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  #1  
Alt 28.05.2004, 17:12
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Standard Eine Lanze für die Mediziner...

Hallo an alle hier im Forum,

weil gerade wieder zwei Berichte hier im Forum stehen,
die in etwa so anfangen:"...die Unsensibilität der Ärzte...!"
möchte ich mal um ein klein wenig Verständnis für die
Mediziner werben...

Stellt euch mal vor, ihr arbeitet in irgendeinem normalen
Job, z.B. Versicherungskaufmann, Werbegrafiker oder
Schreinermeister... und stellt euch weiterhin vor, ihr hättet
einen wirklich schlechten Tag erwischt. Vielleicht wäre ein
Vertrag geplatzt, ein Kunde hätte einen Auftrag storniert
oder der dämliche Azubi hätte die Kreissäge ruiniert...

Und jetzt stellt Euch mal vor, ihr wärt Onkologe in einem
Uniklinikum mit 50 Betten auf der Station.
Dieser schlechte Tag sieht dann so aus, das ihr einer
jungen Mutter erklären müsst, das ihr Kind Leukämie hat,
zwei jungen Männern sagen müsst, dass sie Hodenkrebs
im Endstadium haben und die Totenscheine für drei 60-
Jährige ausfüllen müsst ihr auch noch...
(Von den restlichen Patienten in allen möglichen Stadien
ganz zu schweigen, wovon die Hälfte euch immer mit diesem
Ausdruck in den Augen anschaut:" Doktor, helfen sie mir!")

Man kann das nicht aushalten, wenn man sich emotional
auf diese Schicksale einlässt. Oder zumindest nicht lange.

Und helfen können sie auch nur, wenn sie selbst einen
klaren Kopf haben (wolltet ihr von einem Chirurgen operiert
werden, der vor lauter Mitgefühl ständig Tränen in den Augen
hat?)

Sicherlich gibt es bei vielen Ärzten und Medizinern sehr viele
Defizite im sensiblen Umgang mit den Patienten... aber ich
hab’s lieber so, als andersrum, oder? (Nett, aber dumm!?
(Und über den Umgang kann man sich ja unterhalten!)

Ich hab’ mich immer für Medizin und Biologie interessiert,
und für einen harten Burschen halte ich mich auch... aber den
Job würde ich nicht lange machen können.


Wir haben immer versucht, die medizinischen Realitäten zu
erkennen - und sind eigentlich mit allen Ärzten gut ausge-
kommen (das mag auch an der Privatversicherung liegen ;-) )

Das soll aber nicht heissen, das die, die sich über die Ärzte
aufgeregt oder beschwert haben, im Unrecht seien!
Ich wollte damit nur eine mögliche Erklärung anführen, warum
manche Ärzte so extrem unsensibel zu sein scheinen.

Viele Grüsse an alle im Forum

ole
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  #2  
Alt 28.05.2004, 17:39
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Standard Eine Lanze für die Mediziner...

Hallo Ole,
es ist sicher richtig, dass gerade in den Krankenhäusern die Mediziner und auch das Pflegepersonal unter enormem Druck stehen, lange Dienste schieben, dauernd schwere Schicksale vor sich sehen, Berichte schreiben, behandeln und auch noch den Patienten und ihren Angehörigen hinreichend Zeit widmen sollen, um Fragen zu beantworten, die vielleicht gar nicht alle beantwortet werden können (gibt es Heilung? wie lange noch? wird die Therapie nützen? usw.). Alles zugestanden. Ich verstehe, dass da die Zeit für das Einzelschicksal fast zwangsläufig zu kurz kommt und Patienten und Angehörige sich im Wald stehen gelassen fühlen.

Andererseits glaube ich aber auch, dass die Qualität des ärztlichen Verhaltens (auch) eine Frage sozialer Kompetenz ist. Dies setzt voraus, dass Ärzte entweder diese Eigenschaft haben oder lernen müssen, und DAS steht nun wahrlich nicht auf dem Programm der medizinischen Ausbildung. Gerade viele jüngere Ärzte sind nicht selten im mitmenschlichen Bereich völlig überfordert, um es einmal freundlich auszudrücken. Bei den älteren Ärzten greift mitunter ein eher sarkastisch-distanziertes Verhalten ein, das ich persönlich dann auch eher für unangenehm halte.

Aber es gibt, wie erfreulich, auch immer wieder die anderen Beispiele: Ärzte, die den RESPEKT vor anderen Menschen und deren Schicksal noch nicht verloren haben und trotz knapper Zeit das Gefühl hinterlassen: Ja, doch, bei ihm/ihr fühle ich mich kompetent behandelt und gut aufgehoben. Wichtig ist, glaube ich, in ERSTER LINIE, dass eine optimale Behandlung gewährleistet ist, in ZWEITER LINIE, dass der Patient - ohnehin zunächst mal eingeschränkt in psychischer Hinsicht (Diagnose Krebs! Todesurteil?) und in physischer (spätestens nach der OP ist man als Patient erstmal in jeder Hinsicht sehr geschwächt) sich GUT AUFGEHOBEN fühlt, und in DRITTER LINIE, dass ein vertrauensbildender Dialog zwischen Patienten/Angehörigen und den Ärzten stattfindet. Wenn ich weiß (was es aber erst einmal herauszufinden gilt), dass ein Arzt Spitze ist und ich in guten Händen bin, kann ich viel eher damit umgehen, wenn es sich um eine wortkarge oder brummelige Spezies handelt.

Aber ich gebe Dir recht, Ole: Nicht alle über einen Kamm scheren! Es gibt auch viele Gute! Nur liegen bei Betroffenen und ihren Verwandten die Nerven erst einmal so blank, dass unsensibles Medizinerverhalten erstmal einen ziemlichen Flurschaden anrichtet.

In diesem Sinne viele Grüße, Lea
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  #3  
Alt 28.05.2004, 17:55
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Standard Eine Lanze für die Mediziner...

Hallo Ole und Lea,
ich finde, wer nicht in der Lage ist den Menschen gegenüber respektvoll und einfühlsam aufzutreten (grade bei Krebspatienten) der sollte in die Forschung gehen. Am Patienten hat so einer nichts zu suchen. Einen schlechten Tag kann man immer mal haben, dann sollte man sich aber sofort für seine Entgleisungen entschuldigen. Wir können uns in unseren Jobs auch keine entgleisungen erlauben-dann sind die Kunden nämlich weg!! Patienten können nicht so einfach weggehen, sich einen anderen Arzt suchen. Grade deswegen sind die Mediziener auch zu noch mehr Sorgfalt verpflichtet.
Das ist meine Meinung. Keine Lanze für die Götter in Weis! Sie verdienen ja auch meist dementsprechend.
LG
Katharina
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  #4  
Alt 29.05.2004, 08:56
Tamara Wiedmann
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Standard Eine Lanze für die Mediziner...

Hallo alle miteinander!

Ich muß jetzt mal ein bißchen die Mediziner in Schutz nehmen.

Ich arbeite ja auch als Therapeutin an einem Uniklinikum, und sicher habt Ihr auch alle Recht:
Zum einen packen´s manche Ärzte emotional nicht, zum anderen gibt´s auch die sozial inkompetenten. Das ist aber meiner Ansicht nur die Minderheit. Ich arbeite selbst auch auf Intensivstationen und weiß, daß man ein Stück weit einfach abstumpfen MUSS, sonst nimmst Du das alles mit nach Hause und lässt es irgendwann an Deiner Familie raus: Mitgefühl ist gut, aber Mitleid bringt weder Dir noch Deinem Patienten was.
Nein, ein viel größeres Problem (zumindest bei den Ärzten, die ich kenne) sind die vielen Tätigkeiten drumherum, die nicht an Patienten stattfinden. Anforderungen für Untersuchungen unterschreiben und ausfüllen, Briefe schreiben (das machen die Assistenzärzte noch selbst), Rezepte ausfüllen, Konsile anmelden und mit den Konsiliarärzten über Patienten sprechen, Abwägen zwischen Bettenauslastung und dem Wohl des Patienten, und und und...
Viele junge motivierte Ärzte, die ich kenne, haben die Klinik verlassen, weil sie dort für ihren Geschmack zu wenig bei Patienten sein konnten. Einer sagte mir mal, er sei Arzt geworden, um mit Menschen zu arbeiten, aber im Moment sehe es eher so aus, als würde er als Sekretärin hier arbeiten.
Es ist schwer, das als Patient zu akzeptieren. Aber Ihr werdet lachen, sogar ich als Therapeutin höre von meinen Patienten immer wieder den Satz:"Aber wozu zahle ich denn dann so hohe Kassenbeiträge, wenn Sie mir nach der Therapie nicht mal ins Bett helfen können, und das die Schwester machen muss?"
Ganz einfach: auch wir haben mittlerweile soviel Schreibkram (Statistiken, Dokumentation, etc.), wozu uns das System zwingt, daß wir bei Patienten Abstriche machen müssen. Und glaubt mir, es gibt so Tage, da zerreißt Du Dich förmlich, lässt das Mitagessen sausen, weil Du eh schon ein schlechtes Gewissen hast, und dann kommt ein verärgerter Patient mit nicht zumutbarem Ton und will den Chef sprechen, weil Du ihm nicht ins Bett geholfen hast. Ihr könnt vielleicht verstehen, daß es da manchmal ganz schwierig ist, ruhig zu bleiben.
Anders geht´s den Ärzten auch nicht.
Das soll keine Moralpredigt sein.
Aber im Gesundheitswesen ist zur Zeit dermaßen die Hölle los, daß es für diejenigen, die damit arbeiten müssen, echt schwer geworden ist, zu helfen.
Wenn Euch ein Arzt mal so kommt, dann fragt ihn doch einfach mal ganz nett, ob er einen anstrengenden Tag gehabt hat oder gerade im Streß ist. In den meisten Fällen werdet Ihr ein Lächeln auf sein Gesicht zaubern, und er wird Euch sagen, was Sache ist.

Es sind nicht alle so.

Liebe Grüße

Tamara
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  #5  
Alt 29.05.2004, 21:19
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Standard Eine Lanze für die Mediziner...

Hallo an alle,

ich muß Dir (lieber Ole) recht geben. Wenn die Ärzte sich über jedes Einzelschiksal den Kopf zerbrechen würden, könnten Sie keine gute Arbeit mehr abliefern. In Tumorbiologischen Kliniken oder Krebskliniken ist es nun mal so, daß da nicht Leute mit gebrochenen Beinen oder Armen liegen die "als geheilt" entlassen werden, sondern so ziemlich alle schlechte Prognose bekommen. Krebs an sich ist ja für den schon schlimm genug ob nun gute oder schlechte Prognose.
Was ich aber den Mediziner echt ankreise (wie es bei uns der Fall war) sie sollten das mit den Prognosen von Wochen, Monaten oder 1 bis 2 Jahren lassen. Ich glaube die Diagnose allein schockt schon genug, da braucht man nicht auch noch die Prognose des Zeitraums. Sie sollten lieber den Patienten darauf vorbereiten andere Wege zu gehen. "Sie sind für uns austherapiert, wir konnten sie leider nicht mehr operieren weil....." und dann versuchen einen anderen Weg zu suchen Chemo, Bestrahlung, Hypertherapie etc.
Für sensible Menschen ist solch eine Prognose wahrscheinlich noch schlimmer als die Tatsache Krebs zu haben. Für mich war es das jedenfalls.
Liebe Grüße
Petra
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  #6  
Alt 29.05.2004, 23:05
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Standard Eine Lanze für die Mediziner...

Ebenfalls hallo an alle,
ich finde - wie Petra - auch, daß die Ärzte - vor allen Dingen ungefragt - keine Zeitprognosen machen sollten.Mir hat man nach der OP auch gesagt, wenn ich die Chemo ablehne, hätte ich nur noch ein halbes Jahr Überlebenszeit! Woher nimmt man das Recht, solche Zeitvorgaben zu machen und vor allen Dingen, was bezweckt man damit? Ich habe es seinerzeit als Bedrohung und fast als Erpressung gesehen. Und ich könnte mir vorstellen, daß es vielen anderen hier ebenso ergeht. Ich glaube, kein Arzt ist in der Lage, eine genaue Zeitprognose zu erstellen. Dazu ist diese Krankheit zu vielschichtig und noch nicht genug erforscht. Eines erreicht man jedoch fast immer: Der Patient oder die Patientin muss mit dieser schrecklichen Aussage leben.
Mich stört bei den Ärzten etwas ganz anderes:Ich habe in mehr als 5 Jahren nach meiner OP häufig erlebt,´daß selten ein Arzt eine weitere Meinung akzeptiert. Ich nehme mir das Recht,Behandlungen zu hinterfragen , auch ggfs. bei einem anderen Arzt. Das hat bei mir zumindest schon zu sehr unschönen Auseiandersetzungen geführt nach dem Motto, wenn sie mir nicht vertrauen, dann gehen sie doch woanders hin ... bitte, wir haben freie Arztwahl. Ich vermisse also einen Austausch, in den ich als Patientin mit einbezogen werde. Ich mag es nicht, wenn man über meinen Kopf hinweg Dinge anordnet, die ich nicht nachvollziehen kann bzw. mit denen ich nicht einverstanden bin.Das heisst jedoch nicht, daß ich ein 'Ärzteschreck' bin. Wenn man mich und meine Erkrankung ernst nimmt, klappt das auch sehr gut.Und ich habe durchaus Respekt vor guten Ärzten. Überfordert sind jedoch offensichtlich fast alle - aber Klappern gehört zum Handwerk. LG
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  #7  
Alt 30.05.2004, 19:37
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Standard Eine Lanze für die Mediziner...

Frohe Pfingsten ihr Lieben,
das mit der Zeitprognose ist so eine Sache...
Ich finde es schon wichtig, dass einem Patienten ganz klar gesagt wird: Regeln Sie Ihre Angelegenheiten. Augenwischerei nutzt nichts, es sind ja wirklich noch viele Sachen zu erledigen, wenn man denn geordnet diese Welt verlassen will.
Über die Art und Weise kann man allerdings streiten, da habt ihr Recht.
Hildegard, ich danke Dir für Deine Worte. Mir geht es mit den Medizinern ganz oft genauso. Wie ein Bettler steht man teilweise vor den Ärzten und muss sich demütigen oder so fetzen, dass eine Weiterbehandlung oftmals schwer ist. (Mir geht es besonders bei den Kinderärtzen so. Ich lasse meine Kinder nicht impfen und muss mir deswegen jedemal die heilige Inquisition gefallen lassen)
Wir sind nun mal von den Medis abhängig.
Gut, dass wir uns haben und viele hier im Forum, die gut Informiert sind. So kann man auch mal fachlich kontern.
LG
Katharina
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