenden Tod ins Auge sehen mit ungetrübten Bewusstsein und in guter körperlicher Verfassung, ist heute bei Krebs sehr viel länger geworden. Und das stellt heute auch andere Anforderungen an die Krankheitsbewältigung und lässt auch solche Angebote wie psychoonkologische Begleitung notwendiger werden.

Beste Grüße
Ecki
  #217  
Alt 04.10.2010, 11:51
Kyria Kyria ist offline
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Standard AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen

Lieber Ecki,

Deinen Text habe ich mit großem Interesse gelesen, danke dafür.

Du hast wirklich eine Begabung, klar, schön und punktgenau Sachen und Dinge zu beschreiben, so daß es immer wieder ein Vergnügen ist, zu lesen, was Du hier schreibst. Auch wenn es sich hierbei natürlich wieder Mal um ein sehr ernstes Thema handelt, um das des Umgangs der Mediziner mit der "Wahrheit" dem schwer erkrankten Patienten gegenüber.

Ich denke auch, daß sich diesbezüglich in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel getan hat. Inzwischen wird der Patient in der Regel wesentlich offener und klarer über seine Diagnose informiert, als früher.

Das ist die eine Seite der Realität. Es gibt aber dazu, so finde ich, immer noch eine andere, nämlich die, wieviel der Patient selbst über seine Diagnose und den möglichen Krankheitsverlauf wissen möchte.
Ich denke, daß nicht jeder, der schwer erkrankt ist, in der Lage dazu ist, der Realität so klar ins Auge zu blicken wie Du. Viele möchten die "Wahrheit", also den wahrscheinlichen Krankheitsverlauf gar nicht so genau kennen und signalisieren das auch deutlich ihren Ärzten. In dem Fall werden die Aussagen der Ärzte über das Stadium der Erkrankung und den Krankheitsverlauf in der Regel wohl weniger deutlich und klar ausfallen, wie bei Dir.

Oft wollen dazu auch die Angehörigen gar nicht so genau wissen, was Sache ist, einfach weil die Wahrheit in dem Stadium, in dem sie sich gerade befinden, nicht ertragen könnten oder wollen - und so werden die Ärzte wohl weniger intensiv befragt.

Ich selbst habe es so erlebt. Das Ärzteteam das meinen Angehörigen, der an unheilbarem Kleinzeller erkrankt war, behandelt hat, ist wirklich sehr vorsichtig mit dem der Mitteilung der Diagnose umgegangen. Wenn wir als Angehörige ohne den Kranken nachfragten, bekamen wir immer exakt Antwort auf die gestellte Frage. Und nur wenn wir existenzielle Fragen stellten, wie die nach der möglichen Lebenserwartung, wurde diese auch genau und klar beantwortet. Je intensiver wir also nachbohrten, desto detaillierter war auch die Antwort. Ansonsten wählten die Ärzte lieber offenere, unklarere Formulierungen.

Dem Kranken gegenüber verhielten sie sich ebenso und unser Kranker wählte daraus die Option, nur Positives aus den Aussagen der Ärzte herauszuhören und sich die Schwere seiner Krankheit nicht bewußt zu machen.

Das war sein Weg, damit umzugehen und das war okay für ihn.
Ich find`s gut, daß ihm die Ärzte das ermöglicht haben, denn die harte Wahrheit wollte er nicht hören und hätte er vielleicht auch nicht verkraftet.

Ich denke einfach, daß es auch heute, bei medizinisch wesentlich besserer Aufklärung als früher, noch typensache ist, wie man mit einer solchen Diagnose umgeht, ob man als Betroffener wirklich informiert werden möchte oder nicht.

Wie Du schreibst: Wenn man sehr gut informiert ist, braucht man eigentlich auch besondere Strategien und Unterstützung, um damit gut umgehen zu können.
Aber ich glaube, daß jeder Kranke von Anfang an den für sich passenden Weg auswählt, entweder den der Verdrängung oder den, der Realität ins Auge zu schauen. Beide Strategien haben ihre speziellen Vor- und Nachteile.
Leicht ist es sicher nie, damit umzugehen.

Ganz liebe Grüße
Kyria
  #218  
Alt 04.10.2010, 12:08
Lumine Lumine ist offline
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Standard AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen

Lieber Ecki,

dein Beitrag hat mich zum Nachdenken angeregt und ich denke (und weiß auch aus meinem Umfeld), dass der Umgang mit dieser elenden Krankheit je nach Mensch sehr verschieden ist bzw. sein kann.
Zitat:
Was ist besser, frage ich mich? Mit der Krankheit so verhalten umgehen wie damals zu Maxie Wanders Zeiten? Oder so direkt und offen wie heute?
Ich persönlich (und ich spreche jetzt nur fur mich) habe festgestellt, dass es mir sehr hilft, wenn ich mich über meine Krankheit, meine Gefühle, meine körperlichen "Probleme" usw. mit anderen Menschen austausche; es müssen dabei auch nicht unbedingt nur "Patienten" sein.

Eine ganz große Hilfe (neben meinem Mann) ist für mich auch das Schreiben bzw. Führen meines Tagebuches auf meiner Homepage. Allein schon das Schreiben erleichtert mich und wenn ich dann Feedback über das Geschriebene bekomme, entsteht in vielen Fällen dann auch wieder ein zwischenmenschlicher Austausch, der mich aufbaut und trägt.

Bei der Erstdiagnose wurde mir der Befund von einem Arzt quasi "um die Ohren gehauen"; ich zitiere mal der Einfachheit halber aus meinem Tagebuch
Zitat:
Dann die vernichtende erste Diagnose durch den Chefarzt:

"Es bringt nichts, drumherum zu reden, aber Sie haben einen bösartigen Tumor in der Lunge." *peng*

"Wir müssen erstmal die Flüssigkeit ablassen (punktieren), damit wir danach per CT mit Kontrastmittel den Umfang des Tumors in der Lunge ermitteln können." ... und nochmal *peng*
Im Nachhinein denke ich, dass dieser schnelle, plötzliche "Hammerschlag" für mich besser war, als eine langsam sich hinschleppende Wahrheit. Ich wurde quasi gezwungen, mich sofort und umfassend damit zu beschäftigen und den für mich passenden Umgang mit der Krankheit zu finden. Ich persönlich will immer alles wissen, um die "richtigen" Fragen stellen zu können und die "schnelle" Aufklärung hat mich "wach" und aufmerksam dem Krebs gegenüber gemacht (so empfinde ich das).

Aber, wie gesagt, das ist sicher bei jedem Menschen anders; genauso, wie die Ärzte in jedem KH anders sind (einige der Damen und Herren im weißen Kittel sind wirklich hervorragend, andere wiederum haben keinerlei soziale Kompetenz).

Liebe Grüße,
Christa
  #219  
Alt 05.10.2010, 09:53
yagosaga yagosaga ist offline
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Standard AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen

Hallo Ihr beiden,

Zitat:
Was ist besser, frage ich mich? Mit der Krankheit so verhalten umgehen wie damals zu Maxie Wanders Zeiten? Oder so direkt und offen wie heute?
Diese Frage hatte ich eigentlich "nebenbei" gestellt ohne mir in dem Moment so richtig über die Tragweite im Klaren zu sein. Anhand Eurer und anderer Beispiele sehe ich, wie verschieden solche Diagnose / Aufklärungsgespräche von ärztlicher Seite her geführt werden können. Ich selbst erliege ja immer wieder den Fehler, dass ich das, was ich erlebe, für den "Standard" halte. Aber es wurde deutlich, dass es doch große Unterschiede gibt. Und auch jeder Patient geht anders mit der Wahrheit um. Ich selbst bevorzuge die direkte Ansage. Dann weiß ich, worauf ich mich einstellen kann. Aber andere Patienten schieben den Ernst der Lage lieber weit von sich.

Was ist besser...?? - Diese Frage lässt sich aus meiner Sicht letztlich nur von der eigenen Einstellung zum Tod her beantworten. Je offener ich dem Tod ins Auge sehen kann, umso direkter kann ich mich auch einer schlechten Diagnose oder einer harten Wahrheit stellen.

Aber wie ich zum Tod stehe und wie offen ich mit ihm umgehe, hängt auch von den Erfahrungen ab, die ich mit ihm gemacht habe.

Vor gut 90 Jahren, als der Tod als öffentliches Ereignis noch präsenter unter den Menschen war, konnte Otto Reuter noch singen:

"Und fürchte dich nie, ist der Tod auch nah,
Je mehr du ihn fürcht’st, um so eh’r ist er da.
Vorm Tode sich fürchten, hat keinen Zweck,
Man erlebt ihn ja nicht, wenn er kommt, ist man weg.
Und schließlich kommen wir all an die Reih’ —
Und in fünfzig Jahren ist alles vorbei. ..."

Heute ist uns der Tod und das Sterben ferner gerückt. Sterben findet fast nur noch und selten genug im engsten Familienkreis statt. Es geschieht verborgen und diskret. Nur in den Medien ist es präsent, aber eben auch nur als mediales Ereignis und nicht mehr als Erfahrung des eigenen Lebensumkreises. Wer hat – außer im engsten Familienkreis – einen Menschen sterben sehen? Wer hat schon früh eine Leiche angefasst und betastet und gespürt, wie sich der Tod anfühlt? Weil das nicht mehr zum Alltag gehört, fehlt einfach die Erfahrung damit, und das macht es auch vielen Menschen heute schwerer, damit umzugehen, wenn sie selbst betroffen sind.

Und jetzt mache ich einen noch weiteren Sprung in die Vergangenheit. Vor gut 490 Jahren war der Tod und das frühe Sterben leidvolle Alltagswirklichkeit. Was wir heute aus Büchern lernen, konnten die Menschen selbst am Schicksal ihrer nächsten Mitmenschen ablesen. Martin Luther beschreibt, was er sah und wie er es deutet:

"Aber der enge Gang des Todes macht, daß uns dies Leben weit und jenes eng dünkt. Darum muß man das glauben und an der leiblichen Geburt eines Kindes lernen, wie Christus sagt: 'Ein Weib, wenn es gebiert, so leidet es Angst. Wenn sie aber genesen ist, so gedenkt sie der Angst nimmer, dieweil ein Mensch geboren ist von ihr in die Welt.' So muß man sich auch im Sterben auf die Angst gefaßt machen und wissen, daß danach ein großer Raum und Freude sein wird."

Sterben und Geburt rücken ganz eng zusamnmen und werden hier beide als Übergangserfahrungen erkennbar: von einem Raum in den anderen in der Abfolge von Angst, Schmerz und Freude. Wenn ich das Sterben von der Geburt her begreife, verändern sich auch die Erwartungen, die ich damit verbinde, und damit verliert auch der Tod ein Stück der Bedrohlichkeit, die sich einstellt, wenn uns die Erfahrungen fehlen und statt dessen Phantasie das Denken beherrscht. Die Phantasien sind oft viel angstauslösender, weil sie vor keiner Grenze Halt machen.

Beste Grüße
Ecki
  #220  
Alt 05.10.2010, 21:50
Lumine Lumine ist offline
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Standard AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen

Hallo Ecki,

das scheint ein extrem schwieriges Thema zu sein ...

Du schreibst
Zitat:
Ich selbst erliege ja immer wieder den Fehler, dass ich das, was ich erlebe, für den "Standard" halte. Aber es wurde deutlich, dass es doch große Unterschiede gibt.
Du hast ja "von Berufs wegen" einen ganz anderen Bezug/Umgang zu/mit Krankheit und vor allem Tod. Bei mir und vielen anderen Krebspatienten sieht es da anders aus. Für die meisten Menschen ist das Wort Krebs(krank) gleichbedeutend mit Angst, Schmerzen, Siechtum und Tod.

Zitat:
Je offener ich dem Tod ins Auge sehen kann, umso direkter kann ich mich auch einer schlechten Diagnose oder einer harten Wahrheit stellen.
Bei mir ist es anders: ich will alles über meine Krankheit wissen, damit ich dagegen angehen kann; gerade um dem Tod nicht so schnell ins Auge sehen zu müssen. Ich habe Angst vor dem Tod; liebe das/mein Leben so sehr, dass ich es so lange wie möglich behalten will.

Irgendwie fällt es mir schwer, darüber zu sprechen/schreiben, die richtigen Worte zu finden ... und es scheint so, dass es vielen Menschen so geht ...

Viele Grüße, Christa

Geändert von Lumine (05.10.2010 um 21:54 Uhr) Grund: Ergänzung
  #221  
Alt 05.10.2010, 22:11
yagosaga yagosaga ist offline
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Zitat:
Zitat von Lumine Beitrag anzeigen
Bei mir ist es anders: ich will alles über meine Krankheit wissen, damit ich dagegen angehen kann; gerade um dem Tod nicht so schnell ins Auge sehen zu müssen. Ich habe Angst vor dem Tod; liebe das/mein Leben so sehr, dass ich es so lange wie möglich behalten will.
Hallo Christa,

freilich, leben wollen wir wahrscheinlich alle so lange es möglich ist, und auch gegen die Krankheit angehen. Aber für mich stellt sich trotzdem die Frage, wie realistisch bin ich dabei? Mache ich mir etwas vor oder stelle ich mich der Wirklichkeit?

Beim Kleinzeller im fortgeschrittenen Stadium sieht es finster aus. Aber das war mir schon klar bei der ersten Ultraschalluntersuchung, als ich noch nicht wusste, dass es ein Lungentumor ist und noch dazu ein Kleinzeller. Als ich die kirsch- und pflaumengroßen Metastasen in der Leber sah, wusste ich, dass das nichts mehr werden kann. Was mich hält, ist ein gewisser Trotz in dem Sinne, ich versuche noch soviel wie möglich zu gewinnen. Aber letztlich ist es doch das Gefühl, einem Gegner oder Schicksal gegenüber zu stehen, gegen das ich machtlos bin.

Morgen vormittag komme ich ins CT, das erste Mal wieder nach der Erstdiagnose im März. Dann wird nachgeschaut, was sich inzwischen verändert hat seit der Chemo. Die Schmerzen in der Lebergegend haben wieder zugenommen. Und am Freitag bin ich in der onkologischen Praxis zum Gespräch, dann wird geschaut, wie es weitergeht.

Beste Grüße
Ecki
  #222  
Alt 05.10.2010, 22:24
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Lieber Ecki,
das hast Du eine sehr interessante Diskussion angefacht.
Mir geht es wie Christa, ich will auch alles über die Krankheit wissen und zwar ganz genau. Nur anders als Christa habe ich keine Probleme über den Tod zu sprechen, habe auch, so hoffe ich, alles geregelt. Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung. Habe auch sehr deutlich gemacht, dass ich auf eine Palliativstation möchte, so eben möglich. Ansonsten halte ich ein Hospiz für richtig.
Gerne hätte ich auch eine Auswegpille und genau wie Reinhard denke ich, dass ich die zur Beruhigung im Schränkchen hätte und wohl gar nicht nehmen würde.
Zumal Silja mich getröstet, hat als ich diese Gedanken hatte und meinte, dass ich keine Auswegpille brauche, weil ich auf einer Palliativstation ganz sicher in Würde sterben könnte.
Mehr Probleme über den Tod zu reden, hat meines Erachtens nach die Umgebung.
Ich bin froh, dass heute mal mehr mal minder gefühlvoll gesagt wird, dass man Krebs hat und auch in welchen Stadium.
Die Nachricht ist immer so, dass sie einen umhaut. Egal wie sie gesagt wird.
Bei mir war es die Röntgenaufnahme. Da ging es mir wie Dir, als Du Deine Leber sahst. Ohne dass jemand was sagte, wusste ich, dass es bitter ernst ist und in meiner Brust wuchs ein großer kalter Betonblock. Ich war wie gelähmt und hatte Angst.
Als ich dann nach zahlreichen Untersuchungen das entgültige Ergebnis bekam,
war ich eigentlich nur froh, dass es ein Adeno war. So viel hatte ich schon gegoogelt, dass ich wusste, LK ist immer absoluter Mist, aber Adneo gibt etwas mehr Überlebenszeit als ein Kleinzeller. Wobei auch das immer relativ zu sehen ist.
Sei lieb gegrüßt
Christel
  #223  
Alt 05.10.2010, 23:02
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Hallo Ecki,

mit dem Kleinzeller als Diagnose ist es natürlich noch eine ganz andere Hausnummer als mit dem Nicht-Kleinzeller, das stimmt. Wie Christel bin auch ich froh, dass mich "nur" ein Adeno heimgesucht hat.
Zitat:
Aber für mich stellt sich trotzdem die Frage, wie realistisch bin ich dabei? Mache ich mir etwas vor oder stelle ich mich der Wirklichkeit?
Ich gehe nach dem "Prinzip Hoffnung" oder auch "die Hoffnung stirbt zuletzt". Ich weiß zwar, dass LK ganz großer Mist ist, aber weil ich "R0" operiert bin, hoffe ich auf eine laaaange Überlebenszeit.

Morgen denke ich auf jeden Fall ganz fest an dich und drücke fürs CT alle Daumen.

Toi toi toi, Christa
  #224  
Alt 05.10.2010, 23:12
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Lieber Ecki,
auch meine Daumen sind für Dich gedrückt und meine Gedanken sind morgen bei Dir.
Liebe Grüße
Christel
  #225  
Alt 05.10.2010, 23:37
Carmelina Carmelina ist offline
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Lieber Ecki,
ich wünsch Dir natürlich auch alles Gute für morgen. Vor kurzem hattest Du mir ja noch ein bißchen Mut gemacht, was die Metas anbelangt. Wie Du weißt hat ja mein Göga auch diesen Mistkerl Kleinzeller.
Obwohl ich "nur" angehörig bin, hatte ich ähnliche Gedanken wie Christel und Christa. Hätte mich auch "gefreut" wenn mein Schatz nen anderen Krebs hätte.
Diese Teufelskrankheit bringt einem doch tatsächlich zu solch wirren Gedanken.
Dachte von Anfang an, warum nur mußte er sich gerade die schlechteste Variante zulegen. Zwischendrin konnte ich dann aber umdenken und hatte Hoffnung. Leider aber nun ja die Lebermetas.

Ganz liebe Grüße und Daumendruck
Kirsten
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