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  #1  
Alt 29.03.2008, 20:42
Ute K. Ute K. ist offline
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Standard Mein kleiner Bruder Alexander

Alexander,
wenn Du mich jetzt sehen könntest, würdest Du schimpfen. Du wolltest nie, dass ich weine und schon garnicht um Dich.
Heute vor 2 Wochen warst Du schon nichtmehr bei Bewusstsein, die Ärztin auf der palliativstation hatte Dir bereits morgens wieder einmal Morphium gespritzt, weil Du so Angst und Schmerzen hattest. Es war aber doch Dein 39.Geburtstag und ich wollte mittags kommen und wir wollten doch noch ein bisschen feiern. Aber unsere Mom hat Dich, weil sie wie immer keine Ruhe hatte, schon morgens besucht und es ging Dir schlecht. Wie bist Du nur in den Rollstuhl alleine gekommen?? War es ein letztes Aufbäumen? Hast da im Rollstuhl gesessen mit dem Kopf an der Wand und nach Luft geschnappt.Na, ich weiss, Du wolltest bestimmt wieder rauchen... War ja auch das letzte, was Dir geblieben war. Aber unsere Mom und die Pflegerin haben Dich sofort ins Bett verfrachtet.Dein letztes Wort war zu unserer Mom: Durst! Hast aber nur einen kleinen Schluck aus der Schnabeltasse getrunken. Und als ich mittags kam, warst Du schon weit weg... Ich hatte noch Deine Cornflakes mitgebracht und ein Blümchen... Hast Du ja nichtmehr gesehen.
Weisst Du noch unsere Gespräche in den Tagen vorher? Es war für mich und für Dich so wertvoll. Aber es tut mir wegen dieser Nähe, die wir auch schon vorher hatten, jetzt nochmal so weh. Warst immer so tapfer und wenn mal kurz nicht, hast Du vor unserer Mom geweint. Und ich bin so stolz auf Dich... Und Du hast mir Dein letztes Lebenszeichen gegeben, hast mir die Hand nochmal gedrückt, und dann hast Du Dich bis zum Schluss nicht mehr bewegt. Nein, stimmt nicht, als ich aufstehen wollte, um mich auf die Couch zu legen , war ja auch müde, habe ich Dir über den Kopf gestreichelt, und da hast Du ganz kurz Deinen vorher regungslosen Kopf ein wenig zu mir gedreht und hast aufgehört zu atmen. Mein Gott, war das schön und schrecklich. Und dann hast Du Dich innerhalb von Minuten so verfärbt...
Ich werde Dich immer lieben
Heute hat Tante Irene nach einigen von Deinen Sachen gefragt, vor allem war sie an Deinem Computer interessiert... für Ilona. Ich verspreche Dir, dass Dein geliebter Apple Computer nur in Hände kommt, die es auch zu schätzen wissen... Das bin ich Dir schuldig
Junge, hoffentlich bist Du jetzt in der Welt, an die Du immer geglaubt hast, die besser ist als diese...
Ich liebe Dich, Deine sister Ute
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  #2  
Alt 30.03.2008, 05:30
Ute K. Ute K. ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder Alexander

Alexander,
ich bin es wieder, kann nicht schlafen. Ich habe Angst, so langsam wird es mir richtig bewusst, dass Du nicht mehr wiederkommst. Richtig weinen konnte ich noch nicht, habe ja schon fast 3 Jahre von Dir Abschied genommen. Was es so schwer auch macht, wie kann eine solche Krankheit einen Menschen so zerstören? Für unsere Mom war das schlimmste, dass Du zuletzt noch ins Hospiz solltest. Da ist sie ja fast zusammengebrochen und Du hast dir Sorgen um Sie gemacht. Aber klar, Du musstest doch schon Dein geliebtes Irland verlassen, bist bei Ihr oder mir gewesen und hast dann eine kleine Wohnung bekommen, die Du jetzt auch wieder verlassen solltest. Aber am nächsten Tag war sie ja wieder besser drauf und Du warst froh.
Diese besch... Krankheit hat alles weggenommen, zuletzt warst Du wie ein kleines Kind.Hat Dich, als es Dir in Irland so gut ging, einfach ausgebremst und gesagt: Schluss und aus, jetzt ist genug! Hat Dich soweit gebracht, dass Du die letzten Wochen froh und glücklich warst, wenn ich Dich gestreichelt habe. Wer hätte das mal gedacht? Weisst Du noch, als Du damals operiert wurdest? Da hast Du Dir noch Gedanken um Deinen Bauch gemacht: hoffentlich kann ich wieder mit einer Badehose an den Strand... Wie lächerlich das heute wirkt. Dein schöner Körper, worauf Du immer so stolz warst, war ja so verändert. Abgemagert, dicker Bauch, Wasserbeine und Arme wie Streichhölzer. Aber damit hattest Du Dich abgefunden: Hauptsache, ich habe keine Schmerzen. War am Schluss ja nicht mehr so. Da konntest Du noch nichteinmal an Deinem heissgeliebten Computer sitzen, nur im Bett liegen...
Alexander, ich muss jetzt schlafen, bitte hilf mir, ich glaube, so langsam kriege ich den Keulenschlag....
Deine sister
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  #3  
Alt 30.03.2008, 16:06
Ute K. Ute K. ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder Alexander

Alexander,

heute geht es uns ganz schlecht, wir waren auch mal wieder in Deiner Wohnung und anschliessend haben wir eine Grabstelle für Dich ausgesucht. Ich hab drauf geachtet, dass Du erst ab mittags Sonne hast, warst ja immer so ein Morgenmuffel.Die Urnenbeisetzung und Trauerfeier ist nächste Woche Dienstag, uns graut es so davor. Du würdest sagen, was soll das? Ist doch nur für die anderen. Stimmt, wir haben ja schon im Krankenhaus unseren Abschied gehabt.
Mom hat sich so über Tante I. aufgeregt, die hat doch schon tante Klara gesagt, der Norbert solle mal gucken, was wir für Dein heissgeliebtes Saxophon bekommen. Spinnt die? Als wäre das jetzt wichtig... Das hat Mom natürlich erstmal klargestellt. Morgen gehe ich wieder arbeiten, es muss natürlich weitergehen und Du wolltest doch immer, dass ich auf Dich keine Rücksicht nehme. Bitte hilf mir und gib mir Kraft.
Deine sista Ute
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  #4  
Alt 31.03.2008, 20:40
Ute K. Ute K. ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder Alexander

Alexander,
heute war ich arbeiten und es hat mir eigentlich gut getan. Aber als manche Kollegen mich dann in den Arm genommen haben, war es vorbei. Als erstes musste ich das Holzkästchen in den Schrank stellen. Das hast Du mir noch auf dem Weihnachtsmarkt besorgt, aber dann musstest Du sofort nach Hause... da kamst Du gerade aus der Schmerztherapie und konntest ein bisschen laufen. Irgendwann hole ich es wieder raus und halte es in Ehren.
Heute haben wir die Trauerkarten geschrieben, d.h. ich, denn Mom war so nervös, hat zwei Briefmarken kapputt gemacht und fast einen leeren Umschlag weggeschickt. Da war ich auch so gereizt, na ja, sind wir alle.Und morgen kommt der Trauerredner. Dem werde ich von Deinem geliebten Irland erzählen.
So, mache jetzt Schluss. Bitte sehe ein wenig auf unsere Mom, wenn da was passiert, lande ich in der Klapsmühle.
Junge, machs gut. Bist Du schon angekommen?
Deine sista
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  #5  
Alt 02.04.2008, 22:36
Ute K. Ute K. ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder Alexander

Alexander,
wir schaffen jeden Tag ein kleines Stück mehr, auch wenn es schwerfällt. Gestern war der Trauerredner da, sehr sympathisch, und die Worte kamen nur so aus uns raus. Leider mussten wir auch zugeben, dass Du immer sehr stur, eigensinnig und nachtragend warst. Weisst Du noch unseren grossen Streit vor 12 ! jahren... Na ja, wer hat keine Fehler? Ich habe ihm auch von unseren Gesprächen bzgl. Gott und Glauben erzählt, die wir anfangs Deiner Diagnose hatten, als Du in Cork im Krhs. lagst. Mein Gott, wie lange ist das schon her? Kann man nicht glauben.
Auf der Arbeit ist es schwer. Muss mich immer zusammenreissen, morgens geht es aber so ab mittag fällt es immer schwerer, weil es soviel Kraft kostet. Immer kommen bestimmte Augenblicke in mir hoch. Und nachmittags bin ich am Ende, ich fange an zu zittern und mir ist schlecht. Hilf mir da bitte. So, mache Schluss, aber muss Dir noch sagen, gestern und heute wärst Du auf Deine Mom stolz...
Ich vermisse Dich
Deine Sista
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  #6  
Alt 05.04.2008, 21:46
Ute K. Ute K. ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Bruder Alexander

Alexander,
heute haben wir Deinen Grabschmuck ausgesucht, Lilien und Rosen. Von Tante I. bekommst Du ein riesen Herz und auch von Günter mussten wir was bestellen. Weisst Du was, eben kam eine Email von Andre. Er, Frank und Michael wollen am Dienstag auch kommen. Da musste ich erstmal weinen. Ihr vier wart früher immer soviel zusammen, es gab nur Party und Urlaub... Es ist so eine schwere Zeit. Am Nachmittag habe ich Deine Nachmieterin kennengelernt, eine nette ganz junge Studentin. Du würdest Dich freuen, dass bald endlich mal Leben in Deiner Wohnung ist. So wie Du nicht mehr konntest. Es tut mir so leid. Ich versuche, immer daran zu denken, dass es Dir nun besser geht und dass Du das Leben, dass Du zuletzt führen musstest, nicht wolltest. Aber ich vermisse Dich.
Es tut weh, in die Wohnung zu gehen und Dein Leben nach und nach aufzulösen. Die ganzen Erinnerungen... Heute hab ich Deinen Plattenspieler eingepackt. Erinnerst Du Dich, wie wir beide vor nicht langer Zeit noch von David Bowie: Wild is the wind gehört haben. Du lagst im Pflegebett und ich daneben auf der Couch. Das waren so intensive Momente, die werde ich nie vergessen.
Ach Junge, heute muss ich viel weinen. Bitte bitte hilf uns am Dienstag
Deine Sista
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