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  #1  
Alt 25.03.2016, 22:37
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Standard Für Mama: Henry, gegen Ernie und Bert und die Anderen

(diffuses rausschreiben)

Ernie und Bert, mit ihnen fing alles an. Nein, eigentlich ja nicht. Eigentlich fing es mit dem kleinen Knoten in der Brust an, der sich entschieden hatte sehr schnell zu wachsen. Da ist dieses Thema Tod, welches in unserer Gesellschaft sehr tabuisiert wird und bricht so plötzlich und unerwartet in dein Leben.
“Ja, sie haben da einen kleinen Knoten entdeckt, wahrscheinlich aber nur eine Zyste.”, sagt mir meine Mutter mit beschwichtigenden Worten, während alles an ihren Gesten- ihre Hände, die so nervös einander Halt suchen, ihr Schritt, der etwas von mir zurück geht, Bände spricht.

Die folgenden Stunden verschwimmen in lauten Gedanken, der Angst und dem Hoffen.
Die Diagnose jedoch lautet: Krebs- nicht gutartig.
80 prozentige Wachstumsrate und bedingt durch die Einnahme künstlicher Hormone.
Unsere Devise lautet: ruhig bleiben, sich den Chemotherapien und Bestrahlungen stellen.
Die ersten Chemotherapien erfolgen alle 3 Wochen.
Die Haare gehen büschelweise aus.
Die Übelkeit erschwert ihr das Essen.
Psychische Zusammenbrüche bleiben nicht aus.

Da ist dieser Raum im Brustzentrum, in jenem all diese mutigen Frauen angeschlossen an der Chemotherapie 3, 4, 5, manchmal auch 6 Stunden verharren.
“Jeder Mensch ist anders, bei jedem verläuft die Krankheit und die Reaktion auf die Chemotherapien anders.”, ist ein Satz, den wir mehrmals zu hören bekamen.
So gibt es eben Frauen, die unter der Behandlung ohne weitere Hilfe ihren Alltag bewältigen können und Frauen, welche sehr viel Unterstützung benötigen.

Ein Aufgeben, sowie der Gedanke an den Tod kam für uns nicht in Frage.

Ausschnitt aus dem Jahr 2014



Mama: “Das ist Henry, der den Krebs wegmacht.”

Eine von meiner Ma gefilzten Maus.

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Mama: 2014 Brustkrebs (Hormonbedingt durch die Pille), 2015 Bronchialkrebs mit Metastasen im Kopf, Knochen und der Leber. (hat nicht geraucht)
Gegangen bist Du am 3.2.2016 um 3.50 Uhr, mit 52 Jahren.
Jetzt bist Du frei... und für mich an einem Ort, an dem es Dir gut geht...

Geändert von Florentine2 (25.03.2016 um 23:04 Uhr)
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  #2  
Alt 25.03.2016, 22:41
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Standard Ernies Geburt

Ernies Geburt

Gespräch: […]“Mit Mama weißt Du schon?“[…]“Sie hat eine Schwellung im Kopf.“[…]
[…]“Was, nein, nein, das schaffe ich nicht.“[…] – Tränen, Angst – Durchatmen –
[…]“Bleiben wir erstmal ruhig, manchmal bekommt man das auch von einem zu niedrigen Natriumspiegel, sie hat so lange Salz verweigert.”[…] […]”Oder aber es ist eine Nebenwirkung von den ganzen Tabletten“[…] – Beruhigungs-Fluchtversuche, während im Inneren die Wahrheit dunkel aufkeimt. Die Nacht ist dunkel. Da ist dieses haltlose Fallen gewesen, mit diesem großen Thema, das mit einer solchen Wucht auf einem einstürzte, dass ich in dieser Nacht in einer seltsamen Form gestorben bin.
Am folgenden Tag fahre ich zu ihr ins Krankenhaus. All die Fahrten in den folgenden Tagen sind grau und schwer, von Unwirklichkeit durchzogen. In der Bahn werden mir die Beine seltsam schwer. Die Augen gehen mir, je näher ich dem Ziel bin, immer wieder zu. Immer wieder droht es mich wegzuziehen.
Die Diagnose lautet: Hirnmetastasen, darunter eine etwas größere, die meine Mutter etwas später Ernie nennt….

Ende August 2015
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  #3  
Alt 25.03.2016, 22:42
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Standard Ratsuche

Ratsuche

„Was glauben sie was ihre Aufgabe ist?“, sind es die Worte der Psychoonkologin.
„Haben sie nicht damit gerechnet, dass so etwas passieren kann?“
„Lassen Sie sich Zeit. Der Schock…es wird irgendwann anders sein.“
„Ihre Trauerarbeit hat schon begonnen. Vor kurzem kam ein Buch heraus, in jenem der Autor, Angehöriger, über das Begleiten seiner Krebskranken Frau geschrieben hat. Bei manchen beginnt die Trauerarbeit sofort, damit man, wenn es soweit ist, dem Betroffenen beistehen kann. Sie machen dieselben Phasen durch wie ihre Mutter, nur dass sie immer schon einen Schritt voraus sind.“
„Weniger ist mehr.“
„Nehmen sie ruhig das Kissen und schmeißen es in die Ecke.“
„Es gibt Frauen, die können mit Hirnmetastasen noch gut leben. Ich habe eine Patientin, die mich seid 2 Jahren aufsucht.“

September 2015
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  #4  
Alt 25.03.2016, 22:44
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Standard Paula langsam

Paula langsam

Ein Bild, welches meine Ma zur Erinnerung, dass sie alles langsamer machen dürfe, malte.
Fotografiert von der Kunsttherapeutin Gunilla Göttlicher auf der Palliativstation

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  #5  
Alt 25.03.2016, 22:49
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Standard Innenumgrabung

Etwas gräbt in mir….gräbt und gräbt und gräbt, unaufhörlich-
g-e-w-a-l-t-s-a-m!
Gräbt es und gräbt es und gräbt es- alles in mir um.

Die Welt, sie drehte sich einfach weiter. Ich trete aus der Drehtür des Helios Klinikums und erblicke zwei sich raufende, spielende kleine Jungen.
Die Greifbarkeit, das Verstehen der Dinge, es schwand, war umnebelt von dieser Fassungslosigkeit.

Und weiter gräbt es und gräbt es- gewaltsam, alles in mir um.

Was kommt auf uns zu, wie kann ich mich darauf vorbereiten? Wie ist es gut mich zu verhalten? Was ist der Tod?

Der Schock, er ist so groß, ich weiss darum, ich weiss, dass meine Ma sterben wird.
Sie selbst steht noch im Unwissen, doch ich muss still sein.
Ein richtiger Moment soll abgepasst werden.
Sie hat so große Angst. Sie glaubt Heilung sei möglich.

Es gräbt und gräbt und nimmt mir die Nächte.

Und doch in all der Angst und Überforderung, ergreifen meine Hände mit pochendem Herzen stets die Türklinke ihres Krankenzimmers und sobald diese aufschwingt, ist alles Chaos in mir verwirkt, ist da diese funktionierende ruhige Ebene.

September 2015
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  #6  
Alt 25.03.2016, 22:52
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Standard Herbst- Fallen der Blätter- Wandel- Sonnenschein

“Wollen wir rausgehen?”
“Ja warum eigentlich nicht.”
“Dann besorge ich Dir einen Rollstuhl, nur für den Fall, dass Dir das Laufen zu anstrengend wird.”

Gesagt getan. Nach kurzen Gehversuchen, entscheidet sie sich für das Sitzen im Rollstuhl. Zur Unterstützung ein Sauerstoffgerät.

Langsam fahren wir durch das Gelände des Helios Klinikums.
Nein, eher durch das Grün vom Gras und dem Rot und dem Gelb, der vom Wind geblähten Herbstblätter. Die Sonne, sie ist so gelb golden an diesem Tag und schimmert zwischen den Bäumen und den Blättern. “Was die Natur so alles macht.”, sagt sie.
Achtsam nehmen wir die Natur in uns auf, nehmen sie wahr und bestaunen sie und wundern uns über die hektisch umhertreibenden Menschen, während es uns immer näher an die große Cafeteria des Hauptgebäudes heranführt.

Ein Stück Kuchen will ich dort kaufen und schiebe meine Ma, denn sie will durch ihr schwaches Immunsystem nicht unter die vielen Menschen, direkt vor die verglaste Seitenfront der Cafeteria. Dort, so war mein erster Gedanke, kann sie mich dann sehen, kann sie sehen, wie lange es dauert.
“Mensch *****, nicht hier direkt wo die mich alle sehen können. Wie sieht das denn aus, wenn ich da reingucke, denen direkt auf die Teller!”
Es war ein witziger Moment. Wir haben beide gelacht.

November 2015

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